Ein verlorenes Paradies. Monika Dahlhoff
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Alles war so schnell gegangen, dass mir keine Zeit geblieben war, darüber weiter nachzudenken, warum dieses alles geschah. Vorsichtig hörte ich nach draußen und erschrak, es wurde geschossen. Das verstand ich jetzt nicht, hatte Mama nicht, als sie zu ihrer Schwester gefahren war, gesagt, bei Oma und Opa gibt es keinen Krieg. Jetzt aber darüber weiter nachzudenken, war keine Zeit. Plötzlich wurde unsere Türe aufgestoßen. Vor Schreck versteckte ich mich hinter Opa und hielt mich an seinem Bein ganz fest. Da waren sie, die Soldaten mit ihren hässlichen Gewehren, die sie auf uns hielten und wie die Wilden damit herumfuchtelten. Elsa hatte sich plötzlich schützend vor uns gestellt und zeigte böse ihre Zähne. Ein Knurren war sogar von ihr zu hören.
Was nun geschah, ging alles sehr schnell, ich hörte noch einen Knall und sah meine Freundin Elsa mit einem großen Bums zur Erde fallen.
Ich stürzte hinter Opa hervor, an dem ich mich noch immer festgehalten hatte, schmiss mich auf Elsa, schrie und weinte. Ich sah aus ihrem Kopf das Blut auf den Boden fließen und hielt sie fest umklammert, doch fühlte ich, dass ich meine Freundin Elsa nun für immer verloren hatte. Während ich so weinte, Elsa immer wieder streichelte, hörte ich aus weiter Ferne Opas Stimme: „Nein, das Kind nicht, nehmt mich mit.“ Doch in diesem Moment fielen zwei Schüsse, Oma und Opa fielen neben mir und Elsa blutend auf den Boden. Meine Rufe nach ihnen konnten sie nicht mehr hören, sie waren tot.
Lange konnte es nicht gedauert haben, dass ich so über meinen geliebten Großeltern und meiner Freundin Elsa gelegen hatte. Denn plötzlich wurde ich grob von einem Soldaten heruntergerissen, auf einen Lastwagen geworfen, auf dem schon viele Kinder waren, die verzweifelt nach ihren Eltern riefen. Bevor mich die Soldaten auf den Lkw zu den Kindern warfen, sah ich noch unser geliebtes Gut in Flammen stehen.
Dieses war leider eine sehr traurige Geschichte, von der ich dir, lieber Leser, heute aber nichts mehr erzählen möchte. Doch die Liebe zu meinen Großeltern und meiner Freundin Elsa vergaß ich bis heute nicht. Sie blieben für immer in meinem Herzen und in der Erinnerung.
Wie sagt man, Erinnerungen sind wie die Wellen des Meeres. Wenn mir manchmal Zeit zu einem Gebet bleibt, bitte ich den lieben Gott, dass es Oma, Opa und Elsa im Himmel gut haben und bei meinem Papa sind, der am Himmel als der hellste Stern leuchtet.
Inzwischen war sehr viel Zeit vergangen. Ja, die russischen Soldaten hatten mich und viele Kinder auf ihren Lastwagen auf eine lange Reise bei Eis, bösem Sturm und Schnee, nach Sibirien mitgenommen. Vier lange Jahre hatte ich in einem Gefangenenlager ohne Eltern in Sibirien leben müssen.
Doch von dieser traurigen Zeit erzähle ich euch ein andermal. Als ich endlich wieder in Deutschland war, begann eine neue Zeit. Ach, was ich aber noch kurz erwähnen möchte, Doktor Konrad Adenauer hatte uns aus dem Gefangenenlager befreit.
Es war das Jahr 1949
Es waren inzwischen vier lange, traurige Jahre vergangen. Ich hatte eine neue Familie bekommen, Pflegeeltern und einen Bruder. Meine Mama hatte ich verloren, sie war damals, als sie mich bei meinen Großeltern ließ, nicht mehr zurückgekommen, warum wusste ich damals nicht, so sehr ich mich auch nach ihr sehnte, sie kam nicht wieder.
Meine Gedanken an meinen Papa und die Mama hielten mich am Leben. Ich wusste immer, dass meine Mama noch lebt.
Nun durfte ich wieder auf einem Gutshof leben. Neun Jahre war ich ungefähr alt, doch immer noch ein sehr kleines Mädchen. In den Jahren der Gefangenschaft bin ich nicht gewachsen, wegen der großen Hungersnot.
Meine neuen Eltern, Ilse und Carl Voith, mein neuer Bruder Albrecht, der zwei Jahre älter war als ich, wollten mir ein neues Zuhause geben. Sie hatten großes Mitleid mit mir. Schnell hatten sie bei mir die Liebe zu Tieren und der Natur entdeckt. Sie wollten dafür sorgen, dass ich wieder glücklich werde und die schlimme Zeit vergesse.
