Madame empfängt. Ursula Neeb

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Madame empfängt - Ursula Neeb

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style="font-size:15px;">      »Gerne, Madame Saltzwedel. Es wird mir eine Ehre sein!«, erwiderte Sidonie freundlich.

      »Aber ehe ich Sie damit behellige, was führt Sie zu mir?«, fragte Pauline Saltzwedel und streifte Sidonie mit einem ängstlichen Blick aus ihren großen, himmelblauen Augen. Mit ihrem kleinen, runden Gesicht und der schmalen, spitzen Nase wirkte sie wie ein verschrecktes Vögelchen auf Sidonie. Vorsichtig eröffnete ihr das Fräulein, dass sie plane, einen Kriminalroman über den Giftmord an Gerlinde Dietz zu schreiben und momentan mit Recherchen im Umfeld der Ermordeten beschäftigt sei.

      »Ach, dazu kann ich Ihnen leider gar nichts sagen. Mein Mann hat mit dem Herrn Polizeiinspektor auch schon ausführlich über die Anna gesprochen und mich angewiesen, den Herrschaften von der Presse mitzuteilen, dass wir mit der Angelegenheit nicht mehr behelligt werden möchten«, erwiderte Frau Saltzwedel abwehrend und nestelte nervös an ihrem Handarbeitsbeutel.

      »Ich kann gut verstehen, dass es Sie verdrießlich stimmt, wenn man Sie wegen des tragischen Vorfalls immer wieder aufsucht, aber ich habe nur ein paar Fragen an Sie und möchte auch nicht lange stören. Und wie Sie wissen, bin ich nicht von einer Journaille. Was mich allerdings eben gewundert hat, ist, dass Sie von einer gewissen ›Anna‹ gesprochen haben. Hieß das Dienstmädchen denn nicht ›Gerlinde‹ mit Vornamen?«

      »Ach so. Ja, mein Mann pflegt unseren Bediensteten immer eigene, gut einprägsame Vornamen zu geben, damit man sich nicht immer wieder auf andere Namen einstellen muss. Unser neues Dienstmädchen heißt wieder ›Anna‹«, erklärte Pauline Saltzwedel und kicherte nervös.

      »Ihren Herrn Gatten würde ich gerne einmal kennenlernen. Vielleicht ist es ja möglich, dass er gelegentlich ein wenig Zeit für mich erübrigen kann.« Bei Sidonies leichthin geäußerten Worten zuckte die Hausfrau zusammen, als habe sie sich soeben verbrannt.

      »Er ist aber beruflich sehr eingespannt und hat nur wenig Zeit.«

      »Ihrem Gatten gehört doch die Schwanen-Apotheke im Steinweg, wenn ich mich nicht täusche?«

      »Ja, und dort ist er vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Und wenn er nicht wenigstens zum Mittagsessen nach Hause käme, würde ich ihn manchmal tagelang nicht sehen.«

      »Ach, dann wird er ja bald eintreffen! Wenn Sie gestatten, möchte ich nur ein paar Worte mit ihm wechseln und Sie beide dann nicht mehr länger belästigen«, insistierte das Fräulein unbeirrt und lächelte Frau Saltzwedel entwaffnend an.

      »Wie Sie wünschen. Er muss jede Minute kommen. Bitte entschuldigen Sie mich einstweilen. Ich muss in der Küche und im Esszimmer nach dem Rechten sehen. Auf das Personal kann man sich kaum verlassen. Sie wissen bestimmt, wie das ist. Darf ich Ihnen vielleicht etwas bringen lassen? Einen Tee, einen Kaffee?«

      »Nein, nein, nur keine Umstände.« Das Fräulein blickte Pauline Saltzwedel nach, die hektisch den Salon verließ und sie in ihrem bauschigen, goldgelben Seidenkleid mit den voluminösen, rüschenverzierten Puffärmeln an ein aufgeregtes Stubenküken erinnerte.

      Wenig später war aus einem der benachbarten Räume eine aufgebrachte männliche Stimme zu vernehmen, die in ärgerlichem Stakkato auf jemanden einredete. Man hörte eine Tür schlagen, und vom Flur her näherten sich energische Schritte. Gleich darauf wurde die Salontür aufgerissen und Ottmar Saltzwedel stürmte herein. Ohne ein Wort des Grußes polterte er los: »Meine liebe Dame, der Fall Gerlinde Dietz ist für uns ein für alle Mal abgeschlossen. Falls es Ihnen meine Gattin in ihrer Langmut nicht klar genug zu verstehen gegeben hat, so sage ich es Ihnen noch einmal ganz deutlich: Wir möchten damit nicht mehr behelligt werden, weder von Journalisten noch von sonstigen Vertretern der schreibenden Zunft. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, liebes Fräulein Weiß. Glauben Sie mir, wir können Ihnen sowieso nicht mehr dazu sagen, als das, was unlängst in jeder Zeitung zu lesen war. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich darf Sie hinausbegleiten.« Sidonie spürte bei dem unhöflichen Gebaren des Apothekers eine Woge der Empörung in sich aufsteigen.

