Die Kinder vom Schmetterlingshof. Gisela Sachs

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Die Kinder vom Schmetterlingshof - Gisela Sachs

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Er ist auch Fleischermeister von Beruf. Auf dem Schmitzhof gibt es einen ganzen Kellerraum voll mit Würsten. Die Dosen stehen in Regalen. Die Ringe hängen zum gut durchtrocknen an Stangen in der Luft. Die Schinken auch. Die Schwarzwurst im Ring ist so hart, da habe ich Angst, ich könnte mir einen Zahn ausbeißen. Auf dem Schmitzhof gibt es auch Apfelsaft in Flaschen zu kaufen. Und Holunderbeerensaft. Und Johannisbeersaft. Und Rhabarbersaft mit Erdbeeren. Und Nudeln. Viele verschiedene Sorten von Nudeln. Breite Nudeln, dünne Nudeln, Hörnchennudeln und sogar Spaghetti. Und Tomatensoße, abgefüllt in Gläsern. Manchmal bringt die Mama Schinken und Bratwurst in der Dose und Ziegenmilch und Ziegenkäse mit nach Hause, wenn sie bei der Frau Schmitz zu Besuch war. Ich mag keine Ziegenmilch und auch kein Ziegenkäse und Ziegenfleisch erst recht nicht. Das Ziegenzeugs stinkt. Aber der Schinken von den Schmitzes schmeckt mir gut. Und die Bratwurst auch. Und die selbst gemachten Nudeln erst. Ich könnte jeden Tag Spaghetti mit Tomatensoße essen. Wir tauschen manchmal unsere Sachen. Kartoffeln gegen Nudeln zum Beispiel. Das finde ich sehr lustig. Zwei alte Tanten und ein alter Onkel von Frau Schmitz machen gerade Urlaub auf dem Schmitzhof. Sie kommen aus Italien. Das ist ziemlich weit weg, sagt mein Bruder. Die alten Menschen wohnen im Nebengebäude, im ersten Stock. Und sie sitzen fast immer auf der Bank vor dem Haus und beobachten den Himmel, die Vögel, die Katzen, die Hühner. Und die Schmetterlinge. Nur zu den Essenszeiten gehen sie ins Haus rein. Und zum Mittagsschlaf machen. An den Schmetterlingen haben die alten Menschen die größte Freude. Sie freuen sich auch immer sehr, wenn sie mich und den Michel sehen. Und das ist ziemlich oft. Ein paar Mal am Tag. Sie winken und lachen uns zu. Und wir winken zurück und freuen uns, dass es ihnen so gut gefällt hier. Ich lache, wenn ich mit dem Springseil an den Hühnern vorbei hüpfe und sie erschreckt davon laufen. Und die alten Leute lachen auch. Sehr sogar! Sie halten sich die Bäuche vor Lachen. Und dem alten Mann rinnen oft die Tränen über die Backen beim Lachen. Die drei alten Menschen singen oft italienische Lieder. Das hört sich sehr schön an. Schade, dass ich nicht verstehen kann, was sie singen. Aber ich denke, es sind schöne Liedertexte. Die Musik klingt so lustig. Die Frauen klatschen den Takt mit den Händen mit. Und der Onkel schlägt sich mit beiden Händen auf die Schenkel beim Singen. Ich kann seine Zahnlücke sehen, wenn er singt. Auch wenn er lacht. Vielleicht hat der Onkel Angst vor dem Zahnarzt? Wie unser Opa.

      Seit ein paar Tagen wohnt eine Frau auf dem Schmitzhof. Sie kommt aus Polen und heißt Nathalie. Ich habe sie aber noch nicht gesehen. Nur auf Fotos. Die Nathalie kocht und backt und macht die Wäsche für die Familie Schmitz. Weil auf den Äckern gerade so viel zu tun ist. Und irgendwann in den nächsten Tagen wird noch ein junger Mann auf den Schmitzhof kommen. Er heißt Alexander. Und er wird in den Ställen und beim Eierverpacken und auf den Feldern helfen. Das hat mir der Michel erzählt. Alexander kommt auch aus Polen. Da wird die Nathalie sich freuen. Die Nathalie wohnt im Nebengebäude. Direkt unter dem Dach. Da, wo die vielen Schwalbennester sind.

