Kranichtod. Thomas L. Viernau

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kranichtod - Thomas L. Viernau страница 18

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Kranichtod - Thomas L. Viernau

Скачать книгу

musste die Familie das Torhaus räumen. Soldaten in seltsamen Uniformen, die eine allen Bewohnern unverständliche Sprache sprachen und eigenartig nach starkem Tabak und Maschinenöl rochen, wohnten jetzt im Schloss. Abends machten sie Musik mit einer Ziehharmonika, seltsam schwermütige Lieder. Die Quappendorffs lauschten aus der Ferne diesen Gesängen. Provisorisch war die Familie in der alten Brennerei gleich neben den Scheunen untergebracht worden.

      Nur kurze Zeit jedoch durften sie hier bleiben. Fremde Männer kamen und erzählten etwas von Junkerland, was jetzt in Bauernhand gehöre und von einer neuen Weltordnung.

      Mit eilig zusammengeschnürten Kisten und Koffern floh die Familie Richtung Westen. Dort solle es besser sein. Da wären immerhin Amerikaner und Briten und Franzosen, die darauf achteten, dass den Leuten nicht alles weggenommen wurde. So sprach jedenfalls seine Großmutter und die musste es ja wissen. Sie hatte schon einmal einen Krieg erlebt und wusste Bescheid. Damit endete abrupt die Kindheit des jungen Rochus. Im fernen Rheinland angekommen musste sich die Familie anfangs mit Gelegenheitsarbeiten und wenig Geld durchschlagen.

      Erst Mitte der fünfziger Jahre gab es eine staatliche Abfindung für den Verlust der alten Heimat. Das Gutshaus gehörte sowieso nicht mehr ihnen. Das hatte schon der Urgroßvater verkaufen müssen.

      Aber die Quappendorffs besaßen ein Vorzugswohnrecht für das Torhaus, durften daher dort wohnen bleiben. Als es dann um die Bemessung der Vertriebenenrente ging, unterließ es Rochus’ Mutter, diesen Umstand zu erwähnen. Eine Möglichkeit, die wirklichen Besitzverhältnisse von Gut Lankenhorst zu ermitteln, gab es ja inzwischen nicht mehr. Die Behörden des neugegründeten deutschen Staates im Ostteil Deutschlands waren nicht sehr kooperativ. Neben der Witwenrente gab es also auch noch eine nicht zu knapp bemessene Vertriebenenrente und eine einmalige Ausgleichszahlung für den Verlust von Hab und Gut.

      Dies ermöglichte der Familie von Quappendorff eine gutbürgerliche Existenz. Alle Kinder machten ihr Abitur und studierten. Rochus wurde Gymnasiallehrer, sein Bruder Hektor war Kommunalbeamter im höheren Dienst und die kleine Schwester Friederike-Charlotte, von allen nur Friedel genannt, studierte Chemie. Sie zog deshalb sogar wieder zurück in den Osten. Dort wurden Chemiker händeringend gesucht und man gewährte ihr neben einem kostenfreien Studienplatz auch gleich noch eine kleine Wohnung und die Aussicht auf Festanstellung in einem der großen Chemiebetriebe.

      Eigentlich hatten die Quappendorffs die Ereignisse des letzten Jahrhunderts recht gut überstanden. Klar, es gab auch Verluste. Sein Vater und sein Onkel waren im Krieg geblieben. Tante Amalie war etwas wirr im Kopfe geworden. Das hing aber mit dem frühen Tod Hennys zusammen. Aber das war eine ganz andere Geschichte.

      Immerhin, seine eigene Generation hatte es zu etwas gebracht, ohne dass der alte Adelstitel dafür herhalten musste. Das »von« im Namen ließen daher die Quappendorffs in der neuen Republik weg. Es passte nicht mehr in die Zeit.

      Erst als nach der Wende plötzlich wieder die Möglichkeit auftauchte, die alten Güter im Brandenburgischen zu erwerben besannen sich die Geschwister wieder ihrer blaublütigen Herkunft. Insbesondere Hektor geriet bei der Aussicht auf ein altes Schloss mit Park und Ländereien ins Schwärmen. Er steckte mit seinem Enthusiasmus seine beiden Geschwister und die nachfolgende Generation an. Als Verwaltungsbeamter wusste er natürlich, wie und wo man seine Ansprüche geltend machen konnte.

      Es war ein langwieriger und mühsamer Kampf. Die neugegründeten Behörden in den Neuen Bundesländern, so wurde dieses Stück Deutschland im offiziellen Sprachgebrauch genannt, erwiesen sich als ausgesprochen amateurhaft und unprofessionell.

