Ave Maria. Gisela Sachs

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Ave Maria - Gisela Sachs

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lautes Tiergeschrei. Ich melde mich als ehrenamtlicher Helfer am Kassenhaus, die Dame freut sich, ich darf mich im Park umschauen, der Chef kommt erst in einer Stunde. Sie drückt mir eine Tüte säuberlich geschnittener Karotten, Apfelschnitze und eine Wegbeschreibung in die Hand.

      Nach ein paar Metern Fußweg stehe ich Auge in Auge mit einem Kranich.

      Hiiilfe! Ich habe gar nicht gewusst, dass diese Viecher so groß sind. Ich peile als erstes den ‚Lebensbereich Teich’ an, danach den Naturlehrpfad und den ‚Lebensraum Steinhaufen’. Die Schreie der Kraniche, Pfauen und Affen verfolgen mich. Ein grauseliges Orchester!

      Zwei Stunden später habe ich statt einer ehrenamtlichen Tätigkeit einen Vertrag für einen Minijob in der Tasche. Ich soll nach Parkschluss mit dem Rad das Zoo-Gelände abfahren, nachschauen, ob sich niemand darin versteckt hat, bei den Tieren alles in Ordnung ist, die Wege säubern und die Mülleimer leeren.

      An meinem dritten Arbeitstag werde ich fündig. Der ‚Lebensbereich Teich’ ist mit Holz überdacht, links und rechts sind Betonwände, zum Teich hin eine Glaswand. Da hat es sich einer bequem gemacht, sehe ich.

      »Sie müssen den Park jetzt bitte verlassen.«

      »Warum?«

      »Weil wir jetzt schließen.«

      »Ist doch mir egal.«

      »Uns aber nicht. Bitte gehen sie.«

      »Arschloch!«

      »Gehen sie endlich!«

      »Lass mich in Ruhe.«

      Der verwahrloste Mann will sein behagliches Bett aus alten Zeitungen nicht aufgeben, nimmt immer wieder einen tiefen Schluck aus seiner Pulle mit dem Meckstädter Doppelkorn und ich versuche noch einmal den Eindringling höflich daran zu erinnern, dass wir jetzt Feierabend haben und er hier unerwünscht ist.

      Der grauselig riechende Mensch wird wütend, schmeißt mir voller Wut die halb volle Flasche ins Gesicht, meine Nase knackt laut, mein Blut spritzt wie eine Fontäne in alle Richtungen, ich sehe Sterne. Viele. Sternenhimmel!

      »Volltreffer«, grölt der Penner begeistert.

      Ich ziehe den Kerl an seinen Haaren hoch, schüttle ihn, knalle ihn gegen das Holzgeländer an der Brücke, mein Blut läuft über sein Gesicht und ich schlage wütend auf ihn ein. Schlage immer wieder ein in seine blöd grinsende Fresse.

      »Verschwinde endlich.«

      »Halt’s Maul du Arsch-Ficker.«

      Ich versetze dem besoffenen Typen einen kräftigen Stoß mit meiner Faust, schubse ihn vor mir her, wie einen bockigen Esel. Ein Schubser. Er bleibt stehen. Ein Schubser. Er bleibt wieder stehen.

      »Lauf endlich!«

      »Halt dei Gosch.«

      Ich schubse ihn kräftiger, setze einen Fußtritt hinterher, trommle mit meinen Fäusten auf seinen Rücken ein, da fällt der Kerl in den Teich, gibt keinen Mucks mehr von sich und säuft so schnell zwischen Seerosen und Sumpfdotterblumen ab, dass ich staune.

      Ich setze meinen Rundgang fort und finde eine leere Spritze im

      ‚Lebensraum Hecke’. Als ich sie aufheben will, huscht eine Spitzmaus erschreckt vor mir davon.

