Black or White. Hanspeter Künzler

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Black or White - Hanspeter Künzler

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noch stärker hervorgehoben. Im Oktober 1960 feierte Motown Records mit „Shop Around“ von Smokey Robinson & The Miracles den ersten Crossover-Pop-Hit. Es ist typisch für Gordy’s instinktive Sorgfalt im Umgang mit Details, dass die zuerst in Detroit veröffentlichte Lokalversion 3’04 dauerte, die nationale Popversion hingegen nur 2’50. Auch das ein Motown-Credo: Die Singles mussten zu kurz sein, damit sie jeder gleich nochmal hören wollte. Innerhalb kürzester Zeit hatte Gordy zehn Künstler um sich geschart, welche ohne weiteres imstande waren, die Pop-Top-10 zu knacken: The Temptations, The Miracles, The Four Tops, Marvin Gaye, Junior Walker, Stevie Wonder, Mary Wells, The Marvelettes, Martha and the Vandellas (Martha Reeves hatte als Sekretärin im Büro von Hitsville USA gearbeitet) und The Supremes. In den Popcharts von 1964 gehörte Motown zu den drei erfolgreichsten Plattenfirmen. In der Tat war der Motown-Sound nun dermaßen omnipräsent, dass die Fachzeitschrift Billboard die separaten R&B-Charts eine Zeitlang einstellte. Während der ersten zehn Schaffensjahre gelangen Motown Records nicht weniger als 79 Top-10 Crossover-Pop-Hits. Weil Gordy zudem nicht nur ständig neue Stimmen suchte, sondern auch junge Songschreiber, die er heranziehen konnte, blieb der Nachschub an Songs frisch. Der Ruf von Motown garantierte, dass jedes lokale Jungtalent zuerst hier anklopfte. Vor Motown hatte es kaum ein schwarzer Künstler über das Chitlin’ Circuit hinaus geschafft, jetzt füllten sie die gleichen Hallen wie alle anderen Top-Stars. Motown profitierte vom Erfolg der Beatles. Mit ihrer so stark vom Rhythm & Blues beeinflussten Musik weckten die Beatles bei ihren Altersgenossen das Interesse an diesem Musikstil, zumal die ersten Beatles-Singles in den USA auf dem unabhängigen R&B-Label Vee-Jay erschienen waren und John Lennon Smokey Robinson als Lieblingssänger nannte. Dank der Gehhilfe der Beatles fanden weiße amerikanische Popfans den Zugang zum Pop von Motown leichter (raubeinige Gruppen wie die Rolling Stones, die Yardbirds und Them verhalfen Ike & Tina Turner, John Lee Hooker und Howlin’ Wolf zu einem neuen Publikum). „Mir gefällt es nicht, wenn man unsere Musik „schwarze Musik“ nennt“, sagte Berry Gordy Jr., „Ich ziehe es vor, sie als Musik mit schwarzen Stars zu bezeichnen.“ Er war überzeugt, dass 70% aller Motown-Platten von weißen Musikfans gekauft wurden. Das war für ihn ein Zeichen des Erfolges. „Was Motown einmalig machte in der Geschichte der Popmusik, war die Kombination von Blackness und Erfolg“, schreibt der Musiksoziologe Simon Frith. Das machte Berry Gordy Jr. zu einer der ganz großen, inspirierenden Figuren im kulturellen Aufbruchsklima der Sixties. Es war eine klassische amerikanische Erfolgsstory – vom Fließband in der Autofabrik zum Multimillionär und Frauenhelden –, die zeigte, dass die Erfüllung des „American Dream“ auch für Schwarze eintreten konnte.

      Den Herbst 1968 verbrachte die Jackson 5 im Motown-Studio in Detroit. An der Seite ihres Entdeckers Bobby Taylor, der als Produzent agierte, nahmen sie die ersten Songs unter dem Banner von Motown auf. Während einer sensationellen Woche im Dezember belegten nicht weniger als fünf Motown-Singles einen Platz in den amerikanischen Pop-Top 10: An der Spitze stand Marvin Gaye mit seiner Version von „I Heard It Through The Grapevine“. Es folgten auf Platz 2 Stevie Wonder mit „For Once in My Life“, auf Platz 3 Diana Ross & The Supremes mit „Love Child“, auf Platz 7 Diana Ross & The Supremes and the Temptations mit „I’m Gonna Make You Love“, und auf Platz 10 The Temptations mit „Cloud Nine“.

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      Sidney und Harold Noveck waren die pedantischsten Buchhalter weit und breit. Berry Gordy Jr. war mit ihnen vollkommen einig: Es war wichtig, dass für den Fall eines Disputes oder eines Problems mit den Steuerbehörden jede Ausgabe, jede Einnahme und jeder Spesenabzug haargenau belegt war und erklärt werden konnte. Tatsächlich bekam Motown in der Folge und im krassen Gegensatz zu vielen Konkurrenzfirmen nie Probleme mit dem Fiskus. Die Bücher hielten jeder noch so genauen Untersuchung stand. Wenn dann und wann ein Künstler glaubte, ihn wegen unbezahlter Tantiemen vor Gericht zerren zu können, erlebte dieser zumeist sein blaues Wunder. Martha Reeves zum Beispiel: 1969 verlangte sie Einblick in die Bücher der Plattenfirma und glaubte, sie sei von dieser um einen beträchtlichen Tantiemenbetrag geprellt worden.

