Nixentod. Thomas L. Viernau

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Nixentod - Thomas L. Viernau

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stand da am Straßenrand mit zwei Rollkoffern und schien auf jemanden zu warten. Immer wieder schaute sie zu der Kurve am Ende der Straße. Aber es tat sich nichts. Langsam ergriff sie eine Unruhe. Nervös blickte sie immer wieder auf ihre Armbanduhr. Die Zeit schien ihr davonzulaufen. Sie nestelte an ihrer Umhängetasche herum, förderte ein Lederetui zutage, das sie mühsam aufknöpfte.

      Endlich hatte sie das Handy griffbereit. Mit zitternden Fingern tippte sie eine Nummernfolge ein, wartete, fluchte.

      Ein Besetztzeichen ...

      Wahlwiederholung ... wieder Besetzt!

      Das Ganze wiederholte sich dreimal. Endlich hatte sie Glück. »Wo bleibt denn mein Taxi? Sollte schon längst hier sein? Hier ist aber niemand. Können Sie noch einmal den Fahrer anrufen, vielleicht hat er sich verfahren. Danke!«

      Ärgerlich stampfte sie auf der Stelle. Die Kälte stieg langsam erst in die Füße und von dort die Beine hinauf. Bewegung! Sie musste sich bewegen!

      Sonst würde sie vielleicht wieder krank, und das konnte sie im Moment überhaupt nicht gebrauchen. Sie wusste, dies war ihre letzte Chance. Wenn sie dieses Projekt nicht erfolgreich abschließen würde, wäre sie weg vom Fenster. Zu viele Misserfolge hatten in den letzten Monaten ihr sonst so selbstsicheres Auftreten empfindlich gestört. Und dann war da noch dieser Zusammenbruch! Jedes Mal, wenn sie daran dachte, stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht.

      Sich eine solche Blöße zu geben, wäre ihr nie im Traum auch nur eingefallen.

      Mein Gott! Sie war doch die Beste!

      Alle wussten es ..., und dann so etwas.

      Hart hatte sie für diese Position gekämpft. Hatte Wege beschritten, die teilweise an der Grenze der Legalität waren. Alles hatte sie diesem Erfolg untergeordnet. Manchmal fiel es ihr schwer, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

      Aber dann hatte sie sich wieder im Griff und alles lief nach Plan. Und jetzt sollte es wieder wie nach Plan weiterlaufen. Einen Durchhänger hatte jeder einmal. Sie hatte auch dies gemeistert. War wieder fit.

      Ihr Handy klingelte. »Das kann doch nicht möglich sein! Dann schicken Sie Ersatz! Ich muss in zwei Stunden am Flughafen sein. Egal, wie!«

      Unfall! Was für eine banale Ausrede.

      Der hatte verpennt!

      Sie hasste unfähige Leute. Überall begegneten sie ihr. Und jedes Mal schienen genau diese unfähigen Leute ihr ein Bein stellen zu wollen. Sie konnte noch so sehr ihre Projekte durchplanen, irgendeine Kleinigkeit schien sich immer wieder in eine mittlere Katastrophe auszuwachsen und das ganze Projekt dadurch zu gefährden.

      In den letzten Monaten war es wie verhext. Dauernd kreuzte ein solch unfähiger Mensch ihre Pläne und ließ sie auflaufen.

      Wieder sah sie auf ihre Uhr. Sieben Minuten waren inzwischen vergangen und von einem Taxi war nichts zu sehen. Verärgert griff sie die beiden Rollkoffer und marschierte Richtung Bushaltestelle. Sie kannte nicht genau die Abfahrtszeiten der beiden Buslinien, die hier hielten, wusste aber, dass jede Viertelstunde eine der beiden Linien hier anhielt. Mit dem Bus konnte sie Richtung S-Bahnhof fahren und dort gab es ja auch immer Taxen, die auf Kundschaft warteten.

      Und wirklich, nur kurze Zeit später rollte ein mit bunter Werbung bedeckter Bus um die Ecke. Erleichtert stieg sie ein. Sie war die einzige Mitfahrerin. Beim Busfahrer löste sie ein Ticket, wuchtete ihre beiden Rollkoffer hinein und ließ sich erschöpft auf einen Sitzplatz nahe an der Tür fallen.

