New Order, Joy Division und ich. Bernard Sumner

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New Order, Joy Division und ich - Bernard Sumner

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Zeug wegzuputzen, wovon mein Zahnschmelz ordentlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich verstand nicht genau, was eine Füllung war, also hatte ich keinerlei Bedenken bezüglich dessen, was mir bevorstand, und sah der Behandlung einigermaßen fröhlich entgegen – ich freute mich geradezu darauf. Man betäubte mich mit Gas, und das Nächste, woran ich mich erinnern kann, war, dass ich aufwachte, als der Zahnarzt und seine Assistentin mich mit dem Kopf unter einen Wasserhahn über einem Becken hielten und mich fest ins Gesicht schlugen. Ich sah, dass Blut unter mir in den Abguss floss. Ich verlangte lautstark, dass man mir erkläre, was da vor sich ginge. Sie sagten, dass ich geschrien hätte und sie mich nicht besänftigen hätten können. Irgendetwas musste wohl ordentlich schiefgelaufen sein, da beide bleich und entsetzt aussahen. Sobald ich mich wieder ein wenig eingekriegt hatte, fuhr mich der Zahnarzt nachhause. Ich weiß noch, dass er einen Jaguar E-Type hatte. Die nächsten Tage fühlte ich mich sehr schlecht und ständig rann mir Blut aus dem Mund. Anscheinend hatten sie mir zu viel Gas verabreicht oder die Mischung hatte nicht gestimmt, woraufhin ich beinahe abgekratzt wäre.

      Zu dieser Zeit war ich ein Schüler an der Grundschule St. Clement’s, die nur einen Steinwurf von unserem Haus entfernt war. Dennoch gelang es mir meistens, mit Verspätung zum Unterricht zu erscheinen. Ich bin nämlich einer dieser Menschen, die immer und zu allem zu spät kommen. Einer meiner Lehrer meinte sogar: „Bernard Sumner, du wirst dich sogar zu deiner eigenen Beerdigung verspäten.“ Ich war kein sonderlich guter Schüler, und die Art, wie ich in der Grundschule unterrichtet wurde, hatte daran einen großen Anteil. Zum Beispiel tat ich mir schwer mit Mathe, was zur Folge hatte, dass ich mich auf einen Stuhl stellen musste, wo ich dann mit Fragen bombardiert wurde oder die Neunerreihe oder so aufsagen musste. Wenn man das dann nicht auf die Reihe brachte, machten sich die Lehrer vor der Klasse über einen lustig. Was schulische Motivierungskunst angeht, muss ich sagen, dass ich das für eine ziemlich bizarre Philosophie halte.

      Die Grundschule war auf jeden Fall eine eher schauderhafte Erfahrung. Dort wurde schon früh jegliches Selbstvertrauen, wenn ich es besessen hatte, ausgelöscht. Der Unterricht basierte auf Angst, aber dadurch wurde ich nicht etwa abgehärtet oder zum Lernen bewogen, nein, ich wurde dadurch nur fortlaufend nervöser. Ich verfing mich in einer Abwärtsspirale, aus der ich mich nie mehr richtig befreien konnte. Zumindest nicht während meiner Zeit an der Schule.

      Nur zwei Dinge stachen für mich positiv an der St. Clement’s hervor: Einerseits lernte ich lesen und andererseits liebte ich alles, was mit Kunst zu tun hatte, besonders das Modellieren mit Ton. Die Schule hatte einen eigenen Brennofen und ich war nie glücklicher als bei dieser Arbeit. Wir hatten einen Lehrer namens Mr. Strapps, der uns beibrachte, mit dem Ton zu arbeiten. Anstelle einer Töpferscheibe verwendete er einen Schallplattenspieler. So entstanden Plastiken bei 45 Umdrehungen in der Minute – das war zwar unkonventionell, allerdings war das in Ordnung für mich.

      Der Nachteil an Mr. Strapps war, dass er ein absolut schrecklicher Mann war. Sein Name allein klang schon nach Charles Dickens und er hätte definitiv aus den Buchseiten von Harte Zeiten entsprungen sein können. Er unterrichtete die ältesten Kinder an der Grundschule, also wuchs man im Wissen heran, dass es unmöglich sein würde, Mr. Strapps zu entgehen. Einmal züchtigte er mich mit dem Rohrstock: Draußen hatte es geregnet, weswegen wir in der Pause drinnen bleiben mussten. Dort stieß ich versehentlich eine Flasche Milch um. Obwohl es sich ganz klar um einen Unfall handelte, rief er mich ohne Umschweife ans Lehrerpult, wo er mir so hart er konnte mit seinem Stock auf die Hand schlug. Das ist aber nicht die bleibendste Erinnerung, die ich an Mr. Strapps habe, nein, es gab etwas viel Grausameres. Während der Pause regnete es wieder, weshalb wir drinnen gehalten wurden und versuchten, uns so gut wie möglich zu unterhalten. Ich hatte mir einen Gedichtband aus der Schulbibliothek ausgeliehen und las ganz still darin, als ich spürte, wie sich Mr. Strapps von hinten annäherte. Er spähte über meine Schulter. Als er sah, was ich las, sagte er mit knurrender, vor Verachtung nahezu triefender Stimme: „Warum liest du das?“ Ich sah auf und antwortete: „Was meinen Sie damit, Mr. Strapps?“ Er verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken, beugte sich vor, damit er mit dem Mund ganz nahe an meinem Ohr sein würde, und höhnte: „Hör zu, da, wo du herkommst, wirst du ohnehin nur als Fabrikarbeiter enden, also macht es überhaupt keinen Sinn für dich, so etwas zu lesen. Also bring das wieder zurück. Sofort.“ Ich war von meiner Mutter, meiner Großmutter und meinem Großvater dazu erzogen worden, Autoritäten Respekt entgegenzubringen. Also dachte ich mir, dass Mr. Strapps als mein Lehrer wohl wüsste, wovon er sprach. Ich brachte das Buch also tatsächlich zurück und hörte auf zu lesen. Was für eine schreckliche Sache, so etwas zu einem Kind zu sagen – vor allem für einen Lehrer.

