Depeche Mode - Die Biografie. Steve Malins

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Depeche Mode - Die Biografie - Steve Malins страница 13

Depeche Mode - Die Biografie - Steve  Malins

Скачать книгу

England wird man danach beurteilt, woher man stammt“, sagt Miller. „Das hat viel mit der Klassengesellschaft zu tun, die es hier noch immer gibt. Der eine ist aus Manchester, der andere aus Birmingham, aber es ist eben viel cooler, aus Manchester zu kommen als aus Birmingham. Weiß der Teufel, warum. Basildon hat ein Image, das irgendwie gar nicht stimmt. Auch ich glaubte einst, das sei ein nettes, kleines Provinzstädtchen, doch dabei ist da ganz schön was los.“

      Im Gegensatz zu den abgehobenen, bewusst ironischen Synthie-Rivalen wirkten Depeche Mode eher wie eine charmante, naive Popband. Gahan sagte einmal zu einem Journalisten: „Wir sind P. U. – Pop und Up.“ Und Vince Clarke korrigierte ihn: „Eigentlich heißt es U. P. – Ultra Pop.“ Die Kritiker reagierten auf die Band genau so, wie Miller es gewollt hatte – wie auf die fleischgewordenen Silicon Teens, eine Teenagerband, die mit neuer Technik arbeitet und das genießt, ohne deshalb eine Science-Fiction-Atmosphäre oder die Wichtigtue-rei kunstbeflissener Studenten um sich zu verbreiten. Und Steve Sutherland schwärmte: „So ziemlich die perfekteste Popgruppe, die ich in dieser Saison erlebt habe. Die haben Songs drauf, die gescheit, aber naiv, intensiv, aber idiotisch zwei Minuten lang zeigen, wie hoch sie über dem immer mehr anwachsenden Rudel von Synthie-Nachahmern stehen. Bescheiden genug, sich an die Spielregeln zu halten, aber brillant genug, diese Regeln auch einmal zu brechen.“

      Von Ende 1980 bis 1983 durchlief die britische Musik eine besonders kreative Periode, als sich Burleske, Ironie, Humor, Ehrgeiz, Innovation, Technik und Mode in allen möglichen fantastischen Popstars und Popsongs ausdrückten – alle mit dem Gefühl des eingebauten schnellen Überalterns. Eine jener für diese Ära typischen extremen Gruppen waren Adam and The Ants, die sich aus einer erfolglosen Punkband mit dem Hit „Dog Eat Dog“ von 1980 zu einer aufgedonnerten Indianertruppe mit zwei Schlagzeugern und einem total blödsinnigen Songtext entwickelte. Ein Jahr später sagte es Adam Ant ganz deutlich im Text der Single „Prince Charming“: „Lächerlichkeit ist nichts, wovor man sich zu fürchten braucht.“

      Ebenso überraschend meldete sich die Underground-Electronic-Band The Human League im Mai 1981 mit neuem Image als gewitzte „electronic Abba“ zurück, und Sänger Phil Oakey stand ganz offen zu seinen Ideen bestmöglicher Vermarktung: „Ich trage Make-up, denn die Leute hören zu, wenn ich Make-up trage oder eine lächerliche Frisur mit langen Haarsträhnen auf der einen Kopfhälfte und kurz geschoren auf der anderen habe. Das ist nur ein dummer Trick, aber wenn das nötig ist, damit die Leute hinhören, dann müssen wir es eben machen. Je mehr Leute uns hören wollen, umso besser. Nur gepiercte Brustwarzen sind ein Problem. Denn dauernd rufen mich kleine Mädchen an und wollen wissen, wie man das macht.“

      Von allen Postpunkbands, die nach Jahren der Glaubwürdigkeit und der Armut versuchten, in die Charts zu kommen, wandelten sich The Human ­League am gewagtesten. Fast über Nacht fanden die Medien, dass es okay sei, Platten zu verkaufen, als ob es kein Morgen gebe. Besonders jene neuen Gruppen rühmten sich ihres Punkhintergrunds, ihrer Fähigkeit zum „Do it yourself“, und sie schienen sich darüber klar zu sein, dass sie eher Eintagsfliegen waren. Martin Rushent, der Produzent von The Human League, der am Hitalbum Dare! von 1981 entscheidend mitgewirkt hatte, meinte damals zur neuen Technik: „All das neue Equipment ist ein großer Gleichmacher, der das ganze Geschwätz von der Virtuosität überflüssig macht.“

      Soft Cell erlebten den Durchbruch 1981 mit einer Coverversion der alten Northern-Soul-Hymne „Tainted Love“, über die der NME schrieb: „Perfekt – die funktionellen Töne des Electro-Pop, geschüttelt und neu geformt zum Klang einer vergessenen Jukebox.“ Das Stück wurde Nummer 1 und machte Marc Almond zu einem ungewöhnlichen Popstar: „In der Schule war ich nicht besonders toll. Wie ich das überlebt habe, das brachte die Leute oft zum Lachen“, behauptete er. „Mich interessiert der Verlierer, der kämpfen muss, um nicht unterzugehen. Am wohlsten fühle ich mich bei Außenseitern.“ Die Musikjournalistin Mary Harron war von der Bereitschaft von Soft Cell, Schwächen zu zeigen, beeindruckt und schrieb treffend: „Nach der blasierten Rühr-mich-nicht-an-Vorstellung der New Romantics von Coolness war Marc Almond geradezu eine Inspiration, denn es gelang ihm nie, ein richtiges Image zu vermitteln, meist misslang es ihm schmählich, aber das war ihm völlig egal. Und weil er ein richtiger Popstar war, konnte er dem Versagen sogar Glanz verleihen. Das Video zum Song ‚Bedsitter‘ kombinierte Bilder von zerknitterten Klamotten auf dem Fußboden, Schalen mit Cornflakes und schmutzigen Teetassen mit der romantischen Vorstellung, zum Tanzen auszugehen und alles andere zu vergessen: Die Wirklichkeit einer einsamen und schmuddeligen Jugend und der Mythos der Clubszene verbanden sich, sodass es wie ein leicht erreichbarer Traum wirkte.“