      Motown reichte Gegenklage ein, und es stellte sich heraus, dass Reeves keineswegs etwas guthatte, sondern dass sie im Gegenteil Motown $ 200 000 schuldete. Gordy hatte durchaus seine Methoden, wie er geschäftliche Vorgänge zu seinem Vorteil drehte. In dieses Kapitel gehört die bereits erwähnte Tatsache, dass der Name von Smokey Robinson als Ko-Komponist einfach vergessen wurde, als es darum ging, die Etiketten für dessen erste Single „Got a Job“ in den Druck zu geben (sowieso, hätte der Song jemals den Weg auf eine Platte gefunden ohne Berry Gordy?, fragte dieser mit Unschuldsmiene. Eben!). Dazu gehörte es auch, dass er nach dem ersten kleinen Erfolg Motowns und des damit verbundenen Musikverlags Jobete seine gerade hochschwangere Lebenspartnerin Raynoma als Fifty-fifty-Partnerin aus dem Handelsregister streichen ließ (es sehe sonst allzu sehr wie eine amateurhafte Mama-und-Papa-Organisation aus, argumentierte er). Raynoma revanchierte sich später übrigens, als sie den New Yorker Ableger von Jobete/Motown führte, indem sie insgeheim erhebliche Mengen von Motown-Produkten in den Schwarzmarkt umleitete. Als die Sache aufflog, ließ Gordy sie im Gefängnis schmoren, dann stellte er sie vor die Wahl: entweder werde er Anklage erheben, oder sie willige ein, alle ihre Interessen an der Firma bedingungslos aufzugeben. Die Episode führte dazu, dass sich Gerüchte, wonach Motown Verbindungen zur Mafia pflege, hartnäckig hielten.

      Ein anderer Trick von Berry Gordy Jr. bestand darin, dass Künstler angehalten wurden, den Vertrag, der ihnen im Motown-Büro zur Unterschrift vorgelegt wurde, nicht zur genaueren Prüfung mit nach Hause zu nehmen, geschweige denn ihn einem eigenen Rechtsanwalt vorzulegen. Wenn man Motown nicht vertraue, könne man genauso gut anderswohin gehen. Der Vertrag, den Joseph Jackson im Namen seiner Boys unterschrieb, ohne ihn offenbar genauer durchgelesen zu haben (er hätte allein schon merken müssen, dass ihm darin Schlagzeuger Johnny Porter Jackson als Sohn untergejubelt wurde) war ein Standard-Vertrag im Motown-Stil. Das heißt, er war nicht gerade zu Gunsten der Künstler abgefasst.

      Gemäß Vertrag betrugen die Tantiemen, welche die Jackson 5 für jede verkaufte Platte – Single oder LP – bekamen, 6% von 90% des Großhandelspreises (abzüglich Steuern und Verpackung). Wenn der Betrag auf die fünf Bandmitglieder verteilt wurde, blieben pro Nase und verkauftem Album noch zwei Cent. Gemäß Vertrag wurden die Kosten für Aufnahmesessions, inklusive Studiomusiker und Arrangeure, von Motown getragen – aber nur fürs Erste: Später wurden sie von den Tantiemen für die verkauften Platten abgezogen. Die Entscheidung, welche Songs die Jackson 5 einzuspielen hatten, lag ganz bei der Plattenfirma – und sie entschied auch darüber, ob die Resultate tatsächlich veröffentlicht wurden. Das bedeutete, dass der Künstler letztlich für alle Aufnahmen und Studiosessions aufkommen musste, auch die, die zu keiner Plattenveröffentlichung geführt hatten (das Geld floss in die Tasche von Motown, denn das Studio und alles Drumherum gehörte ja auch zum Betrieb). Der Vertrag hielt weiter fest, dass die Jacksons alle Rechte an den Namen Jackson 5 und Jackson Five an Motown abtraten. Motown hatte das Recht, jedes Mitglied der Jackson 5 nach Belieben auszuwechseln. Sollte einer der Boys die Gruppe verlassen (oder von Motown hinausgeworfen werden), durfte er den Namen seiner Ex-Gruppe in keinem zukünftigen PR-Text erwähnen. Selbst der scheinbare Erfolg Josephs, Gordy dazu zu überreden, die Vertragsdauer von sieben auf ein Jahr zu reduzieren, entpuppte sich als Pyrrhus-Sieg. Anderswo im Vertrag stand nämlich auch, dass die Band nach dem Ende ihres Motown-Vertrages fünf Jahre absitzen musste, ehe sie Platten unter einem anderen Label veröffentlichen durfte. Aber die Jacksons waren in der gleichen Lage wie tausend andere junge Bands vor ihnen und nach ihnen: In ihrer Begeisterung, der Erfüllung ihrer Träume durch die Unterschrift auf einem Plattenvertrag einen Schritt näher kommen zu können, wären sie nie auf die Idee gekommen, ihr Glück mit kritischen Fragen zu gefährden.

      Auch wenn die Jacksons die wahre Tragweite ihres Motown-Vertrages noch längere Zeit nicht zu spüren bekommen würden, waren die ersten Monate in der Obhut der Firma nicht nur aufregend, sondern auch frustrierend. Zum einen verzögerte sich das Inkrafttreten des Vertrages um Monate, weil es sich herausstellte, dass Joseph „vergessen“ hatte, dass seine Sprösslinge eigentlich schon bei Steeltown Records unter Vertrag standen. Zum anderen verbrachte

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