Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern. Karen Gravano

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Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern - Karen Gravano

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der Straße gegenüber vom Gesellschaftsverein. Als er es sich wieder holen wollte, nahm er es mit den beiden Jungs auf, die die Herausgabe verweigerten. Er schlug sich tapfer, was ihm von einigen Mafiosi, die das Ganze beobachteten, den Namen »Little Bull« – kleiner Stier einbrachte.

      Als mein Vater dreizehn war, bekam er einen Eindruck von der Macht der Mafia. Eines Tages war er in der Kleiderfabrik und half meinem Großvater bei der Lohnabrechnung, als zwei irisch aussehende Schlägertypen das Büro betraten. Sie behaupteten, sie kämen von der Gewerkschaft und bedrohten meinen Großvater. Sie sagten, er müsse entweder Schmiergeld zahlen oder den Laden gewerkschaftlich organisieren, ansonsten werde man ihm die Beine brechen. Mein Vater war entsetzt, wie respektlos sie mit ihm umsprangen. Sein Vater aber sagte, alles sei in Ordnung, Zuvito werde sich darum kümmern.

      Sammy wusste, dass Zuvito ein alter, gebrechlicher Mann aus der Nachbarschaft war. Er konnte gegen zwei wütende irische Bullenbeißer gewiss nichts ausrichten. Seine Kumpel von den Rampers gaben ihm eine Pistole und rieten ihm, die beiden Typen umzupusten. Am Montagmorgen kamen die beiden Männer wie angekündigt in die Kleiderfabrik. Diesmal jedoch waren sie äußerst freundlich und entschuldigten sich sogar. Sie sagten, sie hätten nicht gewusst, dass Zuvito Gerrys compadre sei. Alles war gut, und alle schüttelten sich die Hände.

      Sammy war verblüfft. Sein Vater sagte ihm abermals, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Zuvito sei ein mächtiger Mann, ein schlechter Kerl, aber »unser schlechter Kerl«.

      Als Sammy seinem Vater die Pistole zeigte, geriet Gerry in Wut. Zornig blickte er seinen Sohn an, nahm die Waffe an sich und sagte, die Gravanos seien ehrliche, gesetzestreue Leute. Er sagte, wenn sie Probleme hätten, dann gingen sie zu Leuten wie Zuvito und bäten um Hilfe. Mein Großvater schlug ihn zwar nicht, aber mein Vater sagte, es habe nicht mehr viel gefehlt.

      Schließlich erfuhr Sammy die Wahrheit: Zuvito und die anderen Typen, die vor den Gesellschaftsvereinen herumlungerten, waren Gangster. Er beschloss, ebenfalls diesen Lebensstil zu wählen. Die Kämpfe auf dem Spielplatz eskalierten. Schulisch war er ein Totalversager. Als er sechzehn war, mussten ihn seine Eltern von der Schule nehmen. Seine formale Bildung war damit beendet.

      Mein Vater zog ohnehin das Leben mit den Rampers vor. Das Leben in einer Straßenbande war aufregend und brachte den wagemutigen Mitgliedern eine Menge Geld ein. Viele Rampers träumten davon, sich der Mafia anzuschließen. Mein Vater war ein »Gutverdiener«, was bedeutete, dass er das Zeug zum Gangster hatte. Er war loyal, machte einen Haufen Geld, war eine Führernatur und konnte anderen, wenn nötig, eine Abreibung verpassen.

      Bald schon fiel er Joe Colombo auf, dem Haupt der Familie Colombo. Colombo erinnerte sich daran, dass mein Vater ein paar Jahre zuvor seine beiden Söhne in einem Kino zusammengeschlagen hatte. Colombo hegte deshalb keinen Groll gegen ihn. Im Gegenteil: Es gefiel ihm, dass er von ihnen abgelassen und sie nicht krankenhausreif geschlagen hatte. Colombo machte Sammy und seinen Rampers-Kumpel Tommy Spero zu »Mitarbeitern« seiner Organisation. Als Mitarbeiter unterstanden beide den »gemachten« Mitgliedern der Mafia. Um »gemacht« zu werden, musste ein Mitarbeiter von einem »gemachten« Mann vorgeschlagen werden. Damals waren die »Bücher« der Mafiafamilien seit über elf Jahren geschlossen. Die beiden jungen Männer hofften, aufgenommen zu werden, wenn man sie wieder aufschlug.

      Mein Vater wurde der Bande von Thomas »Shorty« Spero, Tommys Onkel, zugeteilt. Sein erster Job war ein Raub in einem Bekleidungsgeschäft, seine zweite Aufgabe bereits eine Bank. Nach diesen beiden Überfällen wurde er festgenommen, entging jedoch einer Verurteilung, weil die Augenzeugen ihre Aussagen widerriefen.

