Black or White. Hanspeter Künzler

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Black or White - Hanspeter Künzler

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im Doo-Wop wandelten die „Temps“ ihren Stil immer wieder, um mit der Zeit zu gehen. Der Erfolg gründete einerseits in den Liedern, die der junge Smokey Robinson im Büro von Motown für sie schrieb, andererseits im Kontrast zwischen dem fragilen Tenor von Eddie Kendricks und dem virilen Bariton von David Ruffin. Die Gesangsgruppe The O’Jays stammten aus Canton, Ohio, kam ebenfalls von Gospel und Doo-Wop her und war bekannt für ihre herzensbrecherischen Bühnenauftritte. Ihr Erfolg beschränkte sich auf die R&B-Charts (damals das musikalische Ghetto für jegliche schwarze Musik), ehe sie viel später, 1972, mit „Back Stabbers“ zum Pop-Erfolg fanden. Sam David Moore kam aus Miami, David Prater aus Ocilla, Georgia. Beide lernten ihr Gesangsmetier in der Kirche und waren beim trendsettenden Label Stax Records in Memphis unter Vertrag, wo Isaac Hayes zum Stab der Songschreiber gehörte. Zusammen mit David Porter schrieb ihnen dieser das (lebens-) stildefinierende „Soul Man“ auf den Leib, mit dem sie 1967 die Top 3 der R&B- und der Pop-Charts erreichten. Am meisten habe er von Jackie Wilson gelernt, sagt Michael Jackson. Wilson – wie Joe Jackson ein Ex-Boxer – fiel durch seinen dramatischen und emotionsschwangeren Gesang- und Show-Stil auf. Sein Gesangsstil war vom Rhythm & Blues geprägt und von Little Richard, aber auch von Frank Sinatra und Sammy Davis Junior. Er trug schichtweise Make-up auf und perfektionierte die Kunst, sich mitten im Song auf ein Knie sinken zu lassen, um durch diese Geste der „Aufrichtigkeit“ seiner Worte erst recht Nachdruck zu verleihen. Während seine Platten zwischen abgeschmackt und sublim pendelten, konnte er live den plumpsten Gimmick-Song zum Erlebnis erheben. James Brown persönlich brachte Michael Jackson eines Abends in der Garderobe bei, wie man ein Mikrofon loslassen und wieder auffangen konnte, ehe es auf den Boden krachte. James Brown hatte diverse Spitznamen: „The Hardest Working Man in Show-Business“, „The Minister of the New New Super Heavy Funk“ – und natürlich „The Godfather of Soul“. Geboren 1928 in Barnwell, South Carolina, war er älter als viele andere Soul-Stars der Sixties. Dank der Bemühungen des Bandleaders Bobby Byrd (der Brown über Jahrzehnte hinweg zur Seite stehen sollte) wurde er in den mittleren 40er Jahren aus der Reformschule entlassen, wo er wegen Diebstahls gelandet war. Er trat den Gospel Starlighters bei, die sich zur R&B-Combo The Flames wandelten und dann und wann die vorderen Positionen in den R&B-Charts erreichten. Erst 1960 war die Band aber richtig etabliert, 1962 kam das wichtige Album „Live at the Apollo“, das Brown selber finanzieren musste, weil niemand daran glaubte, dass sich ein Live-Album verkaufen lassen würde. Jetzt warf Brown die letzten Fesseln ab, die ihn mit der konventionellen schwarzen Pop-Musik verbanden. Seine Rhythmen wurden vertrackter, sein Gesang noch emotionsgeladener, die mit militärischer Präzision einstudierten Bläsersätze verbreiteten nichtsdestotrotz ein Gefühl von cooler, jazziger Anarchie. Im Juni 1965 veröffentlichte er die bahnbrechende Single „Papa’s Got A Brand New Bag“ (auf der B-Seite fand sich schlicht die Fortsetzung der A-Seite!), die gemeinhin als die Geburtsstunde des Funk gilt.

      Die Tatsache, dass Michael den wahren Sinn der Texte, die er sang, nicht verstand – und dies auch wahrnahm –, beeinflusste seine Karriere nachhaltig. Weil er sich bei seiner Lied-Interpretation nicht an die ihm rätselhaften Worte halten konnte, klammerte er sich umso stärker an die Ausdrucksmöglichkeiten von Tanz und Bühnenpräsentation. Deswegen war für ihn das Vorbild von James Brown besonders wichtig. Dessen klingenscharfe Tanzeinlagen waren kaum weniger atemberaubend und flexibel als sein Gesang. „Bis dahin hatte es sehr wohl Sänger gegeben, die auch tanzen konnten, und Tänzer, die auch sangen“, schreibt Michael. „Aber wenn man nicht Fred Astaire oder Gene Kelly war, konnte man das eine besser als das andere, besonders bei einem Live-Auftritt. Mit James Brown änderte sich das. Wenn er über die Bühne schlitterte, kam ihm kein Spotlight nach. Die ganze Bühne musste mit Scheinwerferlicht getränkt werden, damit man nichts verpasste. So gut wollte auch ich sein.“ Damit machte der kleine Jackson aus der Not – er verstand die Worte nicht, die er sang – ein Credo. Was zählte, war nicht der eigentliche Inhalt der Worte, die es zu singen galt, sondern die Wirkung dieser Worte sozusagen als klangliches Tanzelement im Rahmen der Gesamtshow. Künstler wie Bruce Springsteen und U2, so heißt es in „Moonwalk“ weiter, hätten ihr Metier „wohl auf der Straße“ gelernt (sprich: es gehe solchen Künstlern darum, die Gefühle des Alltages zu reflektieren). Der Ton der Passage deutet an, dass Jackson eine solche Perspektive nicht nur fremd war, sondern geradezu unverständlich. Er, Michael Jackson, sei im Herzen ein Performer – er habe seine Bildung am Bühnenrand genossen. Darin bestand für ihn die wahre Lehre der Bühnenkunst. Oft spricht er von seiner Idealvorstellung einer Show. In seinen Augen soll eine Show den Zuschauer so unwiderstehlich mit sich reißen, dass dieser in eine magische Überwelt transportiert wird, wo alle Sorgen von ihm abfallen, um ihn in eine Zustand unverbrämter Ekstase zu versetzen. Ein bisschen wie in der post-armageddonhaften Weltordnung der Zeugen Jehovas. Oder in einer Geschichte wie Peter Pan.

