Krähwinkeltod. Thomas L. Viernau

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Krähwinkeltod - Thomas L. Viernau

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      Irgendwo ertönte das schrille Sirren einer Kreissäge, die sich durch dickes Holz fraß. Ein paar Hunde bellten. Enten quakten ebenfalls. Es schien unmöglich für einen Fremden, unerkannt durchs Dorf zu gelangen. Jeder Ortsfremde wurde von den zahlreichen Haustieren sofort als solcher erkannt und entsprechend lautstark begrüßt. Außerdem gab es die unzähligen Krähen, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit nervös aufflogen und mit lautstarkem Gekrächze alle Dorfbewohner in Aufruhr versetzten.

      Falls der Täter durch das Dorf geflüchtet wäre, hätte wahrscheinlich ein ohrenbetäubender Lärm viele Bewohner geweckt. Vielleicht sollte Schwertfeger danach fragen, ob es zu ungewöhnlicher Zeit Rabenkrächzen, Hundegebell oder Entengeschnatter gab.

      Langsam marschierten die beiden Polizisten zum Passat. Linthdorf bekam eine Ahnung, was für eine fast unlösbare Aufgabe auf ihn wartete.

      Nix geseh’n – nix gehört! – hallte in seinem Innern wie ein permanentes Echo. Wer war der junge Bursche, der nur zweihundert Meter vom Dorf entfernt auf so brutale Art umgebracht worden war? Ein Einheimischer? Vielleicht wollte ja auch niemand ihn erkennen? Immerhin, zwei Häuser standen leer …, wer weiß, wie lange schon. Gehörte der Tote zu einem der leerstehenden Häuser? Er brauchte dringend die Liste. Heute würde er sowieso nichts mehr erfahren.

      Schwertfeger hatte in Wittstock ein Zimmer für ihn organsiert. Mal sehen, ob er noch ein passables Abendessen bekommen könnte. Sein Magen meldete sich inzwischen unmissverständlich.

      Das leere Haus

       Ein vergessenes Fleckchen Erde

      

       Endlos grüne Wiesen, darauf Schafe und ’ne Kuh,

       Kopfweiden am Wegesrand, und am Himmel

       große Vögel, ganz heiser schon vom ewigen Rufen,

       die eigentlichen Könige.

       Menschen gibt’s nur wenige, viele zogen fort,

       nur die Alten blieben zurück in ihren Dörfern,

       Kaffee schlürfend sitzen sie am Fenster,

       werfen sehnsüchtige Blicke hinauf

       in den Himmel zu den großen Vögeln,

       den eigentlichen Königen.

      I

      Siedlung Krähwinkel

      Dienstag, 2. Oktober 2007

      Die Hausnummer Sieben war nun schon seit fünf Jahren verwaist. Das Haus stand zum Verkauf, doch kein potentieller Käufer konnte sich bisher mit dem alten Bauernhof anfreunden. Möglicherweise waren die Vorstellungen seitens der jetzigen Besitzerin, einer entfernten Verwandten der ehemaligen Hauseigentümer, die irgendwo im tiefsten Hessen lebte, zu utopisch. Wer weiß, vielleicht hatte sie ja die hessische Preistabelle im Kopf gehabt beim Taxieren.

      Auf alle Fälle gab es für die Sieben keine Hoffnung auf baldige Änderung des Status Quo. Den Leuten im Dorf waren die Querelen um den Verkauf des Anwesens bekannt. Sie schüttelten den Kopf. Natürlich, je mehr Häuser leer standen, desto problematischer war es, neue Leute anzulocken. Die Sieben war nun schon das zweite Grundstück, dass seit Jahren unbewirtschaftet blieb.

      Am anderen Ende des Dorfes stand das Haus Nummer Eins, eigentlich mehr eine Ruine, denn ein Haus. Es war das alte Krähwinkel, das Vorwerk, welches dem Dorf seinen Namen gegeben hatte. Früher musste es einmal ein ansehnliches Gebäude mit Stallungen und einer gemauerten Umzäunung gewesen sein.

      Aus roten Backsteinen erbaut, zweistöckig, mit diversen Anbauten versehen, wirkte es aus der Ferne wie eine kleine Burg.

