Nixentod. Thomas L. Viernau
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Er wählte automatisch die Nummer an, ließ es fünf- oder sechsmal klingeln. Eine verschlafene Stimme meldete sich.
»Freddi, du alter Klappstuhl, Mensch! Schläfst du etwa noch?«
»War gestern spät geworden. Hab mir noch den Krimi auf Tele7 reingezogen. War wieder so ein Amifilm mit kaputten Serienmördern. Nur Psychopathen, die da Leute massakrieren.«
»Was guckst du auch so’n Scheiß! Selten mal einen guten Amikrimi gesehn. Und auf den Sendern, die du siehst, schon gar nicht. Was machst du heute? Lust mal wieder auf ne Überlandtour?«
»Okay, holst du mich ab? Knappe Stunde?«
»So gegen Elf. Is jut, bis dann.« Linthdorf legte auf und machte sich reisefertig.
Die singende Nixe
Nixen haben einen Hang zur Tücke. Oftmals spielen sie mit ihren Opfern ein tödliches Spiel. Erst wägen sich diese im Siebten Himmel und Glauben, das große Glück gefunden zu haben. Doch das bittere Ende folgt meist umgehend. Selten nur lassen die Nixen ihre Opfer ziehen. Angezogen von der Liebe der Nixen zu Gesang und Tanz, verfallen ihnen vor allem junge Burschen und Männer. Einem jungen Oderschiffer erging es so:
An einem sonnigen Sommertag saß auf seinem Kahn plötzlich ein bildschönes Mädchen im roten Gewand, das zu den Klängen einer Harfe vor sich hinsang. Vollkommen hingerissen vom Anblick und dem schönen Gesang starrte der Bursche sie an.
Endlich fasste er sich ein Herz und sprach die Schöne an. Diese erschrak, zischte etwas in einer unverständlichen Sprache und verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war. Ein Jahr später war der Schiffer wieder hier auf der Oder unterwegs. Unter großem Gebrause stieg da aus der Tiefe eine riesige grün geschuppte Nixe herauf, krallte sich am Kahn fest und riss alles mit zu sich hinab.
Unterwegs im Oderbruch
Immer noch Samstag, 21. Januar 2006
Freddi Krespel, eigentlich Siegbert, aber irgendwie hatte sich der Name Freddi für ihn durchgesetzt, war Linthdorfs guter Freund seit nun schon mehr als zwanzig Jahren. Er war ein ebenso begeisterter Amateurfotograf wie Linthdorf, hatte stets die neueste Technik und begeisterte sich vor allem für romantische Birkenwäldchen.
Unzählige Fotos von Birkenbäumchen zierten seine Wände, auf seinem Computer war bestimmt eine Sammlung von mehreren tausend Birkenfotos abgespeichert. Sein Job führte ihn wochentags quer durchs Land, er begutachtete für eine Baufirma alte Bausubstanz und machte dann Pläne, diese alten Bauten wieder fit für den Alltag zu machen.
Eigentlich liebte er ja diese Arbeit, aber der zunehmende Preisdruck im Gewerbe machte auch vor seiner Firma nicht halt. Immer mehr Fahrten bekam er in den Wochenplan gepackt, die Zeit für die eigentliche Arbeit wurde dadurch knapper, oftmals saß er noch spätabends vor dem Computer und tippte seine Gutachten.
Aber Freddi war eine duldsame Seele. Ohne Murren und Knurren bewältigte er den Wust von Arbeit. Linthdorf hatte großen Respekt vor dem kleinen, grauhaarigen Mann und seiner Geduld im Umgang mit den Obrigkeiten.
Oftmals fuhren sie an den wenigen freien Wochenenden raus ins Grüne. Eine Richtung sprachen sie grob ab, dann fuhren sie meist ohne direktes Ziel los, ließen sich auch mal von Ortsnamen verführen, die eine aufregende Geschichte zu verbergen schienen, oder entdeckten kleine Nebenstraßen, die ins Nirgendwo gingen.
Linthdorf und Krespel befuhren diese Wege mit Begeisterung, denn oftmals konnte man gerade entlang solcher Strecken gute Motive finden. Während Linthdorf mehr nach alten, verfallenen Scheunen und Gutshöfen Ausschau hielt, konnte sich Krespel für schöne Naturaufnahmen begeistern.
