Die Kinder vom Schmetterlingshof. Gisela Sachs
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Читать онлайн книгу Die Kinder vom Schmetterlingshof - Gisela Sachs страница 6
Zum Kuckuck und zum Geier aber auch, schimpft der Opa. Müsst ihr euch denn immer streiten? Kann es denn keinen einzigen Tag einmal friedlich zugehen mit euch? Und Kopfnüsse gibt es bei der Familie Schäfer schon gar nicht, Michel. Heute nicht, gestern nicht, morgen nicht und übermorgen auch nicht. Hast du das verstanden, Michel?
Und du sollst nicht immer zum Kuckuck und zum Geier aber auch sagen, Opa. Was soll denn unser Ännchen von dir denken?
Ach, schau mal her, der Michel. Wie besorgt er doch auf einmal um seine kleine Schwester ist, lacht der Opa auf. Aber die Kopfnuss wird ein Nachspiel haben. Fußball spielen mit mir fällt heute aus für dich, sagt der Opa ziemlich unfreundlich zum Michel. Und ob ich jetzt noch weiter erzählen werde, muss ich mir noch schwer überlegen. Der Opa stützt sein Gesicht in die Hände, macht einen Schmollmund und schließt die Augen. Hey, Opa, sage ich und zupfe den Opa am Hemdärmel. Sei doch nicht so schnell beleidigt. Und auch der Michel zupft den Opa am Hemdärmel, aber weiter oben und auf der anderen Seite. Sei doch nicht so schnell beleidigt, Opa, sagt auch der Michel zum Opa. Du bist ja eine richtig beleidigte Leberwurst. Eine beleidigte Leberwurst aber will der Opa nicht sein. Das wissen der Michel und ich ganz genau. Der Opa schlägt die Augen auf, sagt, dann will ich halt mal nicht so sein und erzählt weiter.
Eure Oma und ich waren über ein Jahr lang miteinander befreundet, bevor ich ihr den ersten Kuss geben durfte, sagt der Opa. Und es hat nochmals über ein Jahr gedauert, bevor ich zum ersten Mal ihr Elternhaus betreten durfte.
Warum musstest du denn so lange warten Opa, fragt der Michel.
Das war damals ebenso, Michel. Da schloss man nicht so schnell Freundschaften, so wie das in der heutigen Zeit üblich ist. Und die Stimme vom Opa ist wieder ganz freundlich.
Du bist über ein Jahr lang vor dem Haus von der Oma gestanden, Opa?
Bei Tag und bei Nacht?
Bei Regen und bei Schnee?
Bei Sturm und bei ganz heißer Sonne?
Ohne zu essen?
Ohne zu trinken?
Ohne zu schlafen?
Und ohne Pipi und Kacka zu machen?
Wie kann man bloß so dumm daher reden, Ännchen. Meinst du wirklich, dass der Opa über ein Jahr lang vor dem Haus herumgestanden und auf die Oma gewartet hat?
Aber der Opa hat doch gesagt, dass...
Ich kann es kaum glauben, dass ich so eine dumme Schwester habe.
Ich bin nicht dumm!
Bist du.
Bin ich nicht!
Bist du doch!
Zum Kuckuck und zum Geier aber auch, schimpft der Opa. Geht das Theater denn schon wieder los? Könnt ihr euch nicht einmal einen Tag lang vertragen miteinander? Wenn ihr zwei so weitermacht, werde ich euch nie wieder Geschichten erzählen. Das könnt ihr mir aber glauben. So wahr, ich Wilhelm Schäfer heiße!
Das glauben wir dem Opa aber nicht, er erzählt nämlich sehr gerne Geschichten. Und am liebsten Geschichten von der Oma. Der Michel zwinkert mir zu. Wir wissen natürlich genau, wie die Oma-Opa-Geschichte weiter geht. Und wir wissen genau, dass der Opa weitererzählen wird. Aber dieses Mal erzählt der Opa wirklich nicht weiter. Er schaut uns nur an. Und dann hebt der Opa seine Hand in die Luft und ruft die Kellnerin an den Tisch. Ich hätte gerne zwei Kugeln Vanilleeis, sagt der Opa. In einer Waffeltüte bitte. Und packen sie das Eis bitte gut ein, Fräulein. Es wird ein Weilchen unterwegs sein. Was der Opa wohl vorhat? Die Kellnerin kommt mit einem Paket zurück und legt es auf den Tisch. Vorsichtig, sagt sie. Und immer schön gerade halten! Das Eis bringen wir der Oma, sagt der Opa. Und wir eilen, so schnell wir können ins Pflegeheim zur Oma zurück. Und das Eis ist sogar noch heil, als der Opa es auspackt. Nur ein paar Tropfen rinnen an der Waffel runter.