      Sie spürte plötzlich ein Hungergefühl aufkommen. Sie hatte nur einen Kaffee getrunken, bevor sie das Haus verlassen hatte. Der Magen rebellierte ziemlich heftig. Auf der Zunge hatte sie einen unangenehm säuerlichen Geschmack.

      In ihrer Manteltasche fand sie eine Rolle Pfefferminzdrops. Rettung für wenigstens fünf Minuten!

      Endlich hatte der Bus den S-Bahnhof Pankow erreicht. Vor dem Bahnhofsgebäude war eine kleine Imbissbude bereits geöffnet. Die zehn Minuten hatte sie noch übrig.

      Da sah sie ihn.

      Ein Mann in einer schwarzen Lederjacke und mit einem dieser sonderbar unmodischen Basecaps bekleidet, stand ihr gegenüber an dem kleinen runden Stehtisch. Er hatte eine Tasse Kaffee vor sich stehen, von der er ab und zu nippte.

      Er nickte ihr zu: »Na, auch verreisen? Nach Tegel?«

      Sie kannte ihn. Er ging bei Wendelstein ein und aus. Und er war ein Widerling, ein echter Kotzbrocken. Sie nickte nur und biss herzhaft in ihre Currywurst.

      »Ich muss auch rüber, jemanden abholen. Wenn du willst, kann ich dich mitnehmen.«

      Sie traute ihren Ohren nicht so recht, als sie diese beiden Sätze vernahm.

      Bei diesem Ekelpaket ins Auto steigen?

      Niemals.

      Lieber verpasste sie das Flugzeug.

      Andererseits ..., sie wusste, dass sie sich keine weiteren Fehler mehr leisten konnte.

      Und warum auch nicht? Etwas Glück konnte sie nun wirklich gebrauchen.

      Dankbar lächelte sie.

      »Dann müssen wir jetzt aber gleich los.«

      Der Mann mit dem Basecap nickte, stellte den Kaffeebecher ab und trabte Richtung Parkplatz davon.

      »Ich bin gleich da, du kannst in aller Ruhe aufessen.«

      Er grinste dabei unverschämt, als ob er sie zu sich ins Bett holen wollte.

      Sie nickte nur, trank einen großen Schluck Kaffee und putzte sich die Finger ab. Dann sah sie schon den schwarzen Geländewagen aus der Parklücke rangieren. Na ja, besser als ne Taxe und bequemer ist der auch noch! Sie kannte das Modell.

      Wendelstein, ihr Chef, fuhr privat auch einen Cayenne. Froh über die glückliche Wendung lief sie mit ihren beiden Rollkoffern dem Wagen entgegen.

      Als sie einstieg, bemerkte sie einen eigenartigen Geruch, der ihr irgendwoher bekannt vorkam.

      »Wie riecht’s denn hier?«

      Der Fahrer lachte nur kurz und fuhr mit zügigem Tempo vom Parkplatz. Es sollte Bettina Khorffs letzte Reise werden ...

      Havelufer bei Plaue

      Donnerstag, 2. Februar 2006

      Als sie aufwachte, hatte sie einen schalen Geschmack auf der Zunge. Es roch nach billigem Fusel und nach etwas noch viel Unangenehmeren. Alles schien sich um sie zu drehen. Ihr war schlecht, eigentlich kotzübel. Außerdem fror sie. Die Zähne klapperten aufeinander. Direkt auf ihrer Haut spürte sie kalte Nässe.

      Keine schützende Textilschicht schien zwischen ihrer Haut und dem Untergrund vorhanden zu sein. Sie war nackt. Außerdem konnte sie nichts sehen. Vor den Augen war ein Tuch fest um den Kopf gezurrt. Auch ihre Arme und Beine konnte sie nicht bewegen. Irgendetwas war ihr um die Arme und Beine gewickelt, etwas Klebriges, was es ihr unmöglich machte, sie zu bewegen.

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