Nixentod. Thomas L. Viernau
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Die verratene Nixe
Eine Nixe hatte sich beim wilden Spielen unter Wasser in der Reuse eines Fischers verfangen und zappelte nun hilflos im Netz. Als der Fischer, ein alter Mann, der stets mit dem Wenigen, was er hatte, zufrieden gewesen war, zu seiner Reuse kam und beim Einholen des Netzes bemerkte, was für ein kapitaler Fang ihm da geglückt war, begann die Nixe zu weinen. Der Fischer hatte Mitleid mit ihr und ließ sie frei. Die Nixe tauchte schnell zurück in ihr heimisches Gewässer, wedelte noch einmal kurz mit ihrer Schwanzflosse, als ob sie dem Fischer danken wollte.
Am nächsten Tage waren in der Reuse des Fischers die schönsten und größten Fische, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Er brachte seinen Fang zum Markt und alle bestaunten seine außergewöhnlich großen Hechte, Zander, Aale und Welse. Schnell hatte er seinen Fang verkauft und soviel erlöst wie noch nie zuvor. Zufrieden ging er nach Hause und legte sich schlafen.
Am nächsten Morgen fuhr er mit seinem Boot wieder zu seiner Reuse hinaus und wieder waren die Netze prall gefüllt mit außergewöhnlich großen Fischen.
Nach ein paar Wochen wurde schließlich der Marktvorsteher auf ihn aufmerksam. Er ließ den Fischer von seinen Marktbütteln beschatten. Doch die beiden Büttel konnten nichts Ungewöhnliches feststellen. Sie berichteten ihrem Herrn von der morgendlichen Ausfahrt des Fischers zu seiner Reuse, seiner Rückkehr mit den vielen Fischen im Boot und dem Verladen der Fische auf seinen Marktwagen.
Ärgerlich über diese Antworten ging der Marktvorsteher zum Fischer. »Hör mal Fischer! Es scheint nicht mit rechten Dingen zuzugeh’n bei deinem Handwerk. Bist du etwa mit dem Teufel im Bunde?«
Der Fischer erschrak: »Nein, nein! Ich bin ein redlicher Mann.« Der Vorsteher bedrängte ihn jedoch weiter und weiter bis endlich der Fischer, vollkommen entnervt von den dauernden Anschuldigungen, dem Vorsteher sein Erlebnis mit der Nixe berichtete.
Der Vorsteher, ein gieriger und skrupelloser Mann, fuhr mit seinen beiden Bütteln auf einem großen Kahn hinaus auf den See des Fischers. Mit großen Fangnetzen fischten sie im See, darauf hoffend, die Nixe zu fangen.
Plötzlich fing der See an zu brodeln. Ein großer Strudel zog das Boot des Vorstehers mit seinen beiden Bütteln hinab. Der Fischer beobachtete dies vom Ufer aus und erschrak gar fürchterlich. Als sich das Wasser wieder beruhigt hatte, erschien nur wenige Meter vom Ufer entfernt die Nixe für einen Moment.
Sie starrte den Fischer aus ihren großen blauen Augen an, sagte kein Wort und verschwand nach kurzer Zeit ohne noch einmal an die Oberfläche zurückzukehren. Von Stund an blieb die Reuse des Fischers leer.
Potsdam
Montag, 16. Januar 2006
Eine Woche war vergangen. Linthdorf hatte die Tage mit banalen Dingen verbracht: Suchmeldungen aus dem gesamten Bundesgebiet, Koordinierungsgespräche mit Kollegen aus Berlin, Berichte schreiben für den Chef. Abends war er erschöpft nach Hause gefahren.
Er lebte in Berlin, fuhr jeden Tag nach Potsdam mit der S-Bahn, den altersschwachen Daimler nutzte er hauptsächlich für Dienstfahrten ins Umland. Er hasste den Berliner Stadtverkehr. Hier wurde er bis in die Haarspitzen gereizt von den aggressiven Fahrern auf den Straßen der Hauptstadt. Es wurde gedrängelt, gehupt, gerast. Linthdorf kam sich jedes Mal vor als ob er im Autoscooter für Erwachsene unterwegs sei.