      Als mein Vater bereits seit zwei Jahren Mitarbeiter der Familie Colombo war, verlangte man zum ersten Mal von ihm, jemanden umzubringen. Mit fünfundzwanzig Jahren schoss er seinem ersten Opfer Joe Colucci zwei Mal in den Hinterkopf, während im Hintergrund ein Stück von den Beatles lief. Es hieß, Colucci, ebenfalls ein Mitarbeiter der Familie, wolle Sammy töten, also erhielt Sammy vom Colombo-Capo Carmine Persico die Erlaubnis, ihm zuvorzukommen. Um vier Uhr morgens, nachdem sie die ganze Nacht lang durch die Clubs gezogen waren, stiegen Joe, Sammy, Tommy Spero und ein Typ namens Frankie in ein Auto. Sammy saß hinten, und Joe saß vor ihm auf dem Beifahrersitz. Mit hoher Geschwindigkeit rasten sie den Belt Parkway in Brooklyn hinab, und Sammy feuerte aus dem fahrenden Wagen zwei Kugeln in Joes Kopf. Dann wies er den Fahrer an, in einem Wohngebiet zu halten, wo er Joe mit dem Gesicht nach unten auf die Straße warf. Er feuerte weitere drei Schüsse auf die Leiche ab, um ganz sicher zu gehen, dass Joe auch wirklich tot war.

      Anschließend wurde Sammy viel mehr respektiert. In gewissen Kreisen hatte er nun einen Ruf und ein Prestige. Er musste nicht länger Schlange stehen, um in Clubs oder Discos zu gelangen, und die Bosse mochten ihn. Er war auf dem besten Wege, ein Mafioso zu werden.

      Sammy blieb nicht lange bei der Familie Colombo. Ralph und Shorty Spero waren ein bisschen eifersüchtig über die Aufmerksamkeit, die er genoss, und sorgten sich, er könnte noch vor Shortys Neffen, dem jungen Tommy, »gemacht« werden. Mit dem Segen aller wurde mein Vater der Familie Gambino anempfohlen, wo Onkel Toddo sein Mentor wurde. Kurz darauf wurde er ein »gemachter« Mann, jemand mit voller Mitgliedschaft in der Bruderschaft der Cosa Nostra.

      Bei einer geheimen Aufnahmezeremonie im Wohnhauskeller eines der Bosse schwor er der Gambino-Organisation seine Loyalität. Einer der Männer fragte ihn, welchen Finger er gebrauche, um den Abzug einer Pistole zu bedienen. Als er seinen Zeigefinger hob, stach ihn der Mann hinein und schmierte etwas Blut auf ein Heiligenbild. Sammy hielt das Bildnis auf den Handflächen, und es wurde entzündet. Er vernahm die Warnung, dass er wie dieses Heiligenbild in der Hölle brennen werde, wenn er jemals seinen Schwur breche. Außerdem schwor er, die Omertà zu wahren, den Kodex des Stillschweigens. Als die Zeremonie vorüber war, genoss er sämtliche Privilegien und den Schutz eines »gemachten« Mannes. Er hatte aber auch die Pflicht, für die Bruderschaft zu töten. Er beschrieb die Aufnahme als einen der stolzesten Momente seines Lebens, wenngleich die Verbrennung des Heiligenbildes schmerzhafte weiße Brandblasen auf seinen Handflächen zurückließ.

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      Gerard und ich waren die anderen Errungenschaften, auf die Papa stolz war. Ich erinnere mich noch daran, wie Gerard geboren wurde. Ich war drei Jahre alt und völlig aus dem Häuschen darüber, dass er ein Junge war. Ich hatte mir eine Schwester gewünscht, eine kleine Puppe, die ich hübsch anziehen könnte. Von dem Augenblick an, als er aus dem Krankenhaus kam, war ich eifersüchtig auf ihn. Ich war das erste und einzige Kind gewesen, und nicht nur das: Ich war auch das erste Enkelkind mütterlicherseits. Nun widmete man Gerard die meiste Aufmerksamkeit. Vom Augenblick seiner Geburt an war er der Augapfel meiner Mutter. Gerard war ihr kleiner Mann. Das war eigentlich nur fair, denn vom Augenblick meiner Geburt an war ich der Augapfel meines Vaters gewesen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich unserem Vater sehr ähnlich bin, während Gerard mehr nach unserer Mutter schlägt. Mama und Gerard sind beide stille, harmoniebedürftige und freundliche Menschen. Papa und ich wiederum sind hitzköpfig, stur, loyal und leidenschaftlich.

      Das erste Mal, dass ich einen kleinen Einblick in Papas nicht ganz so normales Leben bekam, war zu der Zeit von Gerards Geburt. Ich war im Kindergarten, und die Kinder unserer Gruppe sollten an der Haustüre Süßigkeiten verkaufen, um das Geld für einen Ausflug zusammenzubringen. Den besten Verkäufern winkten attraktive Preise. Ich hatte mein Auge auf eine Popcornmaschine geworfen. Die Maschine war einer der größeren Preise, also wusste ich, was ich zu tun hatte. Sobald die Erzieherin die Pakete mit Süßigkeiten verteilt hatte, wollte ich mich an die Arbeit machen und den Nachbarn etwas verkaufen, bevor mir jemand anderes aus der Gruppe zuvorkam. Unglücklicherweise spielte das Wetter nicht mit. Nach dem Kindergarten regnete es zu stark, um nach draußen zu gehen.

      Mein Vater sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Er werde so viel Süßigkeiten kaufen, dass ich meine Popcornmaschine bekäme. Ich fand jedoch,

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