      Andere Bands verbreiteten alsbald das Gerücht, beim Sänger der Jackson 5 handle es sich um einen 42-jährigen Zwerg. Als dies zum ersten Mal an sein Ohr drang, brach Michael in Tränen aus. Sein Vater sei vor ihm auf die Knie gefallen, damit ihre Gesichter auf gleicher Höhe gewesen seien, und habe ihm erklärt, es sei dies doch ein großes, indirektes Kompliment! Es bedeute, dass die Leute nicht glauben könnten, ein neunjähriger Junge könne singen und tanzen wie er. Michael erzählt die Anekdote noch heute bei jeder Gelegenheit. Es ist eine der wenigen Erinnerungen, aus denen der Vater als ein Mensch mit Mitgefühl hervorgeht. Im Herbst 1967 brachte Joseph Jackson Demo-Aufnahmen von neuen Songs nach Hause, die ein gewisser Gordon Keith komponiert hatte. Dieser war wie Joseph in den Stahlwerken tätig, hatte sich aber ein kleines Studio eingerichtet und hegte Ambitionen, sich als Produzent und Songschreiber nach dem Vorbild von Berry Gordy zu etablieren. Er machte seine Absichten mit dem Namen deutlich, den er seinem Studio und seinem frisch aus der Taufe gehobenes Plattenlabel gab, „Steeltown“. Keith gab den Jackson 5 eine Woche Zeit, einige seiner Songs einzuüben. Die Resultate gefielen ihm. Daraufhin lud er die Band ein, ein paar Samstage lang in seinem Studio Aufnahmen zu machen. Er heuerte für die Sessions sogar Bläser und Begleitsängerinnen an. Die erste Jackson 5-Single hieß „Big Boy“ und erschien im Januar 1968 auf Steeltown Records. Gordon Keith schaffte es, mit der Plattenfirma Atco einen Vertrag für einen landesweiten Vertrieb abzuschließen. Die Aufnahme tat Michaels Stimme keinen Gefallen, aber ein knackiger Bass-Riff von Jermaine sorgte dafür, dass sich das Stück dennoch zum Lokalhit mauserte. Gordon Keith und seinem Geschäftspartner Ben Brown sei eine Foto-Session mit der Familientruppe in besonders guter Erinnerung geblieben, schreibt J. Randy Taraborrelli in seiner monumentalen Michael Jackson-Biographie. Nachdem sich die Boys den Anweisungen des Fotografen entsprechend hingestellt hätten, habe sich Michael plötzlich schmollend abgewendet. So gebe das höchstens ein Familien-Porträt und ganz bestimmt nicht eine glamouröse Publicity-Aufnahme ab. Joseph hielt seinen selbstbewussten Sohn dazu an, die Gruppe nach seinen eigenen Vorstellungen umzustellen. Dieser platzierte sich selber im Vordergrund, wo er eine lässige James Brown-Pose einnahm – und das war denn auch genau die Aufnahme, die es für einen appetitanregenden PR-Text brauchte. „Er war eine so reife Seele, dass es den Anschein machte, er sei schon in einem früheren Leben ein Superstar gewesen“, sagte Ben Brown, der in späteren Jahren für die Jackson-Familie arbeitete.

      Im Mai 1968 durften The Jackson 5 ein weiteres Mal im Apollo auftreten – diesmal gegen Bezahlung. Etta James trat als Hauptattraktion auf, und wiederum stand Klein Michael hinter der Bühne und verfolgte jede Bewegung mit. Etta James ging das auf die Nerven und sie verscheuchte den Dreikäsehoch mit den großen Augen. Nach der Show klopfte Michael an ihre Tür, um sich zu entschuldigen. James sei vom Charme und dem abgeklärten Selbstbewusstsein des Buben derart angetan gewesen, dass sie ihn zu einer Privatlektion in Sachen Bühnenkunst in ihre Garderobe bat. Die Jackson 5 nahmen noch eine zweite Single für Steeltown Records auf, „We Don’t Have To Be Over 21 (To Fall in Love)“. Ob sie überhaupt zu diesem Zeitpunkt je erschienen ist, bleibt unklar – denn jetzt überstürzten sich die Geschehnisse. Im Juli wurden die Jackson 5 von Bobby Taylor & The Vancouvers eingeladen, im High Chaparral Club in Chicago ihr Vorprogramm zu bestreiten. Die Band war Taylor im Verlauf einer weiteren „Battle of the Groups“ im Regal Theater aufgefallen. Wie Gladys Knight waren auch die gemischtrassigen Kanadier bei Motown unter Vertrag. Taylor war von den Jacksons so beeindruckt, dass er Ralph Seltzer anrief, den Direktor der „kreativen Abteilung“ von Motown, und ihm dringlich empfahl, die Gruppe zu einer Vorspielprobe ins firmeneigene

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