      Die niedliche, jugendliche Perversität von Soft Cell, die smarte Aufnahme von zwei ganz normalen Sheffield-Mädels als Backgroundsängerinnen bei Human League, Strickpullis und ernste Stimmen von OMD und der engelhafte Synthie-Pop von Depeche Mode, das alles stand in einem krassen Gegensatz zu den hochnäsigen und anspruchsvollen New Romantics – angefangen von Steve Stranges Spruch, er habe schon immer „anders und Avantgarde“ sein wollen, bis zum „Bonmot“ von Simon Le Bon von Duran Duran, das Beste am Berühmtsein sei doch, dass man „vierundzwanzig Stunden am Tag Räucherlachs essen“ könne.

      Die vom Pop angetriebene Atmosphäre war ideal für die ganz normalen Teenagerambitionen von Depeche Mode. Im Juni 1981 spielten sie ihre nächste Single ein, „Just Can’t Get Enough“, ein neuer ansteckender Ohrwurm. Es gab dabei eine Verzögerung, weil sie vergessen hatten, vor der Aufnahme ihre Instrumente zu stimmen, und erst später merkten, dass auf dem Tape nichts richtig zueinanderpasste. Aber das schadete nichts, denn solange „New Life“ noch in den Charts war, mussten sie ohnehin noch bis zum Herbst warten, ehe sie die neue Single herausbringen konnten.

      Als das neue Stück fertig war, brach die Gruppe zu einer kurzen Tournee auf, um in Clubs in Brighton, Manchester, Leeds und Edinburgh zu spielen, wo ihr Publikum aus einer Mischung von New Romantics und ein paar Pop-fans bestand. Daryl Bamonte erinnert sich: „Erst als ihr Album Speak And Spell herauskam, hatten sie ein regelrechtes Teenagerpublikum. 1981 galten sie noch als ziemlich hip. Daniel Miller übernahm weitere Jobs bei Depeche Mode: Nun war er nicht nur Chef der Plattenfirma, A&R-Mann, Produzent und Freund – er ging auch mit ihnen auf Tournee. „Damals war ich auch Fahrer, Tour­manager und Toningenieur.“

      Im August kam der NME mit einem Titelbild von Depeche Mode, fotogra­fiert von Anton Corbijn, heraus, auf dem Dave Gahan verschwommen und die anderen hinter ihm scharf zu sehen waren. „Ich war sehr enttäuscht“, sagt Gahan. „Ich stand zwar ganz vorn, aber nur unscharf. Das fand ich ziemlich gemein. Ich war ganz außer mir wegen des Fotos. Ich weiß noch, dass ich dachte: ‚So ein Bastard! Hat mich extra undeutlich geknipst!‘“ Das Interview im Blatt hatte Paul Morley geführt. Er zeichnete die Band positiv als intellektuelle Note des New-Pop-Phänomens, wobei er allerdings Vince Clarke, der nicht dabei war, als „deprimiert“ bezeichnete. Der stille und etwas seltsame Songwriter der Band äußerte sich damals nicht dazu, aber später gestand er, dass er sich durch die Routine einer erfolgreichen Popband eingeengt fühlte. „So, wie das Ganze lief, führte es dazu, dass ich meinen Enthusiasmus verlor. Es war wie eine Fließbandproduktion geworden, und das gefiel mir gar nicht. Die Technik und unser Spiel waren zwar viel besser, aber trotzdem war ich nicht zufrieden und fand, dass uns viele Dinge am Experimentieren hinderten. Wir hatten zu viel zu tun, jeden Tag gab es irgendwas Neues, Wichtiges, sodass wir keine Zeit mehr hatten, einfach rumzuspielen.“

      Die Jungs aus Basildon standen jetzt an einem gefährlichen Punkt ihrer Karriere, denn die gesamte Musikindustrie behandelte sie wie nette kleine Spinner und ihre Musik wie eine Marotte. Ihr Radiopromoter Neil Ferris war zwar ungeheuer erfolgreich, indem er der Band tagsüber zu immer mehr Airplay verhalf, aber er hatte kein Interesse daran, der Gruppe mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Die Musikpresse freute sich über ihre unschuldige Naivität, die natürlich nur sehr kurzlebig sein konnte, und Daniel Miller war entschlossen, zu beweisen, dass Mute eine Popband unter Vertrag haben konnten, die ständig Hits herausbrachte. „Vielleicht haben sie damals zu viel mit der Presse und dem Fernsehen gemacht“, räumt

Скачать книгу