      ‚Lebensraum Hecke’ zerkratzt meine Beine, meine Hände, meine Sinne. Durch Spinnwebenkunstwerke sehe ich schemenhaft Säckchen aus Leinen baumeln. Ich schneide wieder einmal das Anglergarn durch, stecke die Leinensäckchen in meine Hosentasche, verschweige meinen Arbeitgebern den Fund.

      Sorgfältig überprüfe ich den Spielplatz, laufe über das Klettergerüst, krabble suchend über das gelb rot blaue Trampolin. Ich bin erleichtert, als meine Suche ergebnislos verläuft. Die Kinder sollen Kinder bleiben dürfen.

      Hinter dem alten Holunderbaum nahe dem Holzsteg beim ‚Lebensbereich Teich’ werde ich abermals fündig. Ich verstaue die Leinenbeutel vorerst in meiner Hosentasche, dann bei mir zuhause in der Kommode im Wohnzimmer.

      »Im Teich des Affen-Zoos in Schwaigern liegt eine Leiche«, melde ich der zuständigen Polizeidienststelle in Lauffen und lege den Hörer auf, bevor man mich etwas fragen kann. Erschöpft sinke ich in meinen Schaukelstuhl vor dem Wohnzimmerfenster.

      Ich schaukele hoch und runter und immer wieder hoch und runter. Mein Blick fällt auf die Kommode. Da sind sie drin meine Freunde – die Spritzen und die Pillen. Ich öffne die Schublade und sie lachen mich an. Da fällt mir Amy Winehouse ein und schnell mache ich die Schublade wieder zu. So enden, wie die Rockröhre will ich nicht!

      Ich werde mir Badewasser einlassen. Mit Lavendelduft. Oder Orange-Melisse-Duft vielleicht? Mama hat immer in diesen Düften gebadet, wenn sie überdreht, nervös und aufgeregt war.

      »Ein warmes Bad und eine Tasse heiße Milch mit Honig, dann sieht die Welt schon wieder bunter aus.«

      Ich mache Milch heiß, rühre drei Esslöffel Lindenblütenhonig darunter, verbrenne mir die Zunge beim ersten Schluck, lasse das Badewasser einlaufen, und während ich mich ausziehe, fällt mein Blick auf das gelbe Büchlein auf dem Badewannenrand.

      Mom hat den kleinen Kerl geliebt. Sehr sogar. Obwohl sie den

      ‚Kleinen Prinzen’ von Saint-Exupèry auswendig herunterbeten konnte, hatte sie ihn immer wieder in der Badewanne nachgelesen.

      »Es muss feste Bräuche geben.«

      In Schwermut eingetaucht, weine ich um Mama, steige aus der Wanne, haste zu der Kommode im Wohnzimmer, reiße die Schublade auf, meine Freunde und Amy lachen mir voller Vorfreude zu.

      ‚Back to Black.’

      Ich lache zurück, greife mit gierig zitternden Händen nach einer Einwegspritze und schicke mich in das Land der Träume.

      Zurück in Trauer. Ich hau mich hin.

      Ich war zu lange (weg), bin froh zurück zu sein (ich wette du weißt, ich bin …).

      Ja, ich bin frei gelassen worden

      Aus der Schlinge, die mich herum hängen ließ.

      Ich habe den Himmel angeschaut, weil es mich glücklich macht. Vergiss den Leichenwagen, weil ich niemals sterbe.

      Ich besitze neun Leben. Katzenaugen.

      Beschimpfe jeden von ihnen und tobe herum. Weil ich zurück bin.

      Ja, ich bin zurück. Gut, ich bin zurück.

      Ja, ich bin zurück, zurück, zurück, zurück, zurück.

      Das Letzte was ich höre sind die Kirchenglocken der nahegelegenen Matthäus-Kirche.

      »Mamiiiiiiiiiiiiiiiiii!«

      Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, was für ein Tag heute ist.

      Ist es überhaupt Tag? Ich höre einen schrillen Dauerton. Was ist mit meinen Ohren los? Tinnitus? Hält da jemand vielleicht seinen Daumen auf die Haustürglocke?

      Ich

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