Depeche Mode - Die Biografie. Steve Malins

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Depeche Mode - Die Biografie - Steve  Malins

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bewogen mich, nun auch etwas für mich zu tun – und wenn auch nur zum Spaß. Ehe ich in die Schweiz ging, hatte ich schon beim Film gearbeitet. Also verdingte ich mich nach meiner Rückkehr wieder beim Film, um ein bisschen Geld zu verdienen. Ich hatte die verrücktesten Arbeitszeiten, aber ich konnte mir dann einen billigen Synthesizer und eine Vierspurbandmaschine leisten.“

      Miller gründete seine eigene One-Man-Band, The Normal, und nahm zwei Songs auf, „T.V.O.D.“ und „Warm Leatherette“, inspiriert von J. G. Ballards Roman Crash und später von Grace Jones interpretiert. „Ich glaube, ich nannte das Projekt The Normal, weil ich jegliches Geheimnis darum vermeiden und den Namen ganz simpel klingen lassen wollte“, sagt Miller, der sich nur sehr selten interviewen lässt. Sein rätselhaftes Projekt rundete er ab, indem er noch ein eigenes Label für seine Musik gründete: Mute Records.

      Der unauffällige Musiker hatte kein Interesse, mit seinem Material an eine der großen Plattenfirmen heranzutreten. „In den Musikzeitschriften gab es viele Artikel darüber, wie man seine eigene Single aufnehmen konnte“, entsinnt er sich. „Es war ganz einfach und nicht allzu teuer, ein paar Testpressungen zu machen, also tat ich das.“ Der selbst ernannte Labelchef hatte indes keine Ahnung von Vertrieb und Verkauf und landete deshalb eines Tages im Rough-Trade-Laden in der Londoner Portobello Street. Ursprünglich war dieser Laden eine wichtige Verkaufsstelle für Punk- und Indie-Platten gewesen, aber seit 1978 hatte sich Rough Trade zu einem Plattenlabel und Vertriebsnetz erweitert, das die Karrieren von Künstlern wie Cabaret Voltaire, The Fall und Augustus Pablo förderte.

      Daniel Miller spazierte also in diesen Laden und sagte, er habe eine Testpressung seiner Single und ob man daran interessiert sei, wenn er noch mehr Kopien davon machen lasse. „Ich traf den Boss von Rough Trade, Geoff Travis, und wir gingen ins Hinterzimmer. Dann spielten sie ‚Warm Leatherette‘, und ich dachte ‚Ogottogott!‘, denn bis zu diesem Moment hatte ich noch nie jemandem meine Musik vorgespielt. Aber die Rough-Trade-Leute waren sehr angetan von dem, was sie hörten, und wollten mich bei der Pressung von zweitausend Kopien unterstützen, wenn ich ihnen den Vertrieb überließe. Und so machten wir es dann auch. Die Single kam im Mai 1978 heraus, bekam einige gute Kritiken und war schon sehr bald ausverkauft.“

      Der scheue, zurückhaltende Miller sagt, er sei „bestürzt“ gewesen über den Beifall der Kritik für sein Erstlingswerk, und er beschloss, seine Möglichkeiten weiter auszuloten: „Mit der Zeit lernte ich die Leute bei Rough Trade richtig gut kennen. Ich hielt mich oft im Laden auf und half ihnen aus. Dann bekam ich das Angebot, live aufzutreten und zu spielen, und dachte mir gleich: ‚Das schaffst du niemals allein.‘ Ich hatte kurz zuvor Robert Rental kennengelernt, der ebenfalls Synthie-Musik in seinem Schlafzimmer fabrizierte. Wir freundeten uns an und beschlossen, eine kleine Gruppe eigens für diesen Gig zu gründen, bei dem keiner von uns beiden allein auftreten mochte. Organisiert hat das Ganze übrigens DJ Colin Favor, der jetzt Techno-DJ ist, als eine Art Feier zu Ehren des neuen Genres der Electronic Music. Außer uns waren noch Throbbing Gristle und Cabaret Voltaire dabei.“

      Aus diesem einen Gig wurde eine Rough-Trade-Tournee, wobei Miller und Rental als Vorgruppe von Stiff Little Fingers spielten. „Das war zwar anstrengend, machte uns aber dennoch viel Spaß“, sagt Miller. „Wir kamen dabei höchst miserabel an. Stiff Little Fingers waren eine konventionelle Punkband, während wir beide nur mit Synthesizern und einem Playback-Tape auf die Bühne kamen und eigentlich nur Lärm machten, denn wir spielten ja keine richtigen Songs.“ Als Miller von der kurzen Tournee wieder nach Hause kam, fand er einen Berg von Demo-Tapes vor – von Musikern, denen The Normal gefallen hatte und die nun ebenfalls mit Mute ins Geschäft kommen wollten. „Ein Tape gefiel mir wirklich. Es war von einem Sänger namens Fad Gadget. Der Beschluss, mit ihm zusammenzuarbeiten, wurde zu einem Wendepunkt für mich.“

      Fad Gadget war die Schöpfung des Kunststudenten Frank Tovey aus Leeds, der düstere Elektronik mit schwarzhumorigen Schilderungen städtischen Lebens mischte. Seine Single „Back To Nature“ war 1979 die nächste Scheibe, die nach The Normal auf dem winzigen Mute-Label erschien, das Miller von seiner Wohnung im Nordwesten von London aus betrieb. Während die nächsten Singles erschienen, „Ricky’s Hand“ und „Fireside Favourites“, entwickelte der innovative Fad Gadget einen harten, rhythmischen Synthie-Stil und eine extreme, selbstzerstörerische Bühnenpersönlichkeit, mit der er seiner Zeit weit voraus war. Trent Reznor von Nine Inch Nails zum Beispiel schuldet dem schöpferischen Einfluss von Frank Tovey Dank, obschon Fad Gadget längst nicht mehr existiert und als Toveys Alter Ego vergessen ist.

