Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern. Karen Gravano
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Als wir das Thema Eier hinter uns gebracht hatten, kam Papa an den Frühstückstisch und benahm sich wie immer. Ich schaute ihn an und wusste nicht recht, was ich denken sollte. Am Abend zuvor hatte irgendetwas nicht gestimmt, aber er ließ es so aussehen, als wäre alles in Ordnung. Ich hatte zu große Angst, um Fragen zu stellen. Meine Mama wirkte ein wenig zerstreut. Als wir nach Staten Island aufbrachen, sagte sie zu meinem Vater, »ich liebe dich«, dann umarmte sie ihn, wie sie es sonst nicht tat. Da er jedoch völlig ruhig war, wurde ich nicht so nervös, wie ich es ansonsten vielleicht geworden wäre. Wir gingen zur Scheune, um mein Pferd zu füttern und uns zu verabschieden. Papa saß immer noch in der Küche. Ich gab ihm zum Abschied einen Kuss. »Wir sehen uns bald wieder«, sagte er. Mama hatte eine große, weiße Espressokanne aufgesetzt, und Papas Freunde saßen hinten auf der Veranda und tranken Kaffee.
Als wir zurück auf Staten Island waren, spielten gerade ein paar unserer Freunde draußen. Gerard und ich hüpften aus dem Wagen und rannten zu ihnen. Die beunruhigende Situation auf der Farm hatten wir vergessen. Ich war so aufgeregt, meine Freunde zu sehen. Es war, als wäre nichts geschehen. Papa kam ein paar Tage später aus Cream Ridge zurück. Ich war überglücklich, ihn zu sehen, und umarmte ihn extra lange. Ich blickte zu ihm auf, als könnte uns nichts geschehen, solange er uns beschützte. Er schien wieder ganz er selbst zu sein, nannte Gerard und mich sogar »Kiddies«. Nach dem Abendessen sagte er, ich solle ihm den Kopf massieren. Wenn ich länger aufbleiben wollte, spielten wir gern Kopf-, Gesichts- und Schultermassieren. Normalerweise tat er so, als müsste er mich dazu bestechen, mich bezahlen. Diesmal jedoch willigte ich sofort ein, weil ich mich so freute, ihn wieder zu sehen. Ich war einfach nur erleichtert.
An Frank Fiala dachte ich nicht mehr. Ich war zu jung, um zu begreifen, dass Mord zur Arbeitsplatzbeschreibung meines Vaters gehörte. Ich wusste nicht einmal, dass der Mord an Fiala gegen die Gesetze der Mafia verstieß, weil er nicht vom Boss, Paul Castellano, genehmigt worden war. Bevor man in dieser Welt einen Mord beging, musste man zuerst beim Capo der Familie anfragen. Ein nicht sanktionierter Mord kostete einen in der Regel das Leben. Papa saß tief in der Scheiße, aber ich wusste es nicht. Ich hatte noch sehr viel zu lernen.
Mein Vater war schon ein Gangster, bevor ich geboren wurde. Meine Eltern lebten in Bensonhurst, als ich am 8. Mai 1972 im Kreißsaal des St. John’s Catholic Hospital an der Fourth Avenue in Brooklyn das Licht der Welt erblickte. Meine Eltern, Debra Scibetta und Salvatore »Sammy« Gravano, hätten nicht stolzer sein können. Meine Mutter war achtzehn und mein Vater sechsundzwanzig. Sie waren noch »frisch vermählt« und erst seit etwas über einem Jahr verheiratet.
Diane, die Zwillingsschwester meiner Mutter, hatte die beiden einander vorgestellt. Sie kannte meinen Vater aus der Nachbarschaft. In Bensonhurst, dem Little Italy von Brooklyn, kannte jeder jeden. Endlose Blöcke identischer zweistöckiger Einfamilienhäuser mit kleinen eingezäunten Höfen und Parkplätzen auf der Straße reihten sich aneinander. In den Pizzerias und Bäckereien entlang der 18th Avenue sprachen alle Italienisch und kannten die Namen sämtlicher Babys in den Kinderwagen. Die Sonntage gehörten der Kirche, ausgedehnten Mahlzeiten und der Familie.
Meine Tante Diane war kontaktfreudiger als meine Mutter und mit mehr Leuten im Viertel bekannt. Meine Mutter war eher reserviert und sehr schüchtern und ging nicht besonders oft aus. Sie war eine hübsche Brünette, hatte eine tolle Figur und strahlte eine gewisse Unschuld aus. Mein Vater verliebte sich Hals über Kopf in sie. Kleider und Mode interessierten sie nicht, doch sie sah auf bescheidene Weise immer sehr nett aus. Was ihm am besten an ihr gefiel, war aber, dass sie nicht wie die Mädchen war, die seinen Nachtclub in Fort Hamilton besuchten, dickes Make-up trugen und sich wie Schlampen benahmen. Mein Vater fühlte sich sofort zu meiner Mutter hingezogen. Er sagte, er wisse, dass sie die Richtige für ihn sei. Er konnte sofort sehen, dass sie eine hingebungsvolle Ehefrau und Mutter werden würde. Sie gingen nicht einmal ein Jahr miteinander, dann heirateten sie.
