Die Kinder vom Schmetterlingshof. Gisela Sachs

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Die Kinder vom Schmetterlingshof - Gisela Sachs

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zu mir und Prinzessin Weichei und lauter solche blöden Sachen. Aber das sagen sie nur, wenn keine Erwachsenen in der Nähe sind. Sonst bekommen die Gebrüder Schmitz nämlich Fernsehverbot. Und der Michel auch.

      Opa Wilhelm bewohnt ein Zimmer im Untergeschoss, gleich neben der Küche mit dem Ausgang zu den Ställen. Die Wohnung im Dachgeschoss steht leer, seit unsere Oma in einem Pflegeheim wohnt. Die Oma ist krank im Kopf. Sie hat vergessen, dass es den Schmetterlingshof, den Opa, die Mama, den Papa, den Michel und mich gibt. Sie hat auch vergessen, dass sie einmal eine Floristin und Schneiderin war. Aber die Oma ist glücklich in dem Heim und das Essen dort schmeckt der Oma auch. Wir beliefern die Pflegeheimküche täglich mit frischem Salat, Obst, Eiern, Kartoffeln und Gemüse. Und wir spenden das ganze Jahr über den Tischschmuck für den Speisesaal. Auch die Kerzen aus Bienenwachs. Vielleicht sind deshalb alle Angestellten so lieb zu der Oma, meint der Michel. Aber ich glaube, die Heimleiterin ist ein bisschen verliebt in den Papa. Und die Köchin und die Krankenpflegerin und die dicke Frau, die mit der Oma Gymnastik macht, auch.

      Mein Lieblingstier ist der Hofhund Bello. Der gehört aber meinem Bruder. Der Michel hat den Bello zum zehnten Geburtstag geschenkt bekommen. Der Bello ist ein besonderer Schäferhund. Er ist viel schlauer als die anderen Schäferhunde, die ich kenne. Der Bello kann sogar Fußball spielen. Ich werde auch einen Schäferhund zu meinem zehnten Geburtstag bekommen. Das hat der Opa mir ganz fest versprochen. Ich habe schon den Namen für meine Hündin ausgesucht. Sie soll Bella heißen. Und der Opa wird für meine Hündin eine Hütte bauen. Hinter dem Haus, direkt unter den Apfelbäumen. Das hat der Opa mir auch ganz fest versprochen. Und der Opa hat noch nie ein Versprechen gebrochen. In seinem ganzen Leben nicht. Was man verspricht, das muss man auch halten, sagt der Opa. Aber jetzt muss der Opa erst einmal die Futterhäuschen reparieren. Damit die Vögel Eier reinlegen können. Im letzten Jahr waren die Futterhäuschen zwei Mal belegt. Und der Opa hofft, dass es dieses Jahr ebenso werden wird. Und es hat ja auch noch fast drei Jahre Zeit mit der Hundehütte.

      Ich schaue gerne den Meiseneltern zu, wenn sie ihre Kinder füttern. Und die Jungen um die Wette zwitschern im Nistkasten. Bei den Meisenfamilien geht es immer sehr fröhlich zu. Auch am Tag des Auszugs, wenn die Meisenmutter ein letztes Mal ihre Kinder füttert. Es sieht lustig aus, wenn ein Meisenkind nach dem anderen den Kopf aus dem Nistkasten streckt und rauskrabbelt. Und auch die ersten Flugversuche der Meisenkinderchen sehen lustig aus. Die Meisenfamilien verbringen den Tag noch bei uns auf dem Schmetterlingshof, bevor sie uns für immer verlassen. Und wenn die Vögelchen weggeflogen sind, waschen wir die Nistkästen mit heißem Wasser aus. Damit es die nächsten Vögelchen schön sauber haben und nicht krank werden.

      Mein Papa heißt Markus. Er ist ein starker Mann, er kann zwei Kartoffelsäcke auf einmal tragen. In jeder Hand einen. Der Papa ist groß und schlank. Er hat hellblaue Augen und strohblonde Haare. Und er lacht und pfeift fast immer, vom frühen Morgen an bis in den späten Abend. Obwohl er gar nicht schön pfeifen kann. Und seine Arbeit ganz schön schwierig ist. Heute hat die Kuh Berta dem Papa den Schwanz um die Ohren gehauen. Die Berta schlägt immer zu, seit sie gekalbt hat. Der Papa hat jetzt ein paar Striemen im Gesicht, aber er ist trotzdem fröhlich. Ich werde einmal einen Mann heiraten, der so schön, so stark und so lustig ist wie mein Papa. Und ich werde unseren Schmetterlingshof nie verlassen. Gar nie, in meinem ganzen Leben nicht!

      Meine Mama heißt Jessica, aber alle nennen sie Jessi. Außer dem Michel und mir. Wir sagen Mama zu der Mama. Meine Mama ist die schönste Frau weit und breit. Sie hat lange kastanienbraune Haare und grüne Augen. Die Haare hat die Mama zu einem Zopf geflochten bei der Arbeit. Aber wenn sie mit dem Kochen und Melken fertig ist, öffnet sie die Haare. Dem Papa gefällt es, wenn die Mama die Haare offen trägt. Er mag es auch, wenn die Mama bunte Sommerkleider trägt und Lippenstift und Nagellack benutzt. Und hohe Schuhe anzieht. Der Opa kann es nicht leiden, wenn die Mama sich schminkt und hohe Schuhe anzieht. Aber damit muss der Opa fertig werden, meint der Papa.

