Frühlingstochter. Isolde Kakoschky
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Stattdessen scrollte sie zu Kais Nummer und rief ihren Sohn an.
»Hallo Kai!«
»Hallo Mom, na, alles schick?« Manuela lächelte. Solange Kai solche lockeren Sprüche verwendete, war bei ihm wirklich alles schick.
»Ja, danke der Nachfrage. Alles im grünen Bereich!«, gab sie locker zurück. »Was macht mein Sternchen?«
»Stella sitzt gerade in der Badewanne. Da ist sie schon ganz Dame, das kann dauern!«
»Baden ist ein gutes Stichwort«, ging Manuela direkt darauf ein. »Das Wetter soll ja bis zum Wochenende noch wärmer werden. Wollen wir zum See fahren?«
»Also mir gefällt die Idee«, stimmte Kai ihr sogleich zu. »Ich glaube, wir hatten auch noch keine anderen Pläne. Ich werde es meinen beiden Frauen vorschlagen. Am Freitag melde ich mich noch mal, dann wissen wir auch, ob das Wetter passt.«
»Schön, dann einstweilen bis Freitag! Mach´s gut und gib Stella einen Kuss von mir!«
Manuela trank ihre Weinschorle aus und ließ sich Wasser in die Badewanne laufen. Was ihre Enkeltochter liebte, das mochte sie auch!
Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Tagen verlief der Donnerstag eher ruhig. So konnte Manuela mit gutem Gewissen etwas früher in den Feierabend gehen. Doch sie fuhr nicht zu ihrer Wohnung, sondern direkt in Richtung Mansfelder Land. Sie hatte sich das kurzentschlossen überlegt, nach der Devise: Jetzt oder nie! Diesmal wählte sie die Strecke über die Straße an der Saale aus. So war sie in ihrer Lehrzeit gelegentlich mit dem Bus nach Hause gefahren. In Friedeburg verließ sie die Uferstraße und folgte der Straße sanft bergan. Noch ein paar Dörfer, dann kam ein kleines Städtchen, in dem sie sich plötzlich an einen Besuch in einer Eisdiele erinnerte. Und eine Viertelstunde später erreichte sie die Stadt in der sie geboren wurde und aufgewachsen war. Noch immer empfand sie ein gewisses Unbehagen, doch längst nicht so schlimm, wie noch ein paar Tage vorher.
Am ersten Supermarkt an der Hauptstraße stellte sie ihr Auto ab. Von hier aus war es nicht weit bis zum Markt, sie konnte das Stadtzentrum bequem zu Fuß erreichen. Neben ihr plätscherte die Wipper und auf dem begrünten Uferbereich watschelten am alten, steinernen Wehrturm, im Volksmund »Zuckerhut« genannt, ein paar Enten umher. Auf der Brücke blieb sie stehen und schaute um sich. Es hatte sich schon einiges verändert. Auch wenn sie per Zeitung und Internet immer auf dem Laufenden blieb, so war es doch etwas ganz anderes, hier zu sein, zu sehen, zu fühlen. Der Markt zeigte sich bei dem schönen Frühsommerwetter von seiner besten Seite. Die Plätze im Straßencafé waren gut besucht und auch der Ratskeller lud mit Tischen und Stühlen zum Verweilen im Freien ein. Es gab ein paar Geschäfte, die sich noch immer an der gleichen Stelle befanden, andere vermisste sie. Der Fischladen war von der Bildfläche verschwunden, dafür warben gleich mehrere Mobilfunkanbieter um Kunden.
Manuela bummelte bis zum »Saigertor«. Sie hatte noch erlebt, wie die Straße um das mittelalterliche Stadttor herum gebaut wurde und eine erste kleine Fußgängerzone entstand. Dennoch hatte sich auch danach noch viel verändert. Aber es gefiel ihr. In einer Art kleinem Bachlauf, der von einem modernen Springbrunnen gespeist wurde, hopsten Kinder umher. Das wäre auch ein Spaß für Stella, dachte sie und lächelte. Sie lief zurück in Richtung Rathaus. Vor dem Ratskeller nahm sie an einem der Tische Platz und bestellte sich einen Kaffee. Dort drüben war einst ein Uhrmacher gewesen, erinnerte sie sich nun wieder. Und aus der Sparkasse war die Apotheke geworden. In dem Haus neben dem Kaufhaus hatte es einst einen Fleischer gegeben, nun war die Filiale einer OptikerKette eingezogen, während im benachbarten Laden gerade Umbauarbeiten im Gange waren. Vor einiger Zeit hatte sie bei Facebook eine Seite entdeckt, die Fotos von Hettstedt zeigte, oft Aufnahmen von früher und von heute. Jetzt konnte sie die Bilder vor ihrem inneren Auge nachvollziehen.
