Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane - Alfred Bekker страница 23
Nachdem Calanoglu uns vorgestellt hatte, sah Nelly Gottlieb mir geradewegs in die Augen. „Um Ihre erste Frage gleich vorweg zu beantworten, Herr Kubinke: Ja, ich weiß, dass es hin und wieder Menschen gibt, die sagen, dass sie nur ein paar Zigaretten holen wollen und dann für immer verschwinden. Und nein, mein Mann gehört ganz sicher nicht zu dieser Sorte. Ihm muss etwas zugestoßen sein, anders ist das, was geschehen ist, nicht erklärlich.”
„Nun, das war eigentlich gar nicht meine erste Frage, aber...”
„Er...” Sie deutetet auf Calanoglu, „...hat mich heute morgen angerufen, als das Auto gefunden wurde. Ich hoffe, dass damit diese irre These, dass mein Mann vielleicht untergetaucht sein könnte, endlich aus der Welt ist. hat mir gesagt, dass Sie diese Theorie favorisieren, anstatt dass Sie Ihren Job machen und herausfinden, was wirklich passiert ist!”
Calanoglu zuckte mit den Schultern. Ich begriff sofort. Der Dienststellenleiter aus Biesbach hatte offensichtlich Frau Gottlieb gegenüber uns in dieser Weise ins Spiel gebracht, um die Dinge fragen zu können, die man ihm selbst als guten Bekannten der Familie vermutlich sehr übel genommen hätte. Ich hatte Verständnis dafür.
„Ich hätte einfach ganz gerne, dass Sie uns schildern, was genau geschehen ist, kurz bevor Ihr Mann verschwand.”
„Wissen Sie wie oft ich das schon wiederholt habe?”
„Ja, das kann ich mir denken. Und wahrscheinlich wiederholen Sie es noch zusätzlich unzählige Male in Ihrem Kopf, weil Sie sie sich fragen, ob Sie nicht irgendetwas übersehen haben. So ist das nunmal. Man muss diese Dinge immer und immer wieder durchgehen und daraufhin untersuchen, ob man nicht irgendeinen Aspekt, der einem zunächst völlig nebensächlich erschien, nicht die nötige Beachtung geschenkt hat. Das mag mühsam und quälend sein, aber ich sehe wirklich keine andere Möglichkeit, in diesem Fall voran zu kommen.”
Sie sah mich einen Augenblick lang schweigend an. Dann atmete sie tief durch. „Entschuldigen Sie, ich bin ziemlich gereizt, wie Sie sich vielleicht vorstellen können. Für die Jungs muss schließlich alles auf die gewohnte Weise weitergehen - soweit das überhaupt möglich ist. Die fragen nach ihrem Vater und ich kann ihnen keine Antwort geben, die auch nur halbwegs vernünftig wäre...”
„Es ist sicher sehr schwierig für Sie”, sagte ich.
Sie nickte und fasste sich dann. „Sie wollen wissen, wie das war, als mein Mann verschwand? Er kam von seinem Dienst nach Hause. Ausnahmsweise mal früh. Er hat mich kurz angerufen. Ich war noch drüben in dem Lokal, das ich betreibe.”
„Und dann?”
„Das war es schon. Er ist einfach nie angekommen.”
„Man sagte uns, Sie hätten darüber gesprochen, dass sich Ihr Mann bedroht fühlte.”
„Vielleicht ist das übertrieben. Wir waren vor einiger Zeit drüben in der Stadt, um ein paar Besorgungen zu machen. Das Angebot der hiesigen Geschäfte ist begrenzt, wie Sie sich denken können und abgesehen davon auch etwas einseitig auf die Touristen ausgerichtet. Schließlich kommen wahrscheinlich jedes Jahr dreimal so viele Fremde hier her, wie Biesbach Einwohner hat. Mindestens. Jedenfalls war mein Mann plötzlich sehr nervös und meinte, da sei jemand gewesen, der ihm gefolgt sei.”