      Die Nathalie hat niemand, mit dem sie in ihrer Sprache reden kann. Deutsch sprechen kann sie nämlich nicht viel. Nur, guten Tag sagen, kann sie. Und, guten Morgen. Und, gute Nacht. Und, guten Appetit. Und, danke. Und, bitte. Man muss sich doch miteinander unterhalten können. Sonst wird man ja ganz dumm im Kopf. Aber bald kommen noch mehr Erntehelfer aus Polen auf den Schmitzhof. Und ein Freund des Herrn Pfarrers, wird ihnen Deutschunterricht. Dann können die Menschen endlich miteinander sprechen.

      Seit der Verwandtenbesuch auf dem Schmitzhof ist, gibt es bei den Schmitzes noch mehr Spaghetti als sonst. Fast jeden Tag. Und wir werden oft eingeladen, zum Spaghetti mit Tomatensoße essen. Der Opa mag aber nicht so gerne mit auf den Schmitzhof zum Essen. Er isst lieber unsere Kartoffeln. Mit Quark. Und Schnittlauch obenauf. Das mag der Opa ganz gerne. Der Papa hat viele verschiedene Sorten Kartoffeln gepflanzt. Festkochende, mehlige, gelbe, weiße und sogar blaue. Aber die blauen Kartoffeln will niemand kaufen. Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht, meint der Papa. Die Mama kneift den Papa in den Arm. Sie mag es nicht, wenn der Papa so daherredet.

      Am Waldrand stehen drei Holzhäuser. Sie stehen schon seit vielen Jahren leer. In den Häusern tummeln sich Mäuse und Ratten. Und anderes Getier. Die Wände sind mit Spinnweben überzogen. Und es stinkt. Ganz muffig. Ich mache immer einen großen Bogen um die Mäuserattenhäuser. Ich ekele mich vor Mäusen und Ratten. Auch vor Spinnen und Fledermäusen. Und Blindschleichen. Und Regenwürmern. Aber am allermeisten von Blindschleichen. Und von denen gibt es hier viele. Hinter den Kartoffelfeldern steht ein altes Backsteinhaus, direkt neben dem kleinen See. Darin wohnt mein Religionslehrer, der Herr Kugler. Herr Kugler lebt allein in dem Haus. Seine Söhne können nur zur Ferienzeit kommen. Sie wohnen mit ihren Familien im Ausland. In Frankreich und in Thailand. Mein Religionslehrer nimmt mich in seinem Auto mit zur Schule in den Nachbarort. Und nach dem Unterricht darf ich wieder mit ihm nach Hause fahren. Das ist eine große Erleichterung für meine Mama. Sie spart viel Zeit ein, wenn sie mich nicht zur Schule fahren und dort wieder abholen muss. Und sie kann in aller Ruhe kochen. Mein Papa kann mich nämlich nicht von der Schule abholen. Er muss die Verkaufsläden in den Nachbarorten mit Kartoffeln, Zwiebeln, Gemüse und Salaten beliefern. Der Papa beliefert sogar den Edeka Laden in der Stadt mit unseren Produkten. Und er hat auf den Feldern zu tun. Viele Stunden am Tag. Und in den Ställen und im Garten und im Wald. Gestern hat der Papa hundert neue Tannenbäumchen gepflanzt. Danach hat ihm ganz schön der Rücken geschmerzt und ich habe ihn massiert. Der Papa mag es gerne, wenn ich ihm den Rücken massiere. Und er hält ganz still. Aber nach ein paar Minuten Paparücken massieren tun mir die Finger weh. Und die Mama massiert den Papa weiter. Ich schaue gerne zu, wenn die Mama den Papa massiert. Der Papa grunzt dann wie ein Schweinchen.

