Black or White. Hanspeter Künzler

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Black or White - Hanspeter Künzler

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mit neuen Instrumenten und Mikrofonen heim. Er kümmerte sich nicht um ihre Einwände: „Ich war das Haupt der Familie. Ich hatte das letzte Wort. Ich habe Katherines Meinung in der Sache schlicht übergangen.“ Sein Weitblick – nicht zu reden von seiner Investition – zeigte Früchte. Zum Beispiel hatte er Mikrofone vor seine Söhne hingestellt, lange bevor sie diese wirklich gebraucht hätten. Als sie nun anfingen, sich an Talentwettbewerben zu beteiligen, zeigte sich, dass er ihnen damit zu einem unbezahlbaren Vorteil verholfen hatte. Die wenigsten Konkurrenten waren an den Umgang mit dem Mikrofon gewöhnt. Die Jacksons hingegen wussten nicht nur, wie man es am besten in der Hand hielt, sondern sie konnten es noch showgerecht durch die Luft schwingen. Vater Jackson verfügte zudem über ein für seine Generation ungewöhnlich offenes Ohr. Wenn Smokey Robinson und seine Miracles „Tracks of My Tears“ sangen, lauschte er mit genauso viel Aufmerksamkeit wie seine Söhne. „Obwohl er mit seiner Band den Chicago-Sound von Muddy Waters und Howlin’ Wolf pflegte“, erinnert sich Michael, „erkannte er, dass die beschwingteren, gradlinigeren Sounds, die uns Kids gefielen, durchaus ihren Reiz hatten. Wir hatten Glück, denn es gab Leute in seinem Alter, die nicht so hip waren. Wir kannten einige Musiker, die der Überzeugung waren, der Sixties-Sound sei unter der Würde von Männern in ihrem Alter. Dazu gehörte unser Vater nicht.“ Am Wochenende unternahm Joseph regelmäßig musikalische Entdeckungsreisen in die Clubs von Gary und Chicago. Am Sonntag konnte er es kaum erwarten, dass Michael vom Gottesdienst heimkam, um ihm von seinen neuesten Entdeckungen vorzuschwärmen. „Von der Kirche direkt ins Showbusiness, das war mein Sonntag“, hat Michael lakonisch festgestellt.

      Im Frühjahr 1965 traten die Jackson Brothers erstmals in der Öffentlichkeit auf. Während einer Modenschau für Kinder trugen sie drei Lieder vor, darunter „Doin’ the Jerk“, ein brandneuer Hit von Don Julian & The Larks. Der Organisatorin der Modenschau passte keiner der beiden von Joseph vorgeschlagenen Namen, The Jackson Family und The Jackson Brothers. Sie meinte, diese würden einen falschen Eindruck verbreiten, nämlich den, dass man es mit einer altmodischen Barbershop-Truppe wie den Mills Brothers zu tun habe (eine tatsächlich aus vier Brüdern bestehende Gesangsgruppe, die von den Roaring Twenties an bis in die 80er Jahre hinein höchst erfolgreich swingende Gesänge im Stil des Golden Gate Quartett servierte). Ihrem Rat folgend hießen die Jacksons fortan The Jackson 5. Wenig später gewannen sie mit einer Version des Tempations-Hits „My Girl“, bei der Jermaine und Michael sich beim Singen der Verse ablösten, den stadtweiten Talentwettbewerb an der Roosevelt High School. Nochmal zwei Monate vergingen, ehe man mit dem Robert Parker-Song „Barefootin’“ auch beim jährlichen Talentfestival im Gilroy Open-Air-Stadion von Gary triumphierte. Den Sieg sicherte nicht zuletzt die furiose und natürlich barfüßige Tanzeinlage von Michaels während des Gitarrensolos. Von da an fuhren die Jacksons in ihrem VW-Bus zu so vielen Talentwettbewerben, wie es nur ging. So konnten sie an einem Wochenende gut ein paar hundert Kilometer zurücklegen. Die Shows erforderten totale Konzentration, besonders dann, wenn man in einer fremden Stadt auftrat, wo Lokalbands auf die lautstarke Unterstützung der mitgebrachten Fans zählen konnten. Um eine Siegeschance zu haben, musste man um so viele Klassen besser sein als sie, dass selbst deren Fans nicht abstreiten konnten, dass der Sieg den Eindringlingen von auswärts gehörte. Darum war Joseph Jackson peinlichst darauf bedacht, dass jedes Detail stimmte. Er steckte die Söhne in einheitliche Anzüge, bei denen von der Schuhspitze bis zum zehntelmillimetergenauen Haarschnitt alles bei den Meistern des Faches abgeschaut wurde. Wenn sich einer der Brüder nur einen Moment lang nicht voll konzentrierte, konnte der Fehler den Auftritt ruinieren und Joseph, der für die verschwendete Chance das Geld aus dem Fenster geworfen hatte, zur gewalttätigen Weißglut treiben. Zum Glück kam das selten vor, denn die Boys legten sich mit einer Intensität ins Zeug, dass sie nach zwei Songs genau so ausgebrannt waren wie in späteren Jahren nach einer neunzig Minuten dauernden Show. Die Talentshows waren die Berufslehre der Jackson 5. Joseph habe zwar ein schrecklicher Mensch sein können, sagt Michael, aber er sei auch ein brillanter Manager und Lehrer gewesen. Inzwischen arbeitete dieser nur noch tageweise im Stahlwerk. Die meiste Zeit verbrachte er als Manager der Jackson 5 am Telefon. In dieser Zeit seien die Jacksons als Familie am glücklichsten, sei der Zusammenhalt am stärksten gewesen: „Als es nur uns und unser Talent gab.“ Nahe beisammen, das war auch wörtlich zu verstehen. Katherine und Joseph belegten im Bungalow das Schlafzimmer. Die Boys teilten sich das Kinderzimmer und schliefen in einem dreistöckigen Kajütenbett: Tito und Jermaine zuoberst, Michael und Marlon in der Mitte und Jackie zu unterst. Die drei Mädchen hatten ein Sofabett im Wohnzimmer für sich, Randy bekam dann noch die Couch.

