Ave Maria. Gisela Sachs
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Читать онлайн книгу Ave Maria - Gisela Sachs страница 8
Ich ziehe das Rollo hoch, öffne das Fenster und mein Blick schweift suchend über unseren Vorgarten. Mir ist speiübel, mein Magen dreht sich wie der Schleudergang meiner Waschmaschine und ich kotze grüngelbe Brühe aus dem Fenster.
Ein Schatten springt rückwärts in den Garten.
»Da habe ich aber noch einmal Glück gehabt.«
»Was tun sie hier?«
»Wer sind sie?«
»Jetzt wird es aber Zeit zum Aufstehen junger Mann.«
Die Stimme kenne ich, kann sie aber niemanden zuordnen. Meine Brille. Verdammt noch mal, wo habe ich meine Brille abgelegt.
»Wir hätten da ein paar Fragen.«
»Ja?«
»Mach mal die Haustür auf, mein Junge!«
Jetzt erst erkenne ich Harald Meckle, den Hauptkommissar und Pressesprecher der Heilbronner Polizei. Ohne meine Brille bin ich blind wie ein Maulwurf, ich taste mich die Treppen runter bis zur Haustür.
»Guten Morgen. Ich habe dich wohl aus deinen Träumen gerissen?«
Was soll ich darauf antworten?
Ich öffne die Haustür bis zum Anschlag.
»Nach dir«, sagt Kommissar Meckle.«
»Und immer schön der Wand entlang!«
Meckle läuft hinter mir her, ins Wohnzimmer, schaut sich kritisch um, drückt mich sanft auf das Sofa zwischen den bunten Kissenberg, setzt sich mir gegenüber.
»Du siehst so richtig verratzt aus!«
»Nichts gegessen?«
»Lange nicht mehr gewaschen!«
»Du stinkst wie ein alter Ziegenbock!«
Kommissar Meckle steht auf und reißt das Fenster sperrangelweit auf.
»Dein vernebeltes Gehirn braucht Sauerstoff«, knurrt er.
»Bin gleich wieder da.«
Meckle hat eine Aktentasche unter dem Arm, als er zurückkommt.
»Iss«, befiehlt er und streckt mir seine Vesperdose entgegen.
»Leberwurst«, sagt er.
»Mit Gurkenscheiben drauf. In der Thermoskanne ist Pfefferminztee. Pass auf, der ist noch heiß!«
Ich esse gierig, trinke Pfefferminztee.
»Langsam, langsam, junger Mann, sonst kommt die Brühe wieder hoch.«
»Du wirst im Leintal-Zoo vermisst, hast deine Arbeit nicht mehr angetreten«, sagt er nach einer Weile.
»Ja.«
»Was ja?«
»Ich meine nein.«
»Was jetzt? Ja oder nein?«
»Ich war nicht mehr dort.«
»Wie lange nicht?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber ich.«
»Was wissen sie?«
»Die Fragen stelle ich hier.«
»Aus dem Teich im Leintal-Zoo wurde eine männliche Leiche geborgen. Hast du irgendetwas Verdächtiges bemerkt? Gesehen? Eine auffällige Frau vielleicht?«
»Nein! Ich habe keine verdächtige Frau gesehen.«
»Und gefunden hast du auch nichts? Bist du dir da sicher? Gefüllte Leinensäckchen vielleicht? Mit Anglerschnur an Gebüsche festgebunden vielleicht?
»Nein!«
»Man hat dich beobachtet, Davide.«
»Auf was wollen sie hinaus?«
»Was genau werfen Sie mir vor?«
»Wer hat was gesehen?«
»Was meinen sie zu wissen?«
Meckle streicht sich gedankenvoll über seine Stirn.
»Viele Fragen auf einmal.«
»Mir wisse, was mer wisse! Bist du satt Bub?«
»Ja.«
Kommissar Meckle packt seine Vesperdose und die Thermoskanne in seine abgeschabte braune Ledertasche.
»Der Mann war übrigens schon tot, bevor er ins Wasser fiel. Herzinfarkt. Um den geht es nicht. Es geht um die Säckchen. Nur um das Dope. Wir beide hatten erst kürzlich das Vergnügen miteinander. Da waren auch Säckchen aus Leinen im Spiel.
Ich komme wieder. Pass gut auf dich auf, Davide!«
Ich finde meine Brille auf dem Boden neben meinem Schaukelstuhl, erschrecke, als ich mich im Badezimmer-Spiegel sehe.
Das bin ich?
Ich halte das fremde Gesicht unter die Brause und hoffe auf die schnelle Wirkung eiskalten Wassers. Ich sollte mich rasieren, sehe aus wie ein Igel. Wo sind meine Rasierklingen? Ich wühle im Badezimmerschrank und Schubladen. Meine Beine sind schwer wie Blei, mir ist alles zu viel, am liebsten würde ich mich wieder ins Bett verkriechen. Endlich finde ich den Kulturbeutel. Er stand die ganze Zeit direkt vor mir und ich hatte ihn übersehen. Was ist nur los mit mir?
Ich krame wie wild in dem Beutel herum. Eine Rasierklinge findet ungeschützt den Weg zwischen meine Finger. Der unerwartete Schmerz lässt meinen Atem stocken und ich schaue ungläubig auf das viele Blut. Schaue zu, wie es von meinen Fingern tropft und lautlos in der weißen Badewannenvorlage versickert.
Ich fühle Schmerz.
Und ich spüre mich plötzlich wieder!
Kommissar Meckle hat seine Zeitung aufgeschlagen auf meinem Sofa liegen lassen, bemerke ich. Warum mischt der Polizist sich in mein Leben ein? Die Seiten mit den Stellenanzeigen springen mich förmlich an: Eine Stelle als Kellner, als Büroaushilfskraft, Verkaufsfahrer bei bofrost, Pflegehelfer im städtischen Tierheim, Schichtführer für Reinigungsund Aufräumarbeiten, Quereinsteiger für den Außendienst, Wachpersonal, Bürokraft in einer Futtermittelund Sachtransportfirma. Warum nicht?
Wo ist mein Papier? Die Umschläge?
Mein Schreibzeug?
Ich wühle wieder planlos in Schubladen und Schränke, finde nicht das, was ich suche, werfe das unnütze Zeug achtlos auf den Boden und lasse es dort liegen.
Ich