Linthdorf schlug Krespel vor, doch mal wieder ins Oderbruch zu fahren. Irgendetwas zog ihn noch einmal dorthin, wo er den Plastikbeutel mit den Klamotten und der Handtasche entdeckt hatte.
Der Schnee war inzwischen getaut. Schmutzigweiße Reste allerdings waren noch überall zu sehen. Der vernieselte Nebelmorgen verhieß kein Topwetter zum Fotografieren. Mit dem märkischen Klima hatten sich die beiden längst arrangiert. Krespel hatte es sich auf dem Beifahrersitz gemütlich gemacht. Wie immer hatte er eine große Aktenmappe dabei, darin eine Sammlung von Internet-Ausdrucken zu diversen Ausflugszielen, eine ebenso umfangreiche Kartensammlung und Zubehör für seine digitale Fototechnik.
Linthdorf fotografierte immer noch mit einer altmodischen Filmkamera, einem wahren Ungetüm in einer gut gepolsterten Kameratasche. Der Scheibenwischer schob den dünnen Wasserfilm, der sich dauernd neu bildete, ächzend zur Seite und gestattete für einen kurzen Augenblick eine Aussicht ins Umland. Schemenhaft konnte man die Gegend erahnen. Bäume wuchsen als schwarze Riesen aus dem Nichts.
Auf den mit Schneeresten bedeckten Feldern tummelten sich große schwarze Vögel. Dem Gekrächze nach konnten das nur Raben sein. Linthdorf hielt an und stieg aus. Was diese gefiederten Gesellen so alles zu erzählen hatten, ließ sich nur schwer erahnen. In der tristen Nebelwelt schallte ihr Gekakel durch den Morgen. Linthdorf kramte sein Teleobjektiv hervor und peilte die hopsenden Schwarzröcke an.
Krespel saß kopfschüttelnd im Auto. Das Klacken der Kamera war neben dem Gekrächze der Raben das einzige Geräusch auf der sonst leeren Straße. Wieder im Auto zurück, leuchteten die Augen Linthdorfs auf. Er liebte Vögel in freier Wildbahn. Oft schon hatte er sich an die scheuen Kraniche herangepirscht, auch Reiher, Störche und Wildgänse gehörten zu seinen speziellen Lieblingen. Singvögel waren schon etwas schwieriger. Meist konnte er sie aber an dem Gezwitscher unterscheiden. Tja, und Raben auf weißem Untergrund - das war einfach ein tolles Motiv. Zufrieden lehnte sich Linthdorf zurück.
»Na, haste es ma wieder jeschafft!« Krespel grinste.
»Wieso jeschafft, das sind einmalige Momente. Weisst du, worüber die sich unterhalten? Ich glaube, wenn wir das verstehen würden, was da so in die Luft hineingekrächzt wird, wären wir um Vieles schlauer. Wer weiss, was die Kollegen hier gesehen haben, vielleicht wissen die was über meine Wasserleiche?«
»Ach, deine olle Wasserleiche. Nu lass ma gut sein damit. Wir hatten ausgemacht, keinen Arbeitsstress auf unserer Tour.«
Linthdorf startete etwas übereilt den Daimler, rollte laut quietschend auf die Landstraße und verscheuchte dabei die Schar Raben, die laut krakeelend davonstoben.
Der dunkelblaue Wagen rollte durch eine etwas trostlose Landschaft, die darauf wartete, endlich wieder Farbe zu bekommen. Überjähriges Gras brachte einen Hauch von warmen Ockertönen in das sonst recht kühl wirkende Oderbruch hinein. Die Äcker glänzten in Rotbraun und Schmutzigweiß. Krespel hielt ab und zu seine Kamera ans Autofenster. Immer, wenn wieder ein kahler Baum seine Äste in den mattgrauen Himmel streckte, drückte er auf den Auslöser.
Linthdorf kannte in einem kleinen Örtchen eine Kneipe zum Einkehren. Das Einkehren hatte Tradition, war immer der Höhepunkt der Überlandfahrten. Meist suchte Linthdorf dazu einen schlichten Landgasthof, der mit bodenständiger Küche und moderaten Preisen punktete.
Hier im Oderbruch war in den letzten Jahren ein jähes Aufblühen des Ausflugstourismus angebrochen. Ökolandhöfe,