Verbrannte Erde. Marie Kastner
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Was mochte nur dieses Mal das Feuer ausgelöst haben? Häufig waren Glasscherben im Wald oder achtlos von Spaziergängern weggeworfene Zigaretten schuld, oder vielmehr die Idioten, die sowas leichtfertig entsorgten. Waldbrände waren hier im Harz leider keine Seltenheit, kleinere flammten nahezu jährlich auf. Doch nie zuvor war einer Bernds Wohnhaus derart nahegekommen, seit er aus Dresden hierher umgezogen war.
Hoffentlich fordert der Waldbrand keine Toten und Schwerverletzten. In unserer entfernteren Nachbarschaft gibt es ältere Leute, die gar kein Auto besitzen, ging dem Kommissar durch den Kopf. Jetzt im Nachhinein bedauerte er, nicht nach ihnen gesehen zu haben. Bis zu drei Personen hätten sie auf der Rückbank mitnehmen können. Vielleicht hätten sie nicht ganz so kopflos abhauen sollen, aber Julia hatte ihn mit ihrer jähen Panik offenbar angesteckt.
Im Grunde verstand er sie. Sah man die Flammen erst lodern, war es meistens schon zu spät zum Verschwinden.
»Und was machen wir jetzt, wo sollen wir einstweilen hin?«, riss ihn seine kreidebleiche Ehefrau aus den Überlegungen. Sie trug den verstörten Kater immer noch auf dem Arm. Die, im wahrsten Sinne des Wortes, brenzlige Situation erschien ihr hier, einige Kilometer entfernt und unter dem strahlenden Himmelszelt eines wolkenlosen Sommertages, total grotesk.
»Wir fahren als Erstes hinüber nach Wernigerode, zum Revier. Dort könnten wir herausfinden, wie schlimm das Ganze überhaupt ist. Dann sehen wir hoffentlich klarer, wann wir in unser Häuschen zurückkehren können – beziehungsweise, ob es heute Abend überhaupt noch steht«, entschied der Kommissar niedergeschlagen. Er wollte keinesfalls davon ausgehen, dass das Anwesen bereits in diesem Moment bis auf die Grundmauern niedergebrannt sein könnte, dies sogar recht wahrscheinlich war.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
An Bordkarten, Reisepässe und sonnige Urlaubsfreuden wagte erst recht keiner der beiden Unglücksraben zu denken. Auch die heiß ersehnte Reise würde dem Harzer Inferno zum Opfer fallen, daran gab es nach Lage der Dinge wenig zu zweifeln.
*
Die Gänge des Wernigeröder Revierkommissariats wirkten wie leergefegt. Wo sich üblicherweise jede Menge Kollegen tummelten, herrschte heute gähnende Leere. Jeder halbwegs abkömmliche Polizist wurde zur Unterstützung der Feuerwehr gebraucht. Die Beamten mussten Straßen absperren, Evakuierungen unterstützen und starrsinnige Anwohner mit Nachdruck dazu bewegen, bedrohte Häuser rechtzeitig zu verlassen.
Die meisten Dienstzimmer lagen verwaist in der hereinblinzelnden Mittagssonne. Manch ein angebissenes Brötchen kompostierte auf den Schreibtischen langsam vor sich hin. Der Einsatzbefehl musste Maders Kollegen auf dem kalten Fuß erwischt haben. Im flotten Stechschritt marschierte er zu Marit Schmidbauers Büro, Julia konnte ihm kaum folgen.
Was für ein Glück, sie war anwesend, telefonierte gerade. Mit einer Handbewegung lud sie die Maders ein, sich zu setzen.
» … was, inzwischen schon bis zum Scherstorweg? Das darf doch alles nicht wahr sein! Ich verstehe ja, dass Sie noch Leute brauchen, aber unsere Kapazitäten sind erschöpft! Tut mir leid, aber da müssen Sie leider andere Reviere bemühen, wir können keinen einzigen Polizisten und kein Fahrzeug mehr entbehren«, sagte Marit bedauernd. Sie legte stöhnend auf.
»So weit hat sich der Brand innerhalb dieser kurzen Zeit ausgebreitet? Dann existiert unser Häuschen bestimmt nicht mehr«, jammerte Julia. Sie hielt sich beide Hände vors Gesicht.
Marit sah sie mitleidig an, zuckte mit den Schultern.
