Judengold. Erich Schütz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Judengold - Erich Schütz страница 16
»Stalin«, begann Carrington einen längeren Monolog, »Sie haben die Chance, die Machtverhältnisse von morgen schon heute zu akzeptieren. Sie können mit uns zusammenarbeiten und uns nach dem Ende des Krieges mit Ihrem Geld helfen, eine sinnvolle Verteidigung gegen das kommunistische Bollwerk und die Rote Armee aufzubauen. Ihr Geld ist verloren, wenn Sie sich gegen uns stellen. Sie können unser Freund werden, wenn Sie mit uns nach vorne schauen. Wir, das sind die neuen Machthaber in Europa. Vergessen Sie Ihren Traum von einem Vierten Reich. Wir alle müssen gemeinsam gegen nur eine Gefahr kämpfen, gegen die Rote Armee. Stalin wird sich nicht mit Berlin zufriedengeben, er will bis zum Rhein, oder vielleicht sogar bis zum Atlantik. Deshalb sitzen hier am Tisch auch Freunde des britischen Geheimdienstes MI 5 und ein offizieller Vertreter der Schweizer Bankenaufsicht, der aber auch ein Mitglied des Schweizer Geheimdienstes P 26 ist. Glauben Sie mir, ohne uns ist Ihr Geld futsch. Mit uns können Sie nach dem Ende des Krieges noch gewinnen.«
Oswald Wohl nickte. Stehle war klar, dass er ohne seinen jungen Bankchef nie mehr an sein Geld gelangen konnte. Sollte es stimmen, dass der dünne, schmallippige Herr neben Wohl von der Bankenaufsicht war, dann verstand er, dass sie auch seinen Komplizen in der Zange hatten. Schließlich hatte dessen Bank in den vergangenen Jahren sehr viel namenloses ausländisches Kapital zunächst ein- und dann ausgeführt. Millionen Reichsmark und auch Gold und Silber ohne Nachweis einer Quelle. Daraus konnte man ihm jederzeit einen Strick drehen. Und auch ihm selbst, einem Schmuggler aus Deutschland, drohten in der Schweiz empfindliche Strafen, gleichgültig, woher das Geld stammte.
Joseph Stehle erkannte seine verfahrene Situation, es blieb ihm kein anderer Ausweg, als sich vorerst auf das Vorhaben der Herren einzulassen. »Sie diktieren die Bedingungen«, kapitulierte er, »sagen Sie mir aber, was mir bleibt.«
*
Wenige Wochen später hatten die Angriffe der Alliierten auf Singen zugenommen. Im Oktober 1944 kam es zu einem Tagesangriff mit zwölf Bombern der amerikanischen Luftwaffe. Am Weihnachtstag, im Jahre 1944, überflogen 18 Bomber Singen und warfen 90 Sprengbomben auf die Hohentwielstadt, mit Gewichten bis zu 500 Kilogramm. Dabei wurden auch Brücken und Gleisanlagen schwer beschädigt. Die Zugverbindung in die Schweiz war jetzt vollständig abgebrochen. Für Joseph Stehle gab es keine Möglichkeit mehr, sich um sein Kapital in der Schweiz zu kümmern. Er verfluchte jeden Tag John Carrington und hoffte auf das Schweizer Bankengesetz.
*
In den letzten Kriegstagen bekam Joseph Stehle noch einmal Besuch. In der Hohentwielstadt herrschte das reinste Chaos. Die Bevölkerung flüchtete tagsüber aus der Stadt in die Wälder, aus Angst vor neuen Bombardierungen. Der stellvertretende Bürgermeister wollte die Stadt den heranrückenden Franzosen kampflos übergeben. Doch SS-Offiziere aus der nahe gelegenen Radolfzeller Kaserne zwangen den Volkssturm, die Stellung zu halten.
Joseph Stehle hatte den ganzen Tag über bei Räumungsarbeiten in der Innenstadt geholfen. Er war übermüdet und wollte sich ins Bett legen. Da hörte er ein leises Klopfen an der Haustür. In Socken, um seine Frau und Tochter nicht zu wecken, schlich er in den Flur. Er wollte gerade die Tür öffnen, da griff eine starke Hand von hinten um seinen Kopf und verschloss ihm den Mund. Der Griff war sehr stark, Widerstand erschien ihm zwecklos.
»Keine Angst«, flüsterte eine männliche Stimme, »ich muss mit Ihnen sprechen.«
Der Mann hatte seinen Griff gelöst und stand nun vor ihm. Er war groß, schlank und wirkte durchtrainiert. Trotz der Kälte hatte er nur einen Pullover übergestreift, der war allerdings aus einem warmen, feinen Gewebe. Seine Militärhose steckte in leichten, weichen Stiefeln, wie sie Stehle schon bei Carrington gesehen hatte. Unter dem Pullover, am Gürtel der Hose, ragte ein Messer hervor, das der Mann aber offensichtlich nicht ziehen wollte.
