Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern. Karen Gravano

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Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern - Karen Gravano

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Uhr schlug sechs, und er war immer noch nicht zu Hause.

      »Wo bleibt Papa denn?«, fragte ich meine Mutter.

      Sie blickte von ihrem Topf mit Tomatensauce auf. »Dein Vater hat zu tun. Er isst heute nicht mit uns zu Abend.«

      »Kann Toniann denn bei uns übernachten?«

      »Warten wir, bis dein Vater nach Hause kommt, und hören, was er dazu sagt.«

      »Aber du hast doch gerade gesagt, dass er nicht zum Abendessen kommt. Wann ist er denn wieder da?«

      »Weiß ich nicht. Und, ehrlich gesagt, ist es vielleicht ohnehin nicht gut, wenn Toniann heute Abend bei uns bleibt. Vielleicht sollte sie jetzt besser heimgehen.« Sie füllte die Sauce in Plastikbehälter. »Wir gehen über die Straße und essen bei deiner Großmutter, Tante Fran und den Kindern. Hol deinen Bruder, zieh ein paar saubere Kleider an und beeil dich ein bisschen.«

      An jenem Abend herrschte in Tante Frans Haus eine seltsame Stimmung. Onkel Eddie war nicht da, was ebenfalls ungewöhnlich war. Keiner der Erwachsenen sagte etwas, während das Essen aufgetragen wurde – ein sicheres Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, denn ansonsten unterhielten sich die Mitglieder meiner Familie sehr gerne. Obwohl ich sehr neugierig war, stellte ich Mama keine weiteren Fragen.

      Nach dem Abendessen fragte ich sie, ob ich zu Toniann zum Spielen gehen könne, bis mein Vater nach Hause kam. Meine Freundin wohnte gleich gegenüber. »Du kannst spielen gehen, aber nur eine halbe Stunde.«

      »Was ist mit dem Übernachten«, drängelte ich.

      Sie seufzte. »Frag deinen Vater, wenn er heimkommt. Wenn er nicht heimkommt, müssen wir es eben verschieben.«

      Wir spielten gerade in Tonianns Vorhof, als Onkel Eddies Wagen um die Ecke gebraust kam und mit quietschenden Reifen in unsere Auffahrt einbog. Papa sprang heraus und rannte ins Haus, ich hinterher. Als ich ihn im Wohnzimmer und in der Küche nicht fand, ging ich nach oben. Die Schlafzimmertür war geschlossen. Ich öffnete sie einen Spaltbreit. Im selben Augenblick drehte sich Papa um und sah mich mit ernster Miene an.

      »Kannst du nicht anklopfen?« Hastig kehrte er mir wieder den Rücken zu, aber ich konnte noch sehen, wie er sich einen Revolver in den Bund seiner Jeans steckte. Ich fragte mich, ob etwas nicht in Ordnung sei, doch seine Körpersprache verriet nichts. Er war ganz ruhig und gefasst. Ich starrte ihn an und versuchte mir einzureden, dass ich die Pistole nicht gesehen hätte. Nach einer langen Pause sagte ich schließlich: »Ich wollte dich gerade fragen, ob eine Freundin bei mir übernachten…«

      »Nein, das geht nicht!«, unterbrach er mich. Dann zog er sein T-Shirt aus dem Hosenbund, drehte sich um und sah mich an.

      »Warum denn nicht?«, quengelte ich. »Was ist denn daran so besonderes?«

      »Nicht heute Abend. Wie wäre es denn am Wochenende? Ich kann jetzt nicht weiter darüber reden, ich muss gehen.« Seine Augen waren kalt; ich hatte das Gefühl, als blickte er durch mich hindurch. Er sprach ziemlich schnell und war ganz offensichtlich mit seinen Gedanken woanders. Er nahm ein Paar schwarze Lederhandschuhe von seiner Kommode und verließ das Zimmer.

      Ich folgte ihm auf den Flur, sah zu, wie er die Treppe hinab polterte, und rief ihm nach: »Wozu brauchst du denn die Handschuhe? Es ist doch Hochsommer.« In meinem Herzen spürte ich, dass etwas Schreckliches geschehen würde, und ich fürchtete mich.

      Er hielt inne, starrte mich an und sagte: »Warum stellst du so viele Fragen?«

      »Weiß nicht. Ich habe ja nur gefragt.«

      »Eines Tages wird noch eine gute Rechtsanwältin aus dir werden.« Er ging langsam die Treppe wieder herauf, bückte sich und küsste mich auf die Stirn. »Ich verspreche dir, dass jemand bei uns zum Übernachten kommen darf, bevor wir nächste Woche zur Farm fahren.« Die Farm war Papas ganzer Stolz, ein zehn Hektar großer bewirtschafteter Pferdehof im ländlichen Teil von New Jersey. Seit Papa das Anwesen gekauft hatte, verbrachten wir jeden Sommer dort.

