Nixentod. Thomas L. Viernau
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Umständlich zog Linthdorf seinen Dienstausweis hervor. Die Frau schlug die Hand vor den Mund: »Oweih, hatse wat ausjefressen? Aba die Bärbel doch nich. Det hängt bestimmt mit ihrem feinen Frollein Tochta zusammen, die is imma ma for sowat jut. Nee, die Bärbel is schon vor Weihnachten wech zu ihre Kinders. Machtse jedes Jahr. Is ihr hier zu trübsinnig, sachtse jedenfalls.«
»Was können Sie mir denn zur Tochter von Frau Zabelthau sagen?«
»Ach, det is ne lange Geschichte. Det Meechen is eijentlich ne freundliche Seele, hat aba wat an sich, was unglücklich macht. Keena weeß, wat mit ihr los is. Ma isse janz verjnügt, ma isse nur n Schatten, mit de Männa isset bei ihr schlecht bestellt. Keena hielts lange bei ihr aus. Bis of den letzten, det wa n freundlicher und jedulgiger Mensch, der hatte se jut im Griff.
Aba irjendwat is da ooch wieda schief jeloofen, Jedenfalls hab ick ihn schon ne janze Zeit lang nich mehr jesehn. Sie übrijens ooch nich. Bestimmt schon seit Weihnachten nich mehr. Aba det will bei ihr nichts heißen. Die verschwindet öfters mal.«
»Was arbeitet sie denn?«
»Sie sacht imma, sie wär‘ selbständich. Aba gloob ick nich, hat nie Jeld, pumpt ihre Mutta dauernd an und looft imma in Klamotten rum wie von vorjestern. Ob se Stütze kriegt, weeß ick nich.«
»Na ja, erst mal vielen Dank. Darf ich noch nach Ihren Namen fragen? Vielleicht müssen wir Sie nochmal befragen ...«
Die ältere Dame wurde ungehalten. »So war det aba nicht jemeint. Also ne Petze bin ick nich!«
Sie zögerte kurz. »Also jut, ick heiße Hildejard Krapf, wohne hier schon seit mehr als fünfunffuffzich Jahre, verwitwet, ehemals Damensalon »Blondet Jift«, det wa ma mein Frisörjeschäft gleich um die Ecke. Bin aba schon in Rente seit zwölf Jahre.«
Linthdorf notierte eifrig die Angaben und verabschiedete sich.
Berlin-Wedding
Montagabend, 16. Januar 2006
Im Treppenhaus war ein eigenartiges trübes Schummerlicht, die Kugellampen verbreiteten unter starker Anstrengung nur ein schwaches Leuchten. Der grüngelbe Ölanstrich im Treppenhaus schluckte fast jedes Lichtquantum auf. Linthdorf brauchte etwas Zeit, um sich zurechtzufinden.
Aus seiner großen Manteltasche wühlte er ein klirrendes Bündel mit Schlüsseln und eigenartig geformten Haken hervor. Auch ein paar Latexhandschuhe förderte er zutage, die er mit geübten Griffen über seine Hände zog.
Er wusste schon, dass er sich jetzt auf verbotenes Terrain begab. Aber da hatte er sich inzwischen ein dickes Fell zugelegt. Falls es notwendig wurde, konnte er ja im Nachhinein noch ein entsprechendes Amtshilfeersuchen an die Berliner Kollegen aufsetzen. Ein Blick auf das Schloss genügte, um aus dem Bündel zwei längliche Haken auszuwählen.
Vorsichtig stocherte er mit dem ersten Haken im Türschloss herum, spürte den Widerstand und ruckelte kurz. Mit einem vernehmbaren Klicken öffnete sich die Tür. Linthdorf schlüpfte hinein, holte seine Taschenlampe aus der anderen Manteltasche und tastete sich voran.
Die Wohnung roch nach allen möglichen exotischen Düften, Weihrauch, Patchouli, Ingwerholz, Ambra, Zimt. Auf einem selbst gezimmerten Regal waren längliche Schalen mit halb abgebrannten Räucherstäbchen zwischen Glaszylindern mit öligen Flüssigkeiten aufgereiht. Vorsichtig schnüffelte Linthdorf in diese Glasflakons hinein. Ein stechender Geruch, erdig schwer, schoss ihm direkt durch die Nase ins Hirn. Die Augen tränten und ein unangenehmes Gefühl von Benommenheit machte sich breit.
Linthdorf ging weiter. Die Altbauwohnung war großzügig geschnitten, der lange Flur führte fast zwölf Meter ins Dunkle. Vier oder fünf Zimmer schien die Wohnung groß zu sein. Er öffnete eine schwere, getäfelte Holztür, die nach links abging.