Dies beruhigte Stehle etwas, trotzdem war er verunsichert. Er schlurfte irritiert an dem Mann vorbei in die Küche. Der Fremde folgte ihm.
Leise, in einem süddeutsch-schweizerischen Dialekt, redete er auf Stehle ein: »Ich soll Sie grüßen von Freunden, wir machen uns große Sorgen um Ihre Stadt.«
Stehle wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er hatte den ganzen Tag mit dem Volkssturm und Bürgern versucht, die ärgsten Bomberschäden zu räumen. Er hatte Tote und Verwundete geborgen und in ausgebombten Häusern für Schlafplätze gesorgt. Noch immer hatte er den Gestank des Feuers der Brandbomben in seiner Nase.
»Wir wissen, dass Ihr Bürgermeisterstellvertreter ein einsichtiger Mann ist. Sprechen Sie ihn morgen an. Achten Sie darauf, dass Sie niemand hören kann, und dann kommen Sie morgen Abend mit ihm um 23 Uhr in das Gasthaus Frohsinn.«
Stehle sah den Mann fassungslos an.
»Meine Organisation und Sie haben die gleichen Interessen. Ich soll Sie grüßen von John Carrington. Sie müssen ein reicher Mann sein, und Sie wollen doch sicher Ihr Geld wiederhaben?«
Stehle nickte, er verstand nun gar nichts mehr, war aber plötzlich hellwach, schließlich ging es hier um sein Geld, und das schien nun mal Carrington in der Hand zu halten.
»Passen Sie auf, dass Sie niemand belauscht, wenn Sie mit dem Bürgermeisterstellvertreter reden, und seien Sie pünktlich.«
Stehle nickte erneut, wollte etwas sagen, nach seinem Geld fragen, aber der Mann stand auf, sagte leise: »Uf wiederluege, bis Morgäobid«, und verschwand.
Joseph Stehle und der stellvertretende Bürgermeister waren keine Freunde. Doch in den vergangen Tagen, unter dem Druck der Fliegerbeschüsse, waren die Bürger Singens zusammengerückt. Die 4.000 Einwohner befürchteten wegen der Industrie inmitten ihrer Stadt die totale Verwüstung. Selbst Stehle verfluchte jetzt langsam das überdimensionale Hakenkreuz am Hohentwiel. Aber noch hatte niemand gewagt, es zu entfernen. Noch glaubten unbelehrbare Nazis an den Endsieg.
Joseph Stehle war klug. Er hatte die Gespräche mit Carrington nicht vergessen, und fast täglich hörte er heimlich einen Schweizer Sender. Er hatte die Frontlinien verfolgt. Colmar war wieder in der Hand der Franzosen, die Amis standen in der Pfalz und die Rote Armee bald vor Berlin.
Gleich nachdem der fremde Mann seine Wohnung verlassen hatte, befiel Joseph Stehle eine innere Unruhe. Langsam stand er auf. Er ging zum Küchenschrank, öffnete eine Schublade und zog sein rotes Parteibuch hervor. Er blätterte das Büchlein langsam durch. Er war 1932 Mitglied der NSDAP geworden. Fast wäre er der Fünfhunderttausendste gewesen. Wie war er stolz gewesen, als Schweizer jetzt ein Deutscher zu sein. Die NSDAP-Mitgliedschaft hatte für ihn mehr bedeutet als eine zufällige Geburt in den Grenzen des damaligen Deutschen Reiches. Vor allem hatte er damals noch geglaubt, dass selbst die Schweiz bald zum Großdeutschen Reich zählen würde.
Jetzt, wo er sich anschickte, sich aus der Partei zu verabschieden, hatte die NSDAP fast acht Millionen Mitglieder. Er starrte auf den goldenen Parteiadler mit dem Lorbeerkranz in den Fängen, darunter prangte das Hakenkreuz.
Stehle drehte sich vom Küchenschrank zum Tisch, legte das Parteibuch ab, kontrollierte die Vorhänge vor den Fenstern, schlurfte zum Küchenherd und stocherte in der Glut. Er holte noch zwei Holzscheite, wartete, bis sie Feuer fingen, dann legte er sein Parteibuch obenauf.
Stehles Augen wurden feucht. Er wartete, bis die Flammen nicht mehr züngelten, dann schürte er nach.
*
Am nächsten Abend fuhren zwei dunkle Gestalten auf ihren Fahrrädern aus der Südstadt Singens in Richtung Gottmadingen. Sie benutzen Feldwege und achteten darauf, dass sie nicht gesehen wurden.
»Ein Auto!«,