Ave Maria. Gisela Sachs

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Ave Maria - Gisela Sachs

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wisse, was mer wisse!«

      Es ist verdammt schwer eine Wohnung zu finden, wenn man keine Arbeit hat.

      Meine unausgefüllten Tage verbringe ich meist bis zum Sonnenuntergang auf der weißen Bank vor dem Grab meiner Mutter.

      Kleiner Prinz, so nach und nach verstehe ich dein schwermütiges Leben, das du hattest. Ich habe auch nur die Lieblichkeit der Sonnenuntergänge.

      »Gute Nacht Mama, bis Morgen.«

      Der volle Mond hängt milchweiß über mir, als ich vor dem alten Rentamt in Schwaigern ankomme, scheint grell in mein Zimmer. Ich lege mich samt meiner Klamotten aufs Bett und lausche angespannt nach draußen auf den Gang, muss nicht lange warten, bis ich das Knarren von Pats Zimmertüre höre. Er stolpert den Gang entlang, haut sich an allen Ecken und Kanten an, sieht mich nicht, als ich das Fenster, auf das er zusteuert, öffne. Ich gehe zitternd zurück in mein Bett.

      Pat war schon kalt, als ihn die Zeitungsausträgerin in den frühen Morgenstunden auf dem grauen Steinpflaster fand. Über seinen weit aufgerissenen Augen hängt ein gefrorener Blutschleier, der wie ein filigranes Kunstwerk aussieht. Sein herausgequollenes Hirn umrahmt seinen Kopf wie ein Heiligenschein. Die Pflastersteine in der Gegend seines Unterleibs sind braun gesprenkelt. Der Geruch von Kot schwebt durch die Luft. Pats nackte Beine sind grotesk verdreht. Sein kleiner schlaffer Pippimann liegt mit den Beinen auf gleicher Höhe, umrahmt von Thujazweigen aus der Weihnachtsdekoration des viereckigen Pflanzkübels davor. Es sieht so aus, als hätte sein kleiner Freund einen Siegeskranz umgelegt bekommen und ich lache hysterisch, als ich mit meinen paar Habseligkeiten im Rucksack an ihm vorbeilaufe.

      »Lieber Gott, ich wollte doch nicht, dass Pat stirbt.«

      »Ich bin ein Mörder!«

      »Mama, ich bin ein Mörder. Ich habe Pat umgebracht. Es ist so viel geschehen, seit du tot bist, Mom. Mein Leben ist verwirrt. Mir kommt alles so unwirklich vor. Du bist wegen mir gestorben, Mami! Weil ich das Müsli nicht ohne Haselnüsse essen wollte! Mein Zuckerwattegehirn spielt mir oft Streiche. Ich höre dich reden, singen, lachen, kann dich sogar riechen und fühlen. Ich habe mein Studium geschmissen, Mom!

      Du bist wirklich tot, Mami?«

      Damals.

      »Verdammte Scheiße! Keine Haselnüsse für mein Müsli im Haus. Du bist schuld, wenn ich durch meine Matheklausur rassele. Wo ist mein grünes T-Shirt verdammt noch mal? Immer noch in der Wäsche?«

      Wütend knalle ich die Küchentüre zu, setze einen Tritt mit dem Fuß nach. Es reißt ein Ei großes Loch in die Tür. »Keine Qualität! Wie so vieles in diesem Haus«, brülle ich.

      Mama sieht mich traurig an, nimmt ihren Autoschlüssel von dem Haken rechts neben der Haustür, sagt: »Bin gleich wieder da. Ich gehe Haselnüsse holen.«

      Schuldbewusst spähe ich aus dem Küchenfenster, weiß, dass ich gerade mal wieder übel mit Mama umgesprungen bin, und sehe, wie sie sich mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht wischt.

      Verdammte Scheiße!

      Ich gehe ohne Frühstück aus dem Haus, Mama ist immer noch nicht zurück. Ich fahre wie immer mit dem Fahrrad zur Hochschule. Mein Weg ist nicht weit, aber ich hätte trotzdem gerne, wie die meisten meiner Kumpels ein Auto gehabt, mache meinem Ärger darüber auch immer wieder lautstark Luft.