      Hektor ließ sich also kurzerhand in den Osten versetzen. Amtshilfe wurde das genannt. Viele Beamte aus den Altbundesländern nutzten diese Chance um ihrer Karriere noch einmal etwas Auftrieb zu verleihen. Der »Fahrstuhl« war hier deutlich schneller und meist ging es auf eine »Etage«, die man so in den Altbundesländern nie erreicht hätte.

      Hektor suchte sich also eine Wohnung in einem Dörfchen unweit des Gutes Lankenhorst, fügte wieder das »von« in seinen Namen ein und bewarb sich um den Posten des Landrates im Kreis Gransee, der bald im neuen Landkreis Oberhavel aufgehen sollte.

      Tragisch war nur, dass Hektor, kurz nachdem er Landrat geworden war, an einem Herzinfarkt starb. Das Ganze war doch etwas zu viel für ihn gewesen. Er hinterließ eine gut zwanzig Jahre jüngere Witwe und einen kleinen Sohn. Die junge Witwe sah sich bald nach etwas Trost um und zog dann kurzerhand nach Mallorca. Dort hatte ihr Trost eine niedliche Finca in den Bergen und bot ihr ein Leben in Saus und Braus. Lutger, der kleine Sohn aus ihrer Ehe mit Hektor, kam auf ein Internat in der Schweiz.

      Rochus, der damals noch als Studienrat an einem Gymnasium im Rheinland tätig war, hatte seinem Bruder Hektor auf dem Totenbett versprochen, sich um Lutger zu kümmern und die Lebensaufgabe der jetzigen Quappendorffs zu einem positiven Ende zu bringen. Seine eigenen Pläne konnte er ja dabei geschickt integrieren.

      Die Quappendorffs waren jetzt alle wieder mit einem »von« im Namen ausgestattet und zogen in die Neuen Bundesländer. Anfangs wohnte Rochus, der inzwischen verwitwet war, noch in Biesenthal, unweit des Gutes, in einer Mietwohnung.

      Seine beiden Töchter waren schon flügge, studierten in der weiten Welt und kamen nur noch zu den großen Feiertagen kurzzeitig auf Besuch.

      Auch Lutger, der nach der Matura, dem Schweizer Abitur, eine Karriere beim Militär anstrebte, ließ sich häufiger blicken. Mit seiner Mutter hatte er sich gründlich verkracht. Lutger fühlte sich dem Namen verpflichtet und war oft bei Onkel Rochus zu Gast. Seine militärischen Ambitionen musste er schweren Herzens aufgeben. Das schwache Herz, wahrscheinlich ein Erbe seines zu früh verstorbenen Vaters, machte einen Strich durch die Rechnung. Lutger studierte Betriebswirtschaft und begann in einem renommierten Bankhaus eine Karriere als Controller.

      All das ging dem alten Mann durch den Kopf, als er in seinem Bett lag und die Ereignisse dieser Herbstnacht noch einmal versuchte einzuordnen. Nicht das er abergläubisch war oder an sonstige metaphysische Dinge glaubte, aber der Spuk in dieser Nacht war doch etwas zu viel des Guten gewesen. Entweder versuchte hier jemand, ihn vollkommen zu verunsichern und aus dieser Verunsicherung heraus Kapital zu schlagen oder es erlaubte sich jemand einen geschmacklosen Scherz.

      Beide Varianten waren gleichwohl unangenehm. Mit letzterem jedoch könnte er sich jedenfalls noch eher arrangieren. In Gedanken ging er noch einmal die Personen seines Umfelds durch, die dafür in Frage kämen. Aber keinem war so etwas zuzutrauen.

      II

      Gut Lankenhorst

      Montagmorgen, 23. Oktober 2006

      Der neue Tag schien sich zu verspäten. Dichter Nebel machte sich überall breit. Die Bäume im Park waren nur als dunkle Schemen erkennbar. Ein milchig trübes Licht kämpfte sich durch die letzten Dunkelzonen der Nacht.

      Am Fenster des rechten Seitenflügels stand der alte Baron und schaute in das große Nichts. Dieses Wetter hier in der Mark Brandenburg machte ihm doch merklich mehr zu schaffen, als er sich eingestehen wollte. Den größten Teil seines Lebens hatte er im freundlichen und vom Klima begünstigten Rheinland mit seinen sanften Hügeln und Weinbergen verbracht. Oft waren dort die Winter ausgefallen und der Herbst war nur ein milder Sommerausklang. Man konnte lange draußen bleiben, die Nächte waren sanft. Doch hier war alles etwas rauer.

      Er lebte jetzt schon mehrere Jahre in der Mark. Anfangs hatte er gedacht, dass er sich an das kühlere Klima und die sonnenarmen Tage gewöhnen könnte, aber es fiel ihm zunehmend schwerer, sich mit dem immerwährenden Nebel, dem Regen und den wilden Windböen zu arrangieren. Aus seiner Kindheit hatte er nur sonnige

Скачать книгу