      Im Lauf des folgenden Jahrs gaben Mute experimentelle Platten von Non heraus. Hinter diesem Namen verbarg sich der aus San Francisco stammende Musiker Boyd Rice, der kompromisslose Außenseiter-Synthie-Musik machte. Darunter waren auch Singles, in deren Mitte Rice persönlich vier Löcher zur „multiaxialen Umdrehung“ bohrte und die sich in verschiedenen Geschwindigkeiten abspielen ließen. Das erste Mute-Album war Die Kleinen und die Bösen von der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft (DAF), eine LP mit minimalistischer elektronischer Tanzmusik, die spätere Trends wie Industrial und Techno beeinflusste.

      Daniel Miller erfand auch die Silicon Teens, eine imaginäre, jugendliche Synthie-Band, die angeblich die Popkultur neu definierte, indem sie ein Album klassischer Rock’n’Roll-Songs herausbrachte, darunter „Memphis Tennessee“ von Chuck Berry und „Just Like Eddie“ von Heinz. Music For Parties von den Silicon Teens wurde ein Kultfavorit – einige große Plattenfirmen machten Mute sogar Angebote, die Silicon Teens zu übernehmen, wobei sie natürlich nicht wussten, dass es eine solche Band überhaupt nicht gab. Das bestätigte Millers Überzeugung, dass eine neue Form von Teenagerpopgruppen, die ausschließlich Synthesizer spielten, Anfang der Achtzigerjahre aufkommen werde.

      Miller räumt wohl ein, dass Gary Numan der erste Solostar des Synthie-Pop war. Er weist aber darauf hin, dass auf Numans Alben auch Gitarren, Schlagzeug und Saiteninstrumente zu hören sind: „Numan war gut, und er ließ sich auch weitgehend auf die elektronische Popkultur ein. Ich mochte das Album Blue von Tubeway Army, das anfänglich auf blauem Vinyl herauskam. Es war eine wirklich gute Platte, aber für mich als Puristen nicht rein genug, denn da gab es immer noch Schlagzeug und Gitarre.“ Miller erläutert weiter: „Synthie-Pop-Musik war historisch unvermeidbar. Etwas Derartiges hatte es noch nie gegeben, aber dann kamen plötzlich viele Singles fast gleichzeitig heraus. Sie alle entstanden aus der Liebe zu elektronischer Musik, mit billigen Synthesizern und dank der Inspiration durch Punk.“

      Millers Leidenschaft für innovative Synthie-Künstler machte ihn zum offenkundigen Ansprechpartner, als Depeche Mode Ende 1980 zu Rough Trade kamen. „‚Wie wär’s denn mit diesem Mann?‘, sagten sie und zeigten auf Daniel, der gerade ins Büro gekommen war“, erinnert sich Gahan. „Doch er warf uns nur einen Blick zu, murmelte ‚Igittigitt‘ und ging sofort wieder raus, wobei er die Tür hinter sich zuknallte.“ Und Vince Clarke ergänzt: „Verschiedene Leute hatten uns schon gesagt, was wir machten, sei nicht ihre Art von Musik, aber wir sollten es doch mal Daniel vorspielen, weil der sein eigenes Label aufbaute. Aber Daniel war wirklich schlecht drauf, als wir ihm bei Rough Trade begegneten. Und so sagte er nur, es gefalle ihm nicht, und stürmte davon.“ Clarke und Gahan berichteten Martin Gore nach ihrem Besuch bei Rough Trade, Daniel Miller sei ein „reichlich grantiger alter Bastard“. Für Gore, einen Fan von Fad Gadget, war Miller aber ein Idol.

      Zwanzig Jahre später erzählt Miller gern seine Version der Geschichte: „Es war im Herbst 1980, und irgendwas war bei der Herstellung der Plattenhülle für eine Fad-Gadget-Single schiefgelaufen, worüber ich mich furchtbar ärgerte. Scott Piering, einer der wichtigsten Promoter im Land, der bei Rough Trade arbeitete, wollte mir ein Tape geben, weil er meinte, ich hätte vielleicht Interesse daran. Aber ich sah diese vergammelt aussehenden New-Romantics-Typen da rumsitzen und rannte raus, und das war alles. Ich habe mir das Tape noch nicht einmal angehört, ich sagte nur: ‚Keine Zeit, hab’s eilig!‘“

      So verpasste Miller seine erste Gelegenheit, und Stevo kam zum Zug, der gerade seine eigene Plattenfirma, Some Bizzare, aufmachte, um seine lang geplante Compilation

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