Kranichtod. Thomas L. Viernau

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Kranichtod - Thomas L. Viernau

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ruhig herein, Herr Dr. Nägelein.«

      »Wieso wissen Sie ...? Na, ist ja auch egal ... Also, was ich noch sagen wollte. Jaaa, Dr. Knipphase möchte in Kürze schon Ergebnisse sehen. Also Sie wissen schon, keine statistischen Angaben über irgendwelche Firmen, die hier so vor sich hin kleckern. Der will Fakten ...!«

      Linthdorf nickte.

      »Ja, wie wollen Sie denn nun vorgehen?«

      »Da werde ich mich erst einmal in das Material einarbeiten müssen.«

      Er wies auf die dicke Mappe, die er von Knipphase bekommen hatte. Plötzlich war es Nägelein peinlich, ihn mit seinen nichtssagenden Floskeln belästigt zu haben.

      »Naja, machense ma. Sie packen das schon.«

      Mit einem etwas zu leutseligen Gesichtsausdruck verzog er sich wieder.

      Linthdorf hatte jedenfalls erst einmal die Mappe herangezogen und wühlte sich durch die knapp 150 Seiten Material.

      Der interessanteste Teil war eine alphabetisch geordnete Liste von Firmen, die in Brandenburg tätig waren und deren Aktivitäten das Interesse des BKA geweckt hatten. Linthdorf las meist englischsprachige Firmennamen, in denen immer wieder die Vokabeln »development«, »real estate« und »consulting« auftauchten. Erstaunlich war schon, wo diese Firmen ihre Adressen hatten. Quer über das ganze Bundesland verstreut schienen sie zu sein. Eigentlich müsste Brandenburg ja damit bestens entwickelt sein und die Wirtschaft müsste brummen. Soviel Investoren, soviel Strukturentwickler und Berater, da konnte es doch eigentlich nur noch steil bergauf gehen.

      Aber er kannte sein Land besser. Er wusste Bescheid über vereinsamte Dörfer, in denen nur noch die ältere Generation lebte, über verödete Brachen, die früher einmal landwirtschaftlich genutzt worden waren und über Gewerbegebiete, in denen zwei oder manchmal auch drei kleinere Lagerhallen standen und in der Ferne erzeugte Produkte verteilten.

      Er kannte auch die ehrgeizigen Visionen der Landräte und Bürgermeister, die unbedingt die modernsten und profitabelsten Industrien anlocken wollten, um damit im Wahlkampf zu punkten. Es ging ja schließlich um mehr als nur um Arbeitsplätze und Infrastrukturmaßnahmen.

      Linthdorf hatte die Regierungszeit des ersten Brandenburger Ministerpräsidenten noch gut in Erinnerung. Die Investruinen von damals hielten bis heute das Land im eisernen Schuldengriff. Jedes Mal, wenn er in der Lausitz unterwegs war, sah er die riesige Luftschiffhalle, in der niemals ein echtes Luftschiff gebaut worden war, da alles vorab investierte Geld für den Bau der gewaltigen Halle drauf gegangen war.

      Nur unweit entfernt war eine gewaltige Autorennstrecke mitten in die Einöde gesetzt worden. Formel 1 in der Lausitz! Die Welt schaut auf uns! Und der Jetset wird sich in den Hügeln alter Braunkohletagebaue tummeln und nur so mit Geld um sich werfen. Das war die Vision. Das Motodrom wartet bis heute auf eine wirklich rentable Nutzung.

      In Frankfurt an der Oder stand der große Komplex des Halbleiterwerks auf verlorenem Posten und überall im Lande wurden futuristische Solaranlagen produziert, die nur dank staatlicher Subventionen zu marktüblichen Preisen verkauft werden konnten. Linthdorf verstand nicht so sehr viel von solchen Projekten, aber sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, dass Solarenergie »made in Brandenburg« nicht unbedingt ein Renner sein konnte.

      Die Firmen, die in der Knipphaseschen Liste auftauchten, waren ihm allesamt unbekannt. Weder hatte er irgendeine Werbung für deren Produkte gesehen, noch waren ihm deren Produktionsanlagen oder Immobilien aufgefallen. Nun, das konnte auch daran liegen, dass er bisher wenig auf solche Details geachtet hatte.