Als mein Vater meine Großeltern, Sandra und John Scibetta, um die Hand ihrer Tochter anhielt, waren sie zunächst nicht gerade begeistert. Sammy hatte einen Ruf als Schläger. Er war ein paar Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten und in zahlreiche Prügeleien verwickelt gewesen. Die Eltern meiner Mutter kannten die Eltern, Tanten und Onkel meines Vaters, und wussten, dass sie gute Leute waren. Sammy war damals jedoch ein Mitglied der Rampers, einer bekannten Straßenbande aus Brooklyn. Die Rampers begingen bewaffnete Raubüberfälle, Einbrüche, Autodiebstähle und Erpressungen. Kleine Ganoven, die eine lebenslange Verbrecherlaufbahn ansteuerten.
Sie hatten mit »Kofferraumknacken« angefangen. Dazu brachen sie den Leuten den Kofferraum ihres Autos auf und klauten den Ersatzreifen. Was die künftigen Schwiegereltern meines Vaters nicht wussten, war, dass er seit Kurzem ein »Mitarbeiter« der Mafiafamilie Colombo war, an deren Spitze Joseph Colombo stand.
Sammy hatte sich ihrer Tochter gegenüber jedoch stets respektvoll und charmant verhalten, also willigten sie zähneknirschend ein. Sie verlangten allerdings, dass die beiden Debras achtzehnten Geburtstag abwarteten. Sie glaubten ohnedies nicht, dass Sammy in der Lage wäre, ihre Tochter in absehbarer Zeit zu ehelichen, da die bewirtschafteten Säle für die Feier ein Jahr im Voraus reserviert werden mussten. Sie waren sicher, dass die Romanze bis dahin abgekühlt wäre.
Sammy hatte jedoch gute Kontakte zum Colonial Mansion, einem schicken Gastronomiebetrieb an der Ecke Bath Avenue und 22. Straße mit Marmorfußböden und Kristallleuchtern. Es gelang ihm, den Saal mit weniger als einem Monat Vorlauf zu buchen. Die Hochzeit fand am Freitag, den 16. April 1971 statt, einen Monat vor Debbies achtzehntem Geburtstag. Über dreihundert Gäste kamen, die meisten davon aus der Nachbarschaft sowie ein paar Mafiosi, um der Vermählung beizuwohnen und anschließend im Colonial Mansion zu feiern.
Alle hofften, dass Sammy, wenn er erst einmal Frau und Kinder hätte, seine kriminellen Machenschaften aufgeben würde. Damit lagen sie nicht einmal so falsch, denn nach meiner Geburt zog unsere Familie von Brooklyn in das Haus meiner Großeltern väterlicherseits in Ronkonkoma, einem Ort auf Long Island, etwa eine Stunde östlich von Bensonhurst gelegen. Als Kind hatte mein Vater die Sommerferien in dem winzigen Haus verbracht, das schließlich zum dauerhaften Wohnsitz meiner Großeltern geworden war. Als meine Familie dort einzog, bauten meine Großeltern mit Freuden den Dachstuhl zu einer Wohnung für uns aus. Mein Vater war fest entschlossen, sauber zu bleiben und eine ehrliche Arbeit zu finden. Sein endgültiges Aha-Erlebnis kam später, in einem Augenblick der Verzweiflung, als er und meine Mutter mein Sparschwein aufbrechen mussten, um genug Lebensmittel fürs Abendessen kaufen zu können.
Sein Schwager Eddie Garafola, der Ehemann seiner Schwester Fran, bot ihm Arbeit an. Eddie war Teilhaber eines kleinen Bauunternehmens in Ronkonkoma, das sich auf Klempnerarbeiten spezialisiert hatte, und hatte eine Menge für ihn zu tun. Mein Vater begann, bis spätabends zu arbeiten, verdiente aber trotzdem weniger als hundert Dollar die Woche. Als er Eddie um eine Gehaltserhöhung bat, teilten ihm mein Onkel und dessen Partner mit, zehn Cent pro Stunde mehr sei alles, was sie erübrigen könnten. Verärgert trat Sammy eine Stelle bei einer anderen Baufirma an, die von einem Freund des Onkels meiner Mutter geleitet wurde. Dort fing er mit einhundertfünfundsiebzig Dollar wöchentlich an, aber schon nach zehn Monaten verdiente er zweihundertundfünfzig. Langsam fasste er neuen Optimismus, dass er seine Familie mit einer ehrlichen Arbeit im Baugewerbe ernähren könnte.
Die Familie lebte noch kein Jahr auf Long Island,