      Im Gegensatz zu vielen anderen Soul- und Funkgruppen führte der Pfad der Jacksons nicht über die Kirche zum Erfolg. Ganz im Gegenteil. Nach den Talentshows war die nächste Stufe auf dem Jacksons’schen Karrieretreppchen ein Engagement bei Mr Lucky’s, einem Nachtclub in Gary. Der Legende nach war die Gruppe dort bald so populär, dass sie jeden Abend fünf Sets spielte, sechs Mal in der Woche. Die Gage betrug 8 Dollar pro Abend, dazu kamen die Münzen und Banknoten, welche die Gäste einer alten Nachtklub-Tradition folgend auf die Bühne warfen. Manchmal waren Michaels Taschen so voll, dass er vor lauter Gewicht fast die Hosen verloren hätte. Bonbons und andere Süßigkeiten standen zuoberst auf seiner Einkaufsliste. Falls es Joseph gelang, für den arbeitsfreien Abend eine weitere Verpflichtung zu finden, wurde diese selbstverständlich auch wahrgenommen. Unterdessen hatte die Jackson 5 mit dem Schlagzeuger Johnny Porter Jackson (ein Nachbarjunge, der mit Michael & Co. nicht verwandt war) und dem Keyboarder Ronny Rancifer zwei ständige neue Mitglieder gewonnen, welche ihren Sound merklich druckvoller und vielseitiger machten. Im Herbst 1966 war Joseph überzeugt, dass seine Truppe reif sei für die ersten Plattenaufnahmen. Er schickte ein Demo-Tape gleich an die allererste Adresse für schwarzen Pop – Motown Records in Detroit, das selbsternannte „Hitsville USA“. Drei Monate später kamen die Aufnahmen zurück. Motown-Gründer Berry Gordy zeigte kein Interesse. Der Rückschlag war nicht allzu schwer verdaulich, konnten sich die Jacksons doch über Arbeit nicht beklagen. Unterdessen fanden sie in mehreren namhaften Nachtclubs in Chicago Anstellung. Außerdem operierten sie im sogenannten Chitlin’ Circuit. „Chitlin’“ ist die Kurzform der bereits erwähnten Chitterlings. Zum „Chitlin’ Circuit“ gehörte eine Reihe von Clubs und Theatern im Osten und im Süden der USA (darunter das berühmte Apollo Theatre in Harlem, New York, The Victory Grill in Austin, Texas, und The Regal Theatre in Chicago), wo schwarze Künstler und auch ein schwarzes Publikum willkommen waren, was noch in den frühen Sixties besonders in den Südstaaten keineswegs eine Selbstverständlichkeit war. Solche Lokale fassten bis zu zweitausend Zuschauer. Die Chitlin’-Circuit-Shows hatten den großen Vorteil, dass an einem Abend jeweils eine ganze Reihe von Künstlern auftrat, darunter manchmal auch ein großer Name. Drei Mal hintereinander gewannen die Jackson 5 den wöchentlichen Talentwettbewerb im Regal Theatre von Chicago. Die Belohnung für eine solche Leistung bestand darin, im Vorprogramm eines namhaften Stars gegen entsprechende Bezahlung aufzutreten. Die Jackson 5 zogen das große Los mit den seit Kurzem bei Motown unter Vertrag stehenden Gladys Knight and the Pips, die an jenem Abend einen neuen Song ausprobierten, „I Heard it Through the Grapevine“ (im Herbst 1967 erreichte der Titel Rang zwei in den Billboard-Pop-Charts). Nun reiste Joseph Jackson nach New York, um James Brown und Sam & Dave dazu zu bewegen, seine Schützlinge in ihrem Vorprogramm auftreten zu lassen. Beide lehnten die Ehre ab, aber Dave Prater (der Dave von Sam) sorgte dafür, dass die Jackson 5 im Mekka des Soul, dem New Yorker Apollo Theatre, auftreten durften, und zwar beim prestigereichsten Talentwettbewerb überhaupt, dem Superdogs Contest. Das Publikum in Harlem war bekannt für seine kurze Lunte. Wenn ein „Act“ nicht zündete, wurde er ohne falsches Mitleid sehr bald ausgebuht und von der Bühne gejagt. Die Jackson 5 hatten keine solchen Probleme. Am 13. August trugen sie auch hier die Siegestrophäe davon.

      In den folgenden Monaten kletterten die Jackson 5 in der Hierarchie der Support-Acts rasch höher. Die Stars, in deren Vorprogramm sie auftreten durften, leuchteten von Tag zu Tag heller. Während die restlichen Jacksons nach ihren Auftritten das aufregende Leben hinter der Bühne genossen, verbrachte Michael jede freie Minute damit, diese Stars bei der Arbeit zu beobachten. Wenn ihm ein Tanzschritt oder eine Pose Eindruck auf ihn machte, ließ er nicht nach, bis er diese selber perfekt einstudiert hatte. Zu den Vorbildern, die er auf diese Weise aus nächster Nähe miterlebte, gehörten die Temptations, The O’Jays und Sam & Dave. Das Gesangsquintett The Temptations kam aus Detroit

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