      Linthdorf begann die Firmen in seinen Computer in eine Excel-Tabelle zu tippen. Nach einer knappen Stunde war er fertig. Er sortierte nun die Firmen nach Postleitzahlen, gruppierte sie nach Regionen und teilte sie seinen Mitarbeitern zu. Jede Region bekam von ihm drei Mitarbeiter zugeteilt. So konnte sie die Aktivitäten etwas bündeln und bei der Suche nach den Firmen Routen zusammenstellen.

      Um vier Uhr traf er sich zu einer ersten Einsatzbesprechung mit den zugeteilten Kollegen. Alle waren anwesend. Die Atmosphäre war im Vergleich zum Vormittag deutlich lockerer und entspannter. Knipphase und Nägelein fehlten ja schließlich. Linthdorf atmete tief durch und kam gleich zur Sache.

      Jedes der neuen Teams bekam eine der von ihm ausgedruckten Listen zugeteilt. Er benannte die Teams nach der Region, in der sie tätig werden sollten:

      Team 1 Uckermark-Barnim

      Team 2 Oderland-Spreeland

      Team 3 Spreewald – Lausitz

      Team 4 Fläming-Mittelmark

      Team 5 Havelland-Prignitz

      Team 6 Ruppin-Oberhavel

      Er selbst hatte sich bei Team 6 eingeschrieben. Im Hinterkopf hatte er dabei auch die toten Kraniche im Linumer Bruch. Vielleicht konnte er etwas Zeit für lokale Ermittlungen abzweigen.

      Louise Elverdink hatte er zur Leiterin von Team 5 gemacht. Mit den Teamleitern würde er am meisten zu tun haben, schließlich hatte er die Ermittlungsergebnisse zu sammeln und zu koordinieren. Möglicherweise gab es ja auch Überschneidungen. Er hatte versucht, in jedem Team einen Steuerfahnder und einen Computerspezialisten zu platzieren. So sollte eine interdisziplinäre Arbeit am besten möglich sein. Die Mitarbeiter machten sich untereinander bekannt. Es herrschte eine gesprächige Atmosphäre. Linthdorf war fürs Erste zufrieden.

      Morgen wollte er mit seinem Team beginnen, die Region nach den Aktivitäten der aufgelisteten Firmen zu durchforsten. Er hatte grob überschlagen, dass ungefähr vierzig Namen auf der Liste standen, die mehr als 185 Millionen Euro öffentliche Gelder bekommen hatten und die auch mit Steuernummern bei den Finanzämtern versehen waren. Der Steuerfahnder würde schon aus den dort gelagerten Zahlen etwas herausfiltern, was da zu erwarten war.

      Spät abends um zehn Uhr saß er in der S-Bahn zurück nach Berlin. Linthdorf war rechtschaffen müde.

      III

      Berlin-Friedrichshain

      Montagabend, 23. Oktober 2006

      Wann genau er zu Hause eingetroffen war, konnte sich Linthdorf nicht mehr so genau erinnern. Es war auch nicht wichtig, denn es wartete sowieso niemand auf ihn. Die Wohnung sah noch genauso unaufgeräumt aus, wie er sie am frühen Morgen verlassen hatte.

      So richtig Lust, etwas an dem chaotischen Zustand seines Domizils zu ändern, hatte er im Moment auch nicht. Der Tag hatte ihn ausgelaugt.

      Linthdorf merkte, dass er keine dreißig mehr war. Natürlich, er bewältigte noch immer seinen Alltag in routinierter Weise, aber es fiel ihm immer schwerer, abends abzuschalten und sich wirklich zu erholen. Nachts lag er wach und grübelte. Den nächsten Tag konnte er dann nur unter Aufbietung aller Willensstärke durchhalten.

      Inzwischen spürte er schon, wann sich so eine schlaflose Nacht ankündigte. Heute war wieder so eine Nacht. Vorsorglich hatte er sich die Listen von Knipphase mitgenommen und auch einen kleinen Laptop, der über einen Internetanschluss verfügte. So konnte er diesen schlaflosen Zustand wenigstens mit etwas Sinnvollem überbrücken.

      Im Kühlschrank fand er noch eine Tetrapaktüte mit H-Milch und eine Dose mit Halberstädter Würstchen. Das war immerhin etwas Nahrhaftes. Eigentlich wollte er noch im Spätkauf unten an der Ecke etwas einkaufen, aber er hatte keine Lust auf Smalltalk

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