„Haben Sie gesehen, um wen es sich handelt?”
„Ja. Da war ein Mann, der uns angestarrt hat. Aber ehrlich gesagt hätte ich jetzt nicht angenommen, dass der uns irgendwie verfolgte.”
„Haben Sie Ihren Mann darauf angesprochen?”
„Er war daraufhin sehr verschlossen und meinte, es sei besser, wenn ich nichts darüber wüsste.”
„Und das haben Sie akzeptiert?”
„Ich weiß ja, dass mein Mann früher in Hannover teilweise sogar verdeckte Ermittlungen und solche gefährlichen Sachen durchgeführt hat. Aber auch hier hat er Verbrecher in den Knast gebracht! ... Ich meine Herr Calanoglu... wird Ihnen bestätigen, dass es hier zwar sehr idyllisch aussieht, aber dass das nicht bedeutet, das es hier keine Verbrecher gibt.”
„Sie dachten also, dass es jemand sein könnte, dem Ihr Mann in seiner Eigenschaft als BKA Kommissar mal auf die Füße getreten hat.”
„Ja.”
Ich nahm mein Smartphone hervor und zeigte ihr dann ein Bild von Sebastian Pender. „Haben Sie diesen Mann vielleicht irgendwann mal gesehen?”
Sie sah sich das Foto eingehend an. Dann zuckte sie schließlich den Kopf. „Das ist ein Allerweltsgesicht. Möglich, dass das der Typ war, den wir gesehen haben. Aber sicher bin ich mir da jetzt nicht.”
Anschließend zeigte ich ihr ein Bild von Pascal Basemeier alias Alex Ritzko, dem Mörder von Reinhold Kahlmann. Es war ein Tatort-Foto.
„Erschrecken Sie nicht. Dieser Mann ist tot. Sagen Sie mir bitte, ob Sie ihn schon einmal gesehen haben.”
Ich wusste in der ersten Sekunde, nachdem sie das Bild auf meinem Handy-Display angesehen hatte, dass sie diesem Mann schon einmal begegnet sein musste. Der Schrecken stand ihr ins Gesicht geschrieben - und dieser Schrecken hatte nichts damit zu tun, dass auf dem Bild ganz offensichtlich ein Toter zu sehen war.
„Ich kenne diesen Mann”, sagte sie.
„Ist das der Mann, den Sie gesehen haben und von dem Ihr Mann sich verfolgt fühlte?”
„Nein, der lungerte mal vor unserem Haus herum. Ich hatte den Eindruck, dass er uns beobachtete. Später habe ich meinen Mann gefragt, ob wir vielleicht beschattet werden oder ob irgendeine Überwachung durch seine Kollegen stattfindet, weil ein Risiko besteht, von dem er mir nichts gesagt hat.”
„Ich kann Ihnen versichern, dass solche Maßnahmen nicht stattgefunden haben”, warf Calanoglu ein.
„Wann genau haben Sie ihn gesehen?”
„Ein paar Tage, bevor mein Mann verschwand. Der Typ saß in einem Leihwagen - und er war nicht allein. Da war noch ein anderer bei ihm.”
„Können Sie diesen zweiten Mann beschreiben?”
„Er war kahlköpfig, hatte aber sehr kräftige Augenbrauen und trug einen schwarzen Schnauzbart, der so dicht war, dass man von den Lippen nichts sehen konnte. Ein auffälliger Typ. Und sehr groß. Er ist einmal ausgestiegen.”
„Wie groß? Was schätzen Sie?”
„Solche Männer gibt’s nur beim Basketball. Über zwei Meter würde ich sagen. Und ein Kreuz wie ein Bodybuilder. Wenn ich raten würde, was der beruflich gemacht hat, würde ich sagen, er war Rausschmeißer in einer Discothek oder professioneller Wrestler.”
„Ich danke Ihnen”, sagte ich. „Vielleicht haben Sie uns sehr geholfen.”