      »Mein lieber Herr Saltzwedel, ich verbitte mir ganz entschieden diesen Ton«, erwiderte sie eisig. »Im Übrigen habe ich durchaus Grund zu der Annahme, dass gerade Sie mehr dazu zu sagen haben, als das, was in den Zeitungen zu lesen war.«

      »Wie kommen Sie denn darauf?«, schnarrte Saltzwedel konsterniert.

      »Ganz einfach, weil Sie ein, sagen wir mal, verfängliches, kleines Geheimnis haben, das die Ermordete, Gerlinde Dietz, mit Ihnen geteilt hat.«

      Der bullige, kahlköpfige Mann wurde bei diesen Worten feuerrot im Gesicht. Die ohnehin schon nach vorne gewölbten, glasigen Augen schienen ihm förmlich aus den Höhlen zu quellen. Er schnaubte wie ein wütender Stier. Doch irgendetwas schien ihn plötzlich zurückzuhalten. Anstatt sich auf das nicht weniger aufgebrachte Fräulein zu stürzen, trabte er zum Kamin und begann, die Porzellanfiguren auf dem Sims zu verrücken. Während er mit den Fingern immer wieder über die Marmoroberfläche fuhr und diese dann genau begutachtete, als wolle er Staubspuren ausmachen, presste er keuchend hervor, ohne das Fräulein dabei anzublicken, dass sie ihn doch bitte heute Abend um sieben Uhr in der Apotheke im Steinweg Nummer 19 aufsuchen möge, denn hier könne man sich nicht ungestört unterhalten.

      »Aber bitte zu niemandem ein Wort. Und bitte entschuldigen Sie doch meinen Auftritt«, flüsterte Ottmar Saltzwedel dem Fräulein eindringlich zu, um sie gleich darauf höflich zur Tür zu geleiten.

      H

      Als Sidonie und Johann an jenem Abend vor der Schwanen-Apotheke vorfuhren, verließen die drei Apothekergehilfen gerade den Laden, und Ottmar Saltzwedel stand im Begriff, hinter ihnen die Tür abzusperren. Als er des Fräuleins und ihres Begleiters ansichtig wurde, hielt er inne und ließ sie ein.

      In Anbetracht der heiklen Umstände und Saltzwedels cholerischem Wesen hatte Sidonie es vorgezogen, Johann um Beistand zu bitten.

      »Johann Konrad Friedrich, ein guter Freund und Vertrauter«, stellte sie ihn vor. Der Apotheker schien über dessen Anwesenheit offensichtlich wenig begeistert zu sein. »Ich hatte Sie doch ausdrücklich um Diskretion gebeten«, murmelte er vorwurfsvoll.

      »Die sei Ihnen auch weiterhin zugesichert, vorausgesetzt natürlich, dass die Tatsachen nicht gegen Sie sprechen. Und um diese aufzuklären, sind wir heute Abend zusammengekommen. In Anbetracht der ernsten Angelegenheit konnte ich auf einen zuverlässigen Zeugen eben nicht verzichten«, erklärte ihm Sidonie ungerührt, während der Apotheker geistesabwesend auf zwei Stühle wies.

      »Sie sprechen in Rätseln liebes Fräulein Weiß. ›Ernste Angelegenheit‹ und ›Tatsachen, die gegen mich sprechen‹. Was um Himmels willen meinen Sie damit? Sie führen sich schlimmer auf als ein Polizeiwachtmeister, ich dachte, Sie recherchieren für einen Kriminalroman?«

      »Das war ehrlich gesagt nur ein Vorwand. In Wahrheit ist mir sehr daran gelegen, zur Aufklärung des Giftmordes an Gerlinde Dietz beizutragen. Und die war nicht nur in Ihrem Hause als Dienstmädchen beschäftigt, sondern wusste zudem über Ihre seltsame Veranlagung Bescheid.«

      »Wollen Sie mir etwa unterstellen, dass ich etwas mit dieser Mordgeschichte zu tun habe?«, entrüstete sich Saltzwedel, dem, obgleich er auf Sidonies letzte Worte nicht einging, Schweißperlen auf die Stirn getreten waren.

      »Sprechen wir es doch einmal deutlich aus: Sie haben eine abartige Veranlagung, bitte ersparen Sie es mir, weiter ins Detail zu gehen, und Gerlinde Dietz wusste davon. Sie sind ein angesehener Mann und haben einen Ruf zu verlieren. Es sind schon Leute geringfügigerer Dinge wegen umgebracht worden. Außerdem wurde Gerlinde Dietz vergiftet. Mit einem seltenen Gift. Als Apotheker sitzen Sie sozusagen an der Quelle,

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