      Ein Krankenwagen fährt mit rasender Geschwindigkeit knapp an mir vorbei, der Fahrer hat sein Fenster geöffnet, ich höre den Soundtrack von ‚Spiel mir das Lied vom Tod’. Die wehenden Haare des Mannes verdecken sein halbes Gesicht. Ich sehe einen kauenden Mund, spüre den Lufthauch des Wagens in meiner rechten Gesichtshälfte und im Nacken, falle fast vom Rad.

      »Arschloch!«

      Es folgt ein Polizeiauto mit kreisendem Blaulicht.

      »X hoch 2 plus PX plus Q gleich 0. Mitternachtsformel?

      X hoch 2 plus PX plus Q ist wie viel?« Zwei Feuerwehrautos.

      Nichts Außergewöhnliches. Die städtische Feuerwehr hat ihren Sitz in unmittelbarer Nähe der Hochschule, trotzdem erschrecke ich tierisch. Das Sirenengeheul tut mir in den Ohren weh.

      »X hoch 2 plus PX plus Q gleich 0. X hoch 2 plus PX gleich 0.

      Wie lautet verflixt noch mal die Mitternachtsformel? Mathe kotzt mich an!«

      Ich stelle mein Rad auf dem überfüllten Parkplatz am Campus ab, kette es sorgfältig an einem Baum fest, (es ist schon mein Drittes), und sehe aus den Augenwinkeln einen weiteren Einsatzwagen des Rettungsdienstes die Straße entlang rasen.

      »X hoch 2 plus PX plus Q gleich 0. X 2 plus Q plus PX gleich 0.

      X hoch 2 plus PX plus Q ist dadada. Scheiße!

      Ich werde mir diese verdammten Formeln nie merken können!«

      »Sprichst du immer mit dir selbst?«, lacht Maren, die plötzlich hinter mir steht. Ihr Atem geht stoßweise, als sie ihr Rad ankettet.

      »Zu schnell in die Pedale getreten«, japst sie.

      »Schönen Tag noch Davide. Und ganz viel Daumen-Drück für deine Matheklausur. Meine habe ich letzte Woche gründlich verhauen. Mir ist die Zauberformel abhanden gekommen.« Maren lacht.

      Ich treffe die Schweinebacke Hohlmeier vor der Eingangstür. Dieser Fiesling von Prof freut sich immer diebisch, wenn ein Student eine Klausur verhaut.

      »Heute ist deine letzte Chance«, grinst er mich an, als ich ihm die Tür aufhalte. »Blöde Sau!«

      »X2 plus PX plus was ist gleich wie viel? X hoch 2 plus was ist gleich was?«

      »Scheiße!«

      »Ich wecke dich heute Nacht aus dem Tiefschlaf, will die Mitternachtsformel von dir wissen. Das mache ich so lange, mein Sohn, bis sie dir in Fleisch und Blut übergegangen ist.«

      »Das tust du nicht Mama!«

      Und natürlich hat mich meine verrückte Mom aus dem Schlaf gerissen. Drei Nächte hintereinander. Um Mitternacht.

      Ich grinse und löse meine Aufgaben rasch.

      Es klopft, Hohlmeier schüttelt unwillig seinen Kopf, schleicht sich zur Klassenzimmertür, öffnet diese nur einen Spaltbreit, ich sehe schwarze Schuhe und eine grüne Uniform.

      »Sie können hier nicht rein«, sagt Hohlmeier zu dem Polizisten und geht vor die Tür. Die Gelegenheit nutze ich und hole die heroische Formel zur Berechnung des Drachen aus meiner Socke raus.

      »Davide«, sagt Hohlmeier plötzlich leise hinter mir. Ich hatte ihn nicht hereinkommen hören und zucke erschreckt zusammen. Jetzt flieg ich raus, er hat mich beim Spicken erwischt, denke ich.

      »Davide«, flüstert die Schweinebacke heiser. »Komm doch mal mit vor die Tür.«

      Die Mama war gleich tot, musste nicht leiden …

       2. Kapitel

      Time to say good-bye.

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