      Herr Kugler singt während der Autofahrt. Die ganze Zeit. Meist Kirchenlieder. Aber auch andere Sachen. Lieder von der Kelly Family zum Beispiel. Herr Kugler mag die Lieder von der Kelly Family sehr. Schade, dass wir immer so schnell zuhause sind. Ich würde ihm gerne viel länger zuhören. Mein Religionslehrer kommt oft zum Tee trinken zu uns. Und fast immer an einem Samstag, wenn die Mama frischen Hefezopf gebacken hat. Die Mama backt jedes Wochenende Hefezopf und das weiß der Herr Kugler ganz genau. Die Mama backt immer einen großen Hefezopf mit Rosinen und einen kleineren Zopf ohne Rosinen. Der kleine Hefezopf ohne Rosinen ist für meinen Bruder und mich. Mein Bruder und ich mögen nämlich keine Rosinen. Herr Kugler mag die selbst getrockneten Tees und die selbst gekochten Marmeladen von der Mama. Und wie. Ganz dick schmiert er die Marmelade auf den Hefezopf. Er hat keine Frau oder eine Mutter oder eine Tante, die für ihn Hefezopf backen könnte oder Tee und Marmelade kochen. Am allerliebsten mag Herr Kugler den Früchtetee. Den gibt es aber nur zur Weihnachtszeit. Die Mama hat ein Geheimrezept für den Früchtetee. Sie nimmt dafür Pfefferminze, Melisse, Zitronengras, Brenneseln, Johanniskraut, Hagebutten, Lavendelblüten, Apfelschalen, Zitronenschalen und Orangeschalen. Wie viel von allem die Mama in den Früchtetee rein tut, das weiß ich aber nicht. Mein Religionslehrer kann nicht kochen und nicht backen. Der kann noch nicht einmal ein Ei in die Pfanne hauen, meint der Opa. Oder Kartoffeln aufsetzen. Der lässt selbst das Kaffeewasser noch anbrennen. Der Herr Kugler kann aber ganz schön Klavier spielen. Und Trompete und Geige und Mundharmonika spielen kann er auch. Manchmal setze ich mich auf die Bank vor seinem Haus und höre ihm zu. Und der Opa auch. Er hat sich mit meinem Religionslehrer angefreundet. Und sie reden oft die halbe Nacht lang miteinander.

      Mein Bruder heißt Michael, aber alle nennen ihn Michel. Der Michel ist fünf Jahre älter als ich. Er geht schon ins Gymnasium. Das Gymnasium ist in der Stadt. Und der Michel fährt mit dem Bus zur Schule. Und er isst auch in der Schule zu Mittag. Aber das Essen dort schmeckt meinem Bruder nicht. Der Michel würde viel lieber zu Hause zu Mittag essen. Weil es bei unserer Mama einfach besser schmeckt. Mein Bruder kommt erst abends wieder von der Schule heim. Und dann hat er immer viel zu erzählen. Von den Schülern, den Lehrern, den Schularbeiten, den Hausaufgaben, der Theatergruppe und dem Chor. Mein Bruder ist total hungrig, wenn er heimkommt. Heute gibt es Linsen und Spätzle und Saitenwürstle. Das ist das Lieblingsessen von meinem Bruder. Und meines auch. Der Michel will einmal Tierarzt werden. Aber nicht für Kühe und Enten und Katzen und Hühner und Hunde und Vögel. Der Michel will Elefanten gesund machen und Giraffen und Löwen und Tiger und Leoparden. Und seine Freunde Danielle und Marco wollen das auch. Bei uns gibt es aber keine kranken Elefanten, Löwen, Giraffen, Leoparden oder Tiger. Auch keine gesunde.

      Ich finde Marco und

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