      »Glaub mir, heute ist kein guter Abend«, sagte mein Vater zu mir. »Ich will, dass du jetzt ein braves Mädchen bist. Du bist die Älteste. Du hast die Verantwortung und musst dich um deinen Bruder kümmern. Und treib’ Mama nicht zum Wahnsinn.« Er küsste mich noch einmal, dann ging er nach draußen.

      Mein Vater verstand es ausgezeichnet, mir ungeachtet der tatsächlichen Umstände stets das Gefühl zu geben, alles wäre in schönster Ordnung. Wenn er also an jenem Abend mit einem Revolver im Hosenbund das Haus verließ, würde das schon seine Richtigkeit haben.

      Meine Mutter war in der Küche und hatte von unserem Gespräch nichts mitbekommen. Ich hatte nicht vor, ihr zu erzählen, was ich gesehen hatte.

      Am nächsten Morgen lautete die Schlagzeile in der Zeitung auf unserem Küchentisch: »Mord vor der Plaza Suite«. Papa war in der Küche und verhielt sich ganz normal. Ich wusste nicht einmal, ob er bemerkte, dass ich den Artikel las. Ich hatte keine, Zeit, ihn ganz zu lesen, aber ich erfuhr, dass das Opfer Frank Fiala war.

      Ich wusste, dass der Typ ein paar Sachen gemacht hatte, über die sich mein Vater geärgert hatte. Aber Mord? Als sich mein Vater an den Frühstückstisch setzte, hörte ich sofort auf zu lesen. Keiner von uns sagte ein Wort.

      Später in derselben Woche wies mein Vater meine Mutter an, meinen Bruder und mich ins Auto zu packen und zu der Farm in Cream Ridge zu fahren. Als Papa das Anwesen gekauft hatte, war es ziemlich heruntergekommen gewesen. Doch er sagte, es habe Potential und verfüge zudem über ein großes Grundstück. Mein Vater verliebte sich sofort in die Farm. Sobald wir den Besitz übernommen hatten, riss er wieder Wände ein und machte sich gekonnt an die Renovierung.

      Bald wurde aus dem abgewirtschafteten Bauernhaus mit ein paar Scheunen und verrosteten Gerätschaften ein spektakuläres Anwesen mit eingelassenem Swimmingpool. Es verfügte über topmoderne Einrichtungen für die Pflege und Ausbildung von Pferden sowie eine professionelle Rennbahn im Vorhof, eine exakte Nachbildung des Freehold Raceway in New Jersey. Mein Vater stellte einen Trainer aus dem Stall in Staten Island an, wo mein Bruder und ich Reitunterricht hatten, und baute ihm ein kleines Haus auf dem Gelände. Die meisten Pferde, mit denen der Trainer arbeitete, waren Traber, die auf dem Meadowlands Racetrack Rennen liefen. Mein Vater restaurierte sogar die alte Pferdekutsche, die ein früherer Besitzer zurückgelassen hatte.

      Es beunruhigte mich, dass wir so plötzlich und ohne Papa zur Farm aufbrachen. Eigentlich wollten wir erst ein paar Tage später fahren. Die Farm war ein Ort, an dem meine Familie stets viel Spaß hatte. Es gab dort immer etwas zu tun. Sie lag etwa eine Stunde und fünfundvierzig Minuten von Staten Island entfernt im historischen Cream Ridge. Verglichen mit Staten Island war die Gegend sehr ländlich. Es gab mit Bäumen bestandene Hügel, schmale zweispurige Straßen und viele große Pferdehöfe. Allein für die nicht asphaltierte Ruckelpiste, die zu unserem Haus führte, brauchte man mit dem Auto fünf Minuten.

      Das Haupthaus war riesig und bot atemberaubende Blicke über unsere zehn Hektar Grasland. Als wir es kauften, war die Fassade weiß; mittlerweile war sie grau. Es war umgeben von einer schönen, steinernen Veranda mit einem großen Tisch und vielen Gartenstühlen. Ich fand das Haus klasse. Mein Zimmer war oben, mit Blick auf die Rennbahn, was mir sehr gut gefiel. Ich ritt gerne und verbrachte viele Stunden mit meinem wunderschönen weißen Pony Snowflake. Auf Staten Island ritt ich mit einem englischen Sattel, auf der Farm hingegen im Westernstil.

      Wir verbrachten den Großteil des Sommers in Cream Ridge. Mama werkelte gerne im Garten herum, und mein Bruder Gerard fuhr mit dem Fahrrad querfeldein über das riesige Anwesen. Während

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