Also war er vor ein paar Jahren auf die S-Bahn umgestiegen, hier konnte er lesen, und das langsame Dahinruckeln beruhigte ihn. In letzter Zeit allerdings stiegen auch frühmorgens im Berufsverkehr die »Sänger« und Schnorrer mit zu und nervten mit ihren aufdringlichen Betteleien.
Der junge Moser war inzwischen schon in die nächste Abteilung versetzt worden. Die von ihm angefangenen Listen der Zahntechniker hatte Linthdorf auf seinem Tisch, dazu ein Vermerk, mit wie vielen Moser schon telefoniert hatte. Es blieben noch immer knapp sechzig Namen übrig. Seufzend schnappte sich Linthdorf das Telefon und begann die Liste abzuarbeiten.
Einem Anderen konnte er leider diese Arbeit nicht aufhalsen. Die Abteilung war chronisch unterbesetzt. Die vorhandenen Ermittler waren mit dem täglichen Aufkommen vollkommen ausgefüllt. Der Chef der Abteilung kam jeden Morgen und verteilte neue Aufgaben. Die Arbeitsgruppe für das Tötungsdelikt existierte im Moment nur auf dem Papier, die Verantwortung lag bei Linthdorf, und die zugesagten Einsatzkräfte ließen auf sich warten. Jeder hatte auf seinem Schreibtisch genügend Akten zu liegen. Er holte sich einen starken Kaffee, und begann seine Sisyphusarbeit.
Berlin-Wedding
Noch immer Montag, 16. Januar 2006
Am späten Nachmittag, inzwischen war die Liste auf fünfunddreißig Namen geschrumpft, hatte er Glück. Eine Zahntechnikerin aus dem Norden Berlins schien die Arbeit zu kennen. Jedes Mal musste nach dem Telefonat ein Fax mit der Zeichnung des Gebisses versandt werden. Daher dauerte auch die Bearbeitung der Liste so lange.
Jedenfalls rief diese Zahntechnikerin an und glaubte, ihre Arbeit zu erkennen. Linthdorf war wieder hellwach, notierte sich die Adresse und schwang sich in seinen Daimler. Die Zahnklinik lag irgendwo im tiefsten Wedding. Eine Gegend, die Linthdorf nicht sehr vertraut war. Sein Navigationsgerät schickte ihn durch noch nie gesehene Straßen, die fast durchgängig mit türkischen und libanesischen Geschäften gesäumt waren.
In einer etwas ruhigeren Seitenstraße hielt er an. Die Zahnklinik lag im ersten Stock eines alten Gründerzeithauses. Er stapfte die Treppe hinauf, es roch undefinierbar nach etwas Süßlichem. Kurzes Klingeln. Die Tür öffnete sich. Im bläulichen Neonlicht stand eine zierliche Frau mit straff gekämmten Haar und Designerbrille. Sie war sichtlich verwirrt von dem Riesen vor ihr. Linthdorf zückte seinen Dienstausweis.
»Haben wir miteinander telefoniert?«
»Sind Sie der Kripomann?«
»Ja, bin ich«
»Kommen Sie bitte!«
Linthdorf folgte der kleinen Person in ein Büro, das erstaunlicherweise eine sehr angenehme Helligkeit in warmen Farben ausstrahlte. An den Wänden waren farbige Reprodrucke von Impressionisten in einfachen Rahmen. Das Zimmer war mit Kiefernholzregalen möbliert, darin Ordner und Gipsmodelle von Zahnreihen. Hinter einem Schreibtisch saß eine vielleicht fünfzigjährige Frau mit gepflegtem Äußeren und ernster Miene. Linthdorf wollte gerade zu sprechen ansetzen, da hatte sie ihm schon eine Kladde hingelegt.
»Diese Frau ist die Besitzerin des Implantats, welches Sie mir gefaxt haben. Eine ziemlich aufwendige Arbeit.«
Linthdorf griff sich die Kladde, blätterte, notierte sich Namen und Anschrift. Er versuchte noch ein Gespräch mit der Zahntechnikerin anzufangen: »Erinnern Sie sich noch an die Frau?«
Sie zögerte, am Telefon hatte Linthdorf gesagt, es handele sich um ein Gewaltverbrechen.
»Sie ist tot?«
»Ja, wir fanden