Depeche Mode - Die Biografie. Steve Malins
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Dreaming Of Me
1981
Im Februar 1981 veröffentlichte Stevo sein lang erwartetes Traumprojekt, das Some Bizzare Album. Es war eine fantasievolle, eklektische Platte, die über die monochromatischen, roboterhaften Vorstellungen hinausging, die man mit dem Popfuturismus verband. Das Programm begann mit dem hübschen, mutigen Minimalismus des Titels „Sad Day“ von Blancmange, der sich sehr von den späteren Hits des Duos wie „Living On The Ceiling“, „Blind Vision“ und „Waves“ unterschied. Neben Depeche Mode feierte auch das Duo Soft Cell auf der Platte mit dem psychopathischen Song „The Girl With The Patent Leather Face“ sein Debüt, ebenso wie Matt Johnsons Formation The The, die einen namenlosen Track mit kahlem Gesang und paranoider urbaner Atmosphäre beisteuerte. Bill Nelson, früher bei Be Bop Deluxe, war unter dem Namen Eric Random mit dem Song „I Dare Say It Will Hurt A Little“ dabei. Aber viele der anderen Acts – zum Beispiel Neu Electrikk und Naked Lunch – waren obskur und blieben dies auch.
Chris Bohn vom New Musical Express schrieb über „Photographic“ von Depeche Mode, der Song sei „sehr selbstsicher und sauber strukturiert mit seinen verzweigten Synthie-Melodien, die teilweise durch die futuristischen Texte im Stil der Dreißigerjahre verunziert, aber vom anhaltenden Beben eines Leitmotivs gerettet werden“.
Auf dem Some Bizzare Album dominierten einige „futuristische“ musikalische Konventionen jener Zeit: Die meisten elektronischen Klänge wirkten nackt, minimal und symmetrisch; primitive Drum Machines trieben die Songs mit einer seltsamen und ruckartigen Wucht voran; die Do-it-yourself-Produktionen begünstigten seltsam losgelöste, monotone Laute der verschiedenen Sänger. Nichtsdestotrotz war diese „futuristische“ Popmusik wirklich etwas ganz anderes als die fröhlich verspielten, aber musikalisch konventionelleren Töne der New Romantics. „Wir waren Futuristen“, sagte Dave Gahan etliche Jahre später, „denn wir hatten mit Leuten zu tun, die individuell sein wollten. Die New-Romantics-Zeit bedeutete, dass alle Leute gleich aussahen, auch wenn sie sich noch so extravagant gaben. Die Futuristen waren eine Weiterentwicklung des Punk. Und das waren damals unsere Fans.“
Fast zwanzig Jahre später spricht Stevo leidenschaftlich über die Verbindung zwischen Some Bizzare und der Kunstrichtung der Jahrhundertwende: „Niemand wollte sich wirklich Futurist nennen lassen, denn das hieß, dass man keinen Sinn für Humor hatte und ein Science-Fiction-Besessener war.“ Anfang 1981 hatte Gary Numan schon zwei Jahre lang seinen Zuhörern düstere, totalitäre Sci-Fi-Musik geboten und damit sein eigenes Image als Futurist geschaffen. „Nur weil wir Synthesizer spielen“, sagte Gahan 1981, „erwartet man von uns, dass wir die Leute seltsam anstarren und nie lächeln.“ Fletcher pflichtete bei: „Wir haben ein Publikum, das Synthesizer mit düsterer Stimmung der Musiker gleichsetzt. Viele Numan-Fans kamen zu unseren Gigs.“ Aber Depeche Mode erfüllten ganz und gar nicht deren Erwartungen. Die Band war in keiner Weise „Sci-Fi“, und Gahan stand zwar recht still auf der Bühne, machte aber keineswegs den Eindruck, als sei er weggetreten, abwesend oder nicht ganz von dieser Welt.