      Marco und Danielle haben eine italienische Mama. Sie heißt Simona und sie ist mit meiner Mama befreundet. Sie gehen jeden Dienstagabend zusammen in die Gymnastikgruppe. Und manchmal fahren die Beiden mit dem Auto in die Großstadt ins Kino. Oder zum Eis essen. Oder neue Kleider und Schuhe und Handtaschen kaufen. Frau Schmitz hat ganz viele Schuhe und ganz viele Handtaschen. Und auch viele Kleider. Und viel Haarschmuck. Und viele Ketten und viele Schals und viele Hüte. Sie hat sogar mehrere Armbanduhren. Für jeden Tag eine andere. Im Sommer trägt Frau Schmitz riesige Strohhüte, fast so groß wie ein Wagenrad. Und im Winter trägt sie bunte Hüte aus Fils mit Blumen an der Seite. Und im Sommer wie im Winter trägt Frau Schmitz eine riesige Sonnenbrille. Frau Schmitz hat viele Sonnenbrillen in allen möglichen Farben. Grüne, gelbe, rote, weiße, blaue und sogar eine lilafarbene. Und sie riecht immer nach Parfüm. Ich mag Parfümgeruch nicht leiden.

      Der Papa von Danielle und Marco heißt Christian. Er spielt zusammen mit meinem Papa Fußball im Fußballverein im Nachbardorf. Und nach dem Fußball spielen gehen sie meist noch ein Bier trinken. Herr Schmitz trinkt gerne mit dem Papa zusammen ein Bier. Oder zwei. Manchmal auch drei. Die Mama mag es nicht, wenn der Papa nach Hause kommt und nach Bier und Zigaretten riecht. Und ich auch nicht. Allemal besser als Parfümgeruch, sagt der Opa. Und der Papa lacht. Dann sind wir uns ja mal wieder einig, Vater.

      

      

       2

      Die Oma hat kräftig mitgeholfen beim Beerenpflücken und beim Einkochen. Und beim Kräutertrocknen. Und beim Tee verpacken. Und beim Einmachgläserbeschriften. Die Etiketten von der Oma sind etwas ganz Besonderes. Jedes Etikett hat die Oma ein bisschen anders bemalt. Aber dann wurde die Oma krank. Die Oma konnte auf einmal keine Etiketten mehr beschriften und bemalen. Und sie wusste plötzlich nicht mehr, wie man die Marmeladengläser zuschraubt. Oder sich die Schuhe bindet. Oder den Backofen und den Fernseher einschaltet. Am Anfang der Krankheit ist die Oma noch im Lehnstuhl gesessen und hat aus dem Fenster geschaut. Aber dann wollte sie immer öfter in ihr Bett. Und das am hellen Tag. Und eines Tages wollte die Oma überhaupt nicht mehr aufstehen. Sie wollte auch kein Radio mehr hören und kein Fernsehen schauen. Und sie wollte, dass die Fensterläden geschlossen bleiben. Immer. Auch am Tag. Die Oma wollte nicht mehr baden oder duschen. Sie hatte auf einmal große Angst vor dem Wasser. Und weil die Oma auch nicht mehr essen und trinken wollte, musste sie ins Krankenhaus. Und im Krankenhaus machte die Oma komische Sachen. Da meinte der Chefarzt, dass die Oma in einem Pflegeheim besser aufgehoben wäre als auf dem Schmetterlingshof. Da hat der Opa bitterlich geweint. Und die Mama und der Papa auch.

      Der Opa besucht die Oma jeden Tag im Pflegeheim. Und manchmal weiß die Oma sogar, wer der Opa ist. Sie sagt dann Helmchen zum Opa. Der Opa singt jedes Mal vor Freude ‚Großer Gott wir loben Dich’, wenn das so ist. Und die Oma singt immer laut mit. So laut, dass die Schwestern den Kopf zur Tür reinstecken und sich wundern, was da los ist. ‚Großer Gott wir loben Dich’ ist das absolute Lieblingskirchenlied von meiner Oma. Und das von meinem Opa auch. Die Oma weiß viele Gebete auswendig. Ihr absolutes Lieblingsgebet ist Vater unser. Und das von meinem Opa auch. Der Opa wünscht sich, dass die Oma wieder ganz gesund wird und zu uns auf den Schmetterlingshof zurückkommen kann. Das wünsche ich mir auch. Und der Michel und die Mama auch. Aber da wird nichts daraus hat der Papa zu der Mama in der Küche gesagt. Die Oma ist schon viel zu schwach. Sie wird nicht wieder gesund.

      Wir nehmen den Bello mit zur Oma. Die Oma mag den Bello sehr. Sie streichelt ihn immer ganz lange, vom Kopf bis zu den Pfoten und wieder zurück. Und manchmal fragt die Oma sogar nach Minka, der dicken Katzenmamma. Das ist aber sehr selten. Und die Oma weiß auch nicht mehr, dass die Minka schon wieder drei Babys hat. Obwohl ich ihr das schon dreimal erzählt habe. Aber der Papa hat Fotos gemacht von den Katzenbabys. Er wird sie der Oma zeigen.

      Der Opa, der Michel und ich gehen nach den Besuchen bei der Oma immer in die Kirche. Und wir brennen vor dem Marienaltar eine Kerze für die Oma an. Und wir beten darum, dass die Oma keine Schmerzen haben muss. Nach dem

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