      Zum alten Krähwinkel gehörte eine Brennerei, die allerdings schon lange nicht mehr funktionierte. Sie stand etwas abseits direkt an der Landstraße, war inzwischen ein dachloses Geviert ohne Fenster und ohne Türen. Nur der große, viereckige Schornstein stand noch unerschütterlich an seinem Fleck, darauf ein großes Storchennest, welches schon verlassen war. Die Störche flogen bereits Anfang September wieder Richtung Afrika.

      Das Hauptgebäude war baupolizeilich gesperrt, Einsturzgefahr.

      Das Dach größtenteils verschwunden, nur das Gebälk gab dem Gebäude noch so etwas wie eine Idee seiner früheren Würde.

      Die Dorfbewohner konnten sich nicht mehr daran erinnern, dass jemals Leute in dem Vorwerk lebten. Man munkelte, dass gleich nach dem Krieg ein paar Flüchtlinge aus Ostpreußen dort gehaust haben sollten. Sie wären aber nicht lange geblieben. Schon damals war das Vorwerk eine Ruine.

      Später erzählte man sich Spukgeschichten über den Bau. Dunkle Gestalten würden darinnen umgehen und es roch auch immer nach Schwefel. Als ob der Teufel höchstpersönlich ein- und ausgehen würde.

      Die vielen Raben, die neuerdings im Dorf gesehen wurden, kämen alle aus dem verfallenen Vorwerk. Dort würden sie nisten und dorthin würden sie sich zurückziehen, wenn wieder einmal ein erboster Dorfbewohner ihnen mit dem Luftgewehr nachstellte.

      Dieses Schicksal sollte die Nummer Sieben nicht erleiden. Zumal die Sieben mitten unter bewohnten Häusern stand. Nebenan die Sechs war auch nur zeitweise bewohnt. Die beiden alten Leutchen, die Baierstedts, waren ins Pflegeheim eingewiesen worden und der Schwiegersohn hatte im fernen Angermünde ein Haus gebaut, kam nur noch ab und an, um nach dem Rechten zu sehen. Im Sommer wollte er das Haus als Ferienwohnung vermieten, aber bisher gab es keinerlei Interessenten. Auf alle Fälle kümmerte er sich um Hof und Garten. Die Sechs machte daher auch nicht den verwahrlosten Eindruck, den inzwischen die Sieben bot.

      Linthdorf hatte den Plan der Siedlung vor sich ausgebreitet. Alle Grundstücke waren fein säuberlich nummeriert und mit ihren Besitzern beschriftet. Daneben lag die ausgedruckte Liste der Bewohner des Dorfes. Schwertfeger hatte ihm gleich am Morgen die Liste mit einem schuldbewussten Gesicht ausgehändigt. Daraufhin war der Kommissar losgefahren. Allein.

      Den Weg kannte er nun. Kurz nach Zehn traf er mit seinem SuV im Dorf ein, parkte den Wagen hinter der verlassenen Brennerei und holte den Plan hervor.

      Er studierte den Plan, verglich immer wieder die Anwesen auf dem Papier mit denen der Wirklichkeit. Langsam entstand ein Bild des Dorfes in seinem Kopf. Die Menschen, die es bevölkerten, bekamen einen Platz zugewiesen, wurden von Linthdorf mit den entsprechenden Häusern, Autos und Gärten zu lebendigen Personen. Wo sollte er anfangen?

      Die Leiche war am Ausgang des Dorfes gleich hinter dem Ortsschild gefunden worden. Das nächstgelegene Grundstück war die Nummer Zwölf. Linthdorf überprüfte in seiner Liste, wer dort wohnte. Herbert Golm, Lehrer, sechsundsechzig Jahre, pensioniert. Die meisten Leute des Dorfes waren Rentner.

      Linthdorf kannte das Problem. Brandenburgs ländliche Regionen waren tickende Zeitbomben. Die biologische Uhr lief gnadenlos ab. Nach der Wende hatte sich eine ganze Generation aufgemacht, ihr Glück im Westen zu suchen. Zurück blieben neben den Alten die damals Fünfzigjährigen, die an ihrem Besitz hingen und die beruflich keine größeren Ambitionen mehr hatten.

      Achtzehn Jahre nach der Wende waren die

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