»Kann ich wirklich schlecht sagen, die Ereignisse überschlagen sich. Der Ortskern von Elend steht jedenfalls noch, das hat mir ein Kollege erst vor ein paar Minuten durchgegeben. Das Feuer breitet sich momentan eher nach Nordost aus, weil der stürmische Wind in diese Richtung gedreht hat.«
Sie sah Bernd lange und tief in die Augen. Viel zu lange und viel zu tief für Julias Geschmack.
»Wenigstens seid ihr heil davongekommen. Ich hatte mir bereits Sorgen gemacht, weil ich dich weder am Handy noch über Festnetz erreichen konnte.«
»Kein Wunder. Wir saßen entspannt auf der Terrasse, als es losging. Mein Smartphone ist mittlerweile vermutlich zu einem Plastikklumpen zerschmolzen, es lag daheim auf dem Schreibtisch«, entgegnete Mader voller Sarkasmus.
»Wie dem auch sei … zurück nach Hause dürft ihr fürs Erste sowieso nicht. Ich hätte eine bequeme Klappcouch anzubieten, wo ihr übernachten könntet. Mein Apartment ist klein, aber für ein paar Tage müsste es erträglich sein. Wobei … geht euer Flug nicht morgen Abend?«
Bernd musste kurz und trocken lachen. Diese Marit! Als ob ihm jetzt noch nach Urlaub zumute gewesen wäre.
»Sehr witzig. Die Bordkarten sind genau wie unsere Reisepässe abgefackelt. Außerdem, wofür hältst du mich? Die Urlaubslaune ist mir gründlich vergangen. Nie im Leben würde ich euch in einer solchen Situation hier im Stich lassen. Allerdings ... Felix kann nicht auf Dauer im Revier bleiben. Ich frage sehr ungern, aber könnten wir diesen pelzigen Kerl einstweilen bei dir in der Wohnung unterbringen? Er wird jetzt allmählich unruhig. Für gewöhnlich kratzt er nicht an Möbeln, keine Sorge.«
Sie schob der unglücklich dreinblickenden Julia einen Schlüsselbund über den Schreibtisch.
»Klar! An meiner alten Einrichtung kann man ohnehin nicht mehr viel ruinieren, ich bin schon zweimal damit umgezogen. Ich würde sagen, du besorgst eine Transportbox und die Zutaten für ein provisorisches Katzenklo und quartierst den Stubentiger schon mal bei mir ein, die Adresse ist Sägemühlengasse 12. Du findest sie in der Nähe des Westerntorturms, falls du den kennst. Und wir beide versuchen derweil bei unseren Kollegen vor Ort neueste Infos über Elend zu kriegen, okay?«
Julia zögerte für einen Moment. Eigentlich war es ihr gar nicht recht, die beiden alleine zu lassen. Täuschte sie sich, oder wollte Marit sie loswerden? Abgesehen hiervon, musste Felix wirklich irgendwo untergebracht werden, obgleich er momentan friedlich auf ihrem Schoß döste. Eine Katzentoilette tat früher oder später ebenfalls not. Sie würde das Angebot also annehmen müssen, obwohl es ihr nicht recht schmecken wollte.
Katzenklo macht Katze froh, wie Helge Schneider zutreffend gesungen hat. Na schön, vielleicht lenkt mich das Einkaufen ein bisschen ab. Ich werde sonst echt noch wahnsinnig. Kaum glaubt man, dass endlich alles in Butter ist und freut sich auf eine kleine Auszeit mit seinem Liebsten, passiert sowas Fatales. Den Verlust an Lebensqualität kann uns keine Versicherungssumme dieser Welt ausgleichen, haderte Julia.
»Vielen Dank für das nette Angebot. Aber die Sache mit dem Urlaub sollten wir uns nochmals überlegen, Bernd. Unsere Koffer mit den notwendigsten Utensilien liegen im Auto. Außerdem sind die wichtigsten Papiere im Kofferraum, inklusive Brandversicherungspolice. Also … falls unser Häuschen erwartungsgemäß abgebrannt sein sollte, hätten wir wenigstens für die nächsten Wochen ein Dach über dem Kopf und könnten den lästigen Versicherungskram in Ruhe von Spanien aus regeln. Schließlich fallen innerhalb der EU keine Roaming-Gebühren mehr an.«
Bernd wirkte ob so viel Pragmatismus ehrlich verblüfft.
»Du hast das Zeugs trotz heller Panik tatsächlich noch mitgenommen? Respekt … dann besitzen wir wenigstens Klamotten zum Wechseln. Aber nach einem Spanienflug ist mir trotzdem nicht ansatzweise zumute, wie du dir vielleicht denken kannst. Jetzt bring du erstmal unseren