Und ich auch meine große Traurigkeit schnell verlieren sollte. Da bekam ich eines Tages sechs kleine, gelbe Entlein geschenkt, auf die ich aufpassen sollte.
Wie du hörst, hatten wir einen richtigen Bauernhof mit vielen Tieren, fast so wie bei meinen Großeltern. Es sollte, außer die Entchen zu versorgen, noch viel mehr Aufgaben auf mich zukommen. Wenn die Entchen abends in ihren Stall von mir gebracht wurden und ich sie am nächsten Morgen wieder auf die Wiese bringen wollte, ach du liebe Güte, war ihr Ställchen schmutzig. Das frische Gras, das ich tagsüber hineingelegt hatte, lag nun zertrampelt in ihren Ställchen, es war voller Kakak.
Ja, sagte Vati, das ist auch deine neue Aufgabe. Abends muss der Stall von den Entchen immer sauber sein, sonst sind sie bald nicht mehr gelb, sondern schmutzig und stinken. Es muss über Nacht nur Stroh in ihr Ställchen. Gefüttert werden sie am nächsten Morgen.
Von nun an machte ich den Stall immer besonders sauber, denn ich hatte Angst, dass Vati mir die Entchen wieder wegnahm. Das wollte ich auf keinen Fall, ich hatte die Entchen längst liebgewonnen. Sogar Vati hatte Spaß daran, wie ich mich mit ihnen beschäftigte, er sah mir oft zu, wenn ich mit ihnen spielte.
Zur Belohnung gab mir Vati eines Tages eine große Waschschüssel mit lauwarmem Wasser. Was sollte das werden, gingen mir Gedanken durch den Kopf, aber ich wagte nicht zu fragen. Heute Morgen hatte ich mich doch schon gewaschen, dachte ich. Ich beobachtete bei dem Gedanken Vati, als er die Schüssel auf den Boden stellte. So, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln, nun kannst du deinen Entchen das Schwimmen beibringen. Ängstlich sagte ich, Vati, ich kann doch gar nicht schwimmen und die Schüssel ist auch viel zu klein für mich. Nun konnte Vati sein Lächeln nicht mehr verstecken. Das sollte etwas heißen, dass er lächelte, denn er war immer sehr ernst.
Nein, Angelika, nicht du sollst schwimmen lernen, sagte Vati freundlich, sondern nimm einmal ein kleines Entchen, setze es in die Schüssel, dann wirst du staunen. Tatsächlich, ich staunte, das Entchen konnte schwimmen. Es freute sich sehr, in dem Wasser zu planschen. Als ich das sah, nahm ich eins nach dem anderen und setzte sie in die Schüssel. Ein fröhliches Geschnatter, ein Untertauchen mit ihren Köpfchen begann, es war eine große Freude, ihnen zuzusehen.
Es sollte aber auch wirklich noch eine wichtigere Arbeit auf mich zukommen, denn kleine Entchen müssen auch Futter bekommen, sonst werden sie verhungern, sagte Mutti und erklärte mir sofort, wie das Futter gemacht wird.
Solange die Entchen so klein sind, musst du kleine Brennnesseln pflücken, waren ihre Worte, dann die Brennnesseln auf einem Brett kleinhacken, wenn du das geschafft hast, bringe ich dir noch gekochte Eier und Haferflocken.
Eier und Brennnesseln musst du kleinhacken, dann mit den Haferflocken vermischen. Ach du liebe Güte, das war nun wirklich eine schwere Aufgabe. Denn Brennnesseln brennen, besonders wenn sie klein sind. Mutti erklärte mir, dass ich Handschuhe anziehen sollte, die Brennnesseln möglichst weit unten am Stiel abpflücken müsse, da brennen sie am wenigsten. Obwohl ich ihren Rat befolgte, wurde ich immer wieder verbrannt. Ich gewöhnte mich langsam daran, auch wenn es noch so weh tat. Denn meine kleinen Entchen freuten sich immer über ihr Futter. Wenn dann ein Badetag mit gutem Futter vergangen war, lagen die Entchen zusammengekuschelt in ihrem Ställchen und schliefen. Am liebsten hätte ich mich zu ihnen gelegt, denn so ein Tag war auch für mich sehr anstrengend. Doch leider war das Entenställchen für mich viel zu klein, ich hätte wirklich keinen Platz darin gehabt. Wie hatte Mutti gesagt, Menschenkinder gehören nicht in ein Entenställchen und auch nicht in ein Kükenställchen.
Heute war mal wieder ein schöner, sonniger Tag, die Entchen waren mit mir auf ihrer Wiese. Damit sie nicht so alleine im Gras sitzen sollten, hatte ich mich zu ihnen gesetzt. Heute war ein besonderer Tag. Es war ein Sonntag.
Ein schönes