In ihrer Kindheit hatte sie die Stadt manchmal als trist und grau empfunden, vielleicht weil auch ihr Leben selbst so war. Jetzt musste sie sich eingestehen, dass das nur die halbe Wahrheit war. Was auch immer sie von hier vertrieben hatte, das hier war ihre Heimat. Hier waren ihre Wurzeln. Vielleicht konnte sie auch Maria überzeugen, einmal wieder zurück zu kommen in die Heimat.
Manuela bezahlte ihren Kaffee und lief zu ihrem Auto. Sie hätte nicht sagen können, ob es bewusst geschah, jedenfalls lenkte sie den Golf in Richtung Neubaugebiet, dorthin, wo Karsten jetzt wohnte. Da es eine der zuerst gebauten Straßen war, fand sie sich problemlos zurecht und stand schon bald vor dem richtigen Haus. Hier sah es, ähnlich wie bei ihr in HalleNeustadt, jetzt wunderbar grün aus. Die vor Jahrzehnten angepflanzten Bäume hatten eine beachtliche Größe erreicht und spendeten Sauerstoff und Schatten. Zögernd ging sie langsam auf das Wohnhaus zu und blickte auf das Klingelschild. Dort, wie es aussah im ersten Stock, wohnte Karsten also. Sie holte tief Luft und drückte auf die Klingel.
Doch nichts regte sich. Keine schnarrende Stimme drang aus der Gegensprechanlage, kein Summer ertönte, kein Fenster wurde geöffnet, nichts. So einfach, wie sie es sich nach dem Telefonat mit Berit vorgestellt hatte, war es dann wohl doch nicht. Manuela überlegte. Karsten war zwar älter gewesen als sie, doch er könnte noch im Berufsleben stehen, also deshalb noch nicht zuhause sein. Sie könnten auch beim Einkaufen sein. So vieles war möglich. Er könnte jeden Moment um die Ecke kommen oder heute gar nicht mehr.
Schade, sie hatte gerade so viel Mut gehabt. Aber sie würde wieder kommen, das versprach sie sich selbst und Karsten. Auch er hatte ein Recht, endlich die Wahrheit zu erfahren. Es war nicht nur ihre Vergangenheit, sondern zumindest teilweise auch seine. Und Danielas. Vielleicht wusste sie gar nichts von ihren Wurzeln. Da lag noch ein langer Weg vor ihr.
8. Kapitel
Traumhaft schön ging die Sonne über den Gipfeln der Rieserferner-Alpen auf und tauchte das Ahrntal in ein goldenes Licht. Stefanie Hofmair trat auf den Balkon ihres Schlafzimmers und atmete tief die würzige, saubere Bergluft ein. Es war noch früh am Morgen, doch dieser Anblick erzeugte in ihr immer wieder aufs Neue ein Glücksgefühl. Hier, in Südtirol, hatte der liebe Gott die Schönheiten der Natur wahrhaftig mit dem Füllhorn ausgeschüttet. Es gab schroffe Felsen, malerisch gelegene Almen, tosende Wasserfälle, glasklare Bergseen und jede Menge Sonne, zudem ein mildes Klima, gut für Apfelplantagen und Weinberge, im westlichen Teil wuchsen sogar Palmen, und im Winter schneesichere Skigebiete in den Bergen. Berge, ja Berge mussten sein. Stefanie liebte die Berge. Dort, wo sie aufgewachsen war, im Thüringer Wald, waren diese etwas kleiner gewesen, aber auch schön. Doch nun war sie schon viele Jahre hier im nördlichsten Teil Italiens.
»Komm, reiß dich los! Wir müssen uns fertig machen!« Marco, ihr Mann trat hinter sie. Er legte ihr die Arme um die Taille und küsste sie zärtlich auf ihre Schulter. Stefanie drehte sich zu ihm um und gab ihm einen geräuschvollen Schmatzer auf die Wange. »Du hast recht.« Dann wand sie sich aus seiner Umarmung und lief in Richtung Bad.
Wenig später begaben sie sich gemeinsam auf den Weg ins Hotel Alpenstein, in dem sie beide seit einigen Jahren arbeiteten, Stefanie am Empfang und Marco im Service. Im Moment konnte man noch vom ruhigeren Teil des Jahres sprechen. Zwischen der Winter und der Sommersaison waren die Hotels selten ausgebucht. Lediglich über das letzte Wochenende hatte es wieder nur so von Touristen gewimmelt. Am Sonntag wurden auf den Bergkämmen unzählige Feuer entfacht oder auf den Almen weithin sichtbare