      Trotz aller entgegengesetzter Bemühungen von Mr. Strapps bestand ich mein „Eleven Plus Exam“, eine Art Abschlussprüfung im letzten Jahr an der Grundschule. Mein Großvater hatte mir als Motivationshilfe ein Fahrrad versprochen, aber der Hauptantrieb war für mich die Angst – und zur Abwechslung mal nicht die vor Mr. Strapps. Nach der Prüfung warteten zwei Optionen auf einen: Wenn man bestand, durfte man an die Salford Grammar School – und wenn man es vergeigte, wurde man an die Lower Broughton Modern geschickt. Einer meiner Cousins hatte mich vor letzterer gewarnt. Wer dorthin musste, so erzählte er mir, würde das erste Jahr ununterbrochen Prügel beziehen. In Wirklichkeit war es vermutlich nicht schlimmer als in der Grundschule, wo wir auch genügend Kids aus üblen Familien hatten. Trotzdem wollte ich alles daran setzen, um auf die Salford Grammar School zu dürfen. Ich büffelte also wie besessen und betete vor den Teilprüfungen, dass ich doch bestehen möge. Allerdings verpasste ich eine dieser Prüfungen, da ich die Masern hatte. Als ich wieder gesund war, musste ich sie alleine nachholen. Ich saß dafür in einem eiskalten Klassenzimmer, während meine Kameraden draußen spielten. Zwar vergingen erst noch ein paar spannungsgeladene Wochen, bis wir die Resultate erfuhren, doch als der Schuldirektor schließlich die Namen derjenigen, die bestanden hatten, vorlas und auch ich dabei war, verspürte ich eine umwerfende Mischung aus Erleichterung und unverfälschter Glückseligkeit. Schon die Prüfung allein fühlte sich wie eine echte Leistung an, da ich überhaupt kein Selbstvertrauen hatte – meine Lehrer hatten ganze Arbeit geleistet. In dem Moment, als mein Name vorgelesen wurde, erhielt ich jedoch einen richtigen Schub. Abgesehen davon hatte ich mir ein neues Fahrrad verdient und würde den ganzen Sommer lang die Straßen rauf und runter schießen, während die Schatten länger wurden und ich mich auf Salford Grammar School freute.

      Ich wusste, dass sich die Dinge nun ändern würden. Allerdings hatte ich absolut keine Ahnung, wie sehr das der Fall sein würde.

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      Komm her und nimm Platz, Bernard. Da gibt es etwas, worüber wir mit dir sprechen möchten.“ Mein Mund wurde trocken. Was hatte ich dieses Mal wieder angestellt?

      Ich hatte das Gefühl, dass da etwas nicht stimmte. In den letzten paar Wochen war es öfters einmal vorgekommen, dass ich ins Wohnzimmer kam und die Menschen darin plötzlich verstummten. Oder ich war in meinem Schlafzimmer und hörte Gemurmel von unten zu mir nach oben dringen. Da waren Großmutter, Großvater, Mum und Jimmy, die sich im Flüsterton miteinander unterhielten. Ich hatte mir deswegen das Gehirn zermartert, konnte mir aber beim besten Willen nicht ausmalen, was ich denn ausgefressen hatte. Es war ganz offensichtlich etwas Ernstes, da es zuvor noch nie so eine lange, dramatische Phase der Ungewissheit gegeben hatte. Ich setzte mich also hin, zupfte nervös an der Naht des Sitzkissens und blickte abwechselnd meine Mutter und Jimmy an. In meinem Magen hatte sich eine vertraute Angst eingenistet. Meine Mutter hielt einen kurzen Augenblick lang inne.

      „Wir werden hier ausziehen, Bernard“, sagte sie. „Du, ich und Jimmy. Wir übersiedeln in eine neue Wohnung in Greengate.“

      Es dauerte einen Moment, bevor ich verstand. Zuerst verspürte ich Erleichterung, da ich wohl doch nicht in Schwierigkeiten steckte, aber schon bald erfasste mich eine Welle massiver Verwirrung. Ich hatte mich bereits auf eine Bestrafung eingestellt, aber das war nun etwas komplett Unvorhergesehenes, und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.

      „Es

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