Alle Gute zum ersten Kusstag mein Liebchen, sagt der Opa zur Oma. Er macht eine Verbeugung und überreicht der Oma die Eistüte. Ach Helmchen, sagt die Oma kopfschüttelnd. Du bist ja ganz vollgekleckert. Schau dir mal dein Hemd an. Wenn das nur mal keinen Ärger gibt.
In unserem Obstgarten blühen gerade die Kirschen. Und als ich zum Kräutergarten laufe, höre ich etwas rascheln. Ein Feldhase läuft vor mir davon. Es ist Frühling. Meine Lieblingsjahreszeit. Da könnte ich den ganzen Tag hüpfen und singen vor Freude. Weil die Welt so schön bunt ist. Im Kräutergarten blüht der Schopflavendel. Die Zitronenmelisse und die marokkanische Minze scheinen einen Wachstumswettkampf zu machen, meint die Mama. An einem Tag ist die Minze größer, am anderen Tag die Melisse. Das Currykraut ist auch schon kurz vor der Blüte und der Rosmarinbusch ist viel größer als im vorigen Jahr. Die Mama will Kräuterbutter aus unseren Kräutern machen. Ich freue mich schon darauf. Und der Opa auch. Er mag es, wenn die Kräuterbutter auf dem warmen Brot zerläuft. Aber er achtet darauf, dass er sich nicht vollkleckert. Sonst bekommt er nämlich Ärger mit der Mama. Die Mama schimpft oft mit dem Opa, weil der Opa immer den Badezimmerspiegel mit Zahnpasta vollspritzt und nie den Klodeckel zumacht. Und weil er seinen Teller auf der Spüle abstellt und nicht in die Spülmaschine einräumt. Und weil er den Boden vollkrümelt beim Brotessen. Und weil er sein Bett nie richtig durchschüttelt und lüftet. Aber der Opa kann gar nicht richtig streiten. Er ist ganz still, wenn die Mama mit ihm schimpft. Und die Mama hört auch ganz schnell wieder mit dem Schimpfen auf. Sie liebt den Opa nämlich fast genauso arg wie den Papa.
Der Papa und der Opa spielen Fußball im Hof. Und der Bello flitzt dem Ball hinterher. Der Bello mag Fußballspielen sehr. Er hat sogar schon einmal ein Tor geschossen. Und dann flitzt der Bello dem Papa durch die Beine. Und der Papa fällt ins Gras. Und die Mama kommt dazu und kitzelt den Papa. Und der Papa zappelt wie ein Marienkäfer auf dem Rücken. Und der Michel legt sich auf den Papa und die Mama. Und sie balgen wie verrückt. Ich balge nicht mit. Ich habe mein schönstes Kleidchen angezogen. Und meine neuen Lackschuhe. Und die weißen Kniestrümpfe. Weil wir noch zur Oma ins Pflegeheim fahren wollen. Die Mama hat ein Leberwurstbrot in Häppchen geschnitten. Und ein abgekochtes Ei. Und eine Essiggurke. Für die Oma. Weil die Oma das selbst gebackene Brot und die hausgemachte Leberwurst so gerne isst. Der Bello darf auch mit. Er sitzt schon auf der Rückbank im Auto und schaut aus dem Fenster. Der Bello fährt gerne Auto. Der Papa legt eine CD ein. Und wir singen alle mit. Und erst beim Aussteigen achten wir auf den Bello. Seine Schnauze ist mit Leberwurst verschmiert. Und der Vesperteller für die Oma ist leer. Auch die Gurke und das Ei sind in Bellos Maul verschwunden. Da gibt es nur eins Leute, sagt der Opa. Umdrehen, nach Hause fahren, neues Brot schmieren! Und wir fahren wieder nach Hause zurück und die Mama streicht ein neues Brot mit Leberwurstbrot für die Oma. Und sie würfelt nochmals ein abgekochtes Ei. Und schneidet eine Essiggurke in mundgerechte Stücke. Dann fahren wir wieder zurück ins Pflegeheim. Den Bello nehmen wir nicht mehr mit. Der muss zur Strafe zuhause bleiben. Und vor dem Pflegeheim müssen wir den Michel noch zur Schule fahren. Er hat nämlich eine Chorprobe.
Die Oma hat keinen Appetit. Und der Opa isst den Vesperteller auf. Er trinkt auch den Früchtetee von der Oma. Die Oma sieht nicht gut aus. Sie ist ganz gelb im Gesicht. Und die Mama und der Papa wollen lieber bei der Oma bleiben als Pizza essen zu gehen. Der Opa holt den Michel von der Schule ab. Und er kauft dem Michel eine Pizza zum Mitnehmen. Aber der Michel hat gar keinen Hunger. Er will gleich zur Oma. Ich laufe mit dem Michel über die Flure des Pflegeheims. Die Flure haben alle Blumennamen. Unsere Oma wohnt im Heckenweg. Und die Wände im Heckenweg sind voll behangen mit Omas Blumenbildern. Das sieht schön aus. Die anderen Flure sind nicht so bunt. An der Tür hängt ein Foto von der