Trotz aller widersprüchlichen Kommentare zur Platte sahen sich die britischen Medien anlässlich des Beitrags von Depeche Mode veranlasst, die Gruppe erstmals näher in Augenschein zu nehmen. Betty Page von Sounds schrieb Anfang 1981 den ersten längeren Artikel, in dem sie den Begriff „Futurist“ von der Vorstellung des todessehnsüchtigen, elitären Kunstbeflissenen löste: „Macht euch frei von der unerträglichen Idee, dass Futuristen entweder gelangweilte Muttersöhnchen sind, die mit teuren Instrumenten herumspielen, oder tödlich ernste Avantgardisten, die das Evangelium von Kafka predigen. Die derzeitige Welle von Electronic-Bands ist ein echtes Basisphänomen – immer mehr muntere junge Männer und Frauen schnappen sich statt billiger Gitarren lieber Synthesizer und Drum Machines, um damit preisgünstige Musik zu machen.“
Als Page die Band interviewte, hatten Depeche Mode schon die Aufmerksamkeit größerer Plattenfirmen auf sich gelenkt, die bei den Indies vielversprechende Talente suchten. Daniel Miller weiß noch: „Sehr bald, nachdem wir beschlossen hatten, zusammen eine Single zu produzieren, und noch ehe die Scheibe wirklich herauskam, war die Band in der Presse schon so häufig erwähnt worden, dass einige große Firmen hinter ihr her waren und eine Menge Geld boten. Der übliche Spruch dieser Leute war: ‚Natürlich sind Mute ein fabelhaftes Label, aber da werdet ihr doch nie einen Hit bekommen, denn die Leute haben ja gar keine internationalen Verbindungen.‘“
Depeche Mode lehnten diese Angebote ab und vertrauten auf Miller, der sich als sehr geschickt handelnder Karriere- und Musikmentor erwies. Vince Clarke sagte dazu im Magazin Sounds: „Wir hatten bei Mute eine größere Chance. Daniel hat uns gut behandelt, und wir mochten seine Art. Wir hörten uns die Angebote anderer Plattenfirmen an, beschlossen dann aber, bei ihm zu bleiben. Mit den Silicon Teens hatte er großen Erfolg, und wir fühlten uns diesem leichtgewichtigen Sound irgendwie verwandt. Für solche Dinge hat Daniel eine gute Nase. Leider wird er oft unterschätzt.“ Der ziemlich weltgewandte Miller empfand es seinerseits als seine Verantwortung, „das Bestmögliche für Depeche Mode zu tun. Für Mute Records und die ganze alternative Seite der Industrie war es auch höchst wichtig, uns nicht in das Getto einer kleinen Seitenlinie der Musik drängen zu lassen. Sonst wären wir am Ende nur noch eine frei verfügbare A&R-Quelle für die Großfirmen geworden. Wir wollten unser Label weiterentwickeln und mit Künstlern über lange Zeiträume arbeiten.“
Clarkes offenbar fester Entschluss, dass Daniel Millers Label das richtige für Depeche Mode war, besiegelte die unmittelbare gemeinsame Zukunft. Als einziges hauptberufliches Mitglied der Band – die anderen hatten ja immer noch Jobs oder gingen aufs College – trieb Vince die anderen an, die sich entweder noch nicht entschließen konnten oder einfach untätig blieben. Martin Gore stimmte zwar mit Clarke und Miller überein, aber wer weiß, ob die Band bei Mute Records geblieben wäre, wenn Clarke, Miller und Gore nicht einen leichten, aber unablässigen Druck auf die anderen Bandmitglieder ausgeübt hätten. Gores Kommentar dazu 1988: „Warum schlossen wir nicht mit einer der großen Firmen ab? Es wäre doch sehr verlockend gewesen. In der Rückschau fällt mir eigentlich nicht so recht etwas ein, weshalb wir es nicht taten, aber es war letztlich zu unserem Glück. Kann man sich vier achtzehnjährige Knaben ohne einen Penny vorstellen, denen Summen in Höhe von zweihunderttausend Pfund geboten werden? Aber unsere Entscheidung, bei Mute zu bleiben, war die beste, die wir je getroffen haben.“
Daniel Miller war sich sehr wohl über das fügsame Wesen von Gore im Klaren – es wurde sogar Gegenstand eines Witzes innerhalb der Band: „Martin scheut vor Entscheidungen zurück, also lässt er die Dinge eher an sich vorbeiziehen, als dass er einen Einwand erhebt. Wir nannten dieses Verhalten immer das ‚Arsenal-Syndrom‘, denn als wir uns näher kennenlernten, erzählte er uns einmal eine Geschichte dazu. Wir redeten gelegentlich über Fußball und wer Fan von welchem Club war. Da sagte er: ‚Ich glaube, ich bin ein Arsenal-Anhänger.‘ Ich fragte: ‚Wie meinst du das?‘ Da berichtete er, er sei immer mit dem Vater eines Freundes zu den Spielen von Arsenal gegangen, und er fügte hinzu: ‚Eigentlich machte mir das in den letzten fünf Jahren gar keinen Spaß mehr, aber ich wollte es nicht sagen, also ging ich weiter mit.‘ Das sagt eigentlich alles über Martin aus. Er setzt sich nicht mit Dingen auseinander. Lieber langweilt er sich jeden Samstagnachmittag zu Tode, als dass er jemanden vor den Kopf stößt, indem er sagt, dass