Das Zimmer war etwas chaotisch eingerichtet. Überall lagen Blätter verstreut auf dem Boden, die Wände waren mit bunten Tüchern behangen, quer durch das Zimmer war eine Schnur gespannt, an der ein schwerer Vorhang hing. Im hinteren Eck war ein Computer aufgebaut. Die paar Grünpflanzen direkt neben dem Fenster waren vertrocknet, hier war schon wochenlang kein Wasser mehr in der staubtrockenen Blumenerde.
Linthdorf setzte sich an den Computer, der kleine Drehhocker ächzte vernehmlich, als der Riese sich auf ihn niederließ. Es war schon ein älteres Modell mit großem Desktop und externen Zusatzmodulen. Der Bildschirm schien auch nicht mehr der Neueste zu sein. Nur langsam bauten sich auf dem gewölbten Monitor die einzelnen Programme auf. Ein Fenster öffnete sich und fragte nach dem Passwort. Linthdorf probierte es mit den Namen Karolin und Brakel, natürlich erfolglos, resigniert fuhr er den Computer wieder herunter und schaltete ihn wieder aus.
Im nächsten Zimmer, das direkt gegenüberlag, waren ein großes Doppelbett und ein Schrank, dessen Türen geöffnet waren. Wahllos stapelten sich diverse Kleidungsstücke in den Fächern.
Auf dem Boden verteilt sah Linthdorf gebrauchte Unterwäsche und Papiertaschentücher, die zerknüllt herumlagen. Auch hier roch es durchdringend nach irgendwelchen schwer bestimmbaren Essenzen und ätherischen Ölen. Die Wände waren kahl, allerdings mussten dort mal Bilder gehangen haben.
Helle Vierrecke zeichneten sich da ab, wo früher die Bilder waren. Die Vorhänge waren zugezogen. Linthdorf lupfte den Vorhang und spähte durchs Fenster auf die Straße. Unten war wenig Verkehr. Ein paar dunkle Gestalten hockten vor dem Musikgeschäft mit der eigenartigen Gruseldekoration und tranken aus großen Flaschen.
Linthdorf zog sich zurück und verließ das Schlafzimmer. Der nächste Raum war wohl das Wohnzimmer. Ein großer, runder Tisch stand in der Mitte, Bücherregale ringsherum, zwei Korbsessel am Fenster, dazwischen eine kleine Konsole mit einer Musikanlage darauf. Ein Plattenspieler war aufgeklappt, eine schwarze Vinylscheibe lag noch auf, schon eingestaubt. Linthdorf suchte die Hülle. »Pogo Music« fand er unter dem linken Korbsessel. Die Platte war in den frühen Achtzigern gepresst worden. Er erinnerte sich schwach an die lauten Klänge der damaligen Zeit. Auch hier waren alle Bilder von den Wänden entfernt worden.
Ein Durchgang führte zu einem weiteren Zimmer, in dem ein großes Sofa stand, ein kleiner Glastisch und ein Fernseher. Auf dem Glastisch standen diverse Gläser, deren Inhalt schon lange verdunstet war und eine Schale mit Nüssen, viele geknackte Schalenteile lagen herum. Etwas klebrig war die Glasplatte, unter dem Tisch lagen diverse Damenschuhe mit hohen Absätzen. Bei zweien waren die Absätze abgebrochen. Auf dem Sofa waren mehrere kleine Kissen aufgestapelt. Alle schon etwas zerschlissen, aber wahrscheinlich selbst gemacht. Auch hier fehlten wieder die Bilder an den Wänden. Ein kleiner Teppich war mitten im Raum als dunkles Rechteck auf den abgezogenen Dielen zu sehen. Linthdorf vermied es, seine Füße darauf zu setzen.
Die Wohnung machte nicht den Eindruck, als ob sie verlassen worden war, und dennoch ging etwas zutiefst Trostloses von dieser stillen Welt aus. Ob das nun an den fehlenden Bildern lag oder an den von Staub bedeckten Dingen des Alltags oder an den vertrockneten Grünpflanzen, Linthdorf konnte es nicht genauer eingrenzen.
Er spürte es körperlich, dass hier etwas nicht stimmig war. Für eine Person allein war die Wohnung einfach zu groß, aber nichts deutete auf das Vorhandensein weiterer Menschen hin. Er spürte, dass hier noch die Schatten anderer Mitbewohner geblieben waren. Aber er schaffte es nicht, diese Schatten sichtbar zu machen.
Aus dem Wohnzimmer ging er wieder hinaus in den Flur. Noch zwei Türen waren zu öffnen. Wieder ein Raum, der allerdings fast vollkommen leer war. Eine Liege mit