Schwiegermutteralarm. Gisela Sachs
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2. Kapitel
Unsere Hochzeit fand in der katholischen Kirche St. Eberhard statt. Mit allem Gedöns. Genauso, wie es sich Oma Klärchen erträumt hatte: mit der ganzen verratzten Verwandtschaft. Nach der Zeremonie mit viel Geplärre wurden Erinnerungsbilder am Pusteblumenbrunnen geschossen. Und danach ging es endlich zum Essen. Mir hing der Magen schon bis zu den Knien, als wir in das »Restaurant Wielandshöhe« einliefen. Die Tische waren festlich eingedeckt. Kerzen flackerten um die Wette. Überall standen Blümchen herum.
»Hinreißende Blumenarrangements« jauchzte meine Schwiegermutter.
»Ganz neue Impulse«
Sie war ganz aus dem Häuschen.
Keine Ahnung, was das für Blümchen waren, das war mir auch ziemlich egal, ich hatte Kohldampf. Und wie! Mir war schon ganz schlecht vor Hunger.
Und dann kamen alle halbe Stunde ein paar Häppchen. Als erstes ein Apfel-Meerrettich-Süppchen. Grad mal ä Göschle voll. Aber meine Schwiegermutter war begeistert. Sie verdrehte weltentrückt die Augen, zog den Duft genießerisch und laut durch die Nase, stöhnte beim Ausatmen: »Mmmmh«
Später wurde ein Sülzchen von geräuchertem Hecht und Zander mit Orangen-Fenchelsalat serviert. Wieder nur ä Göschle voll. Und wieder verdrehte meine Schwiegermutter weltentrückt die Augen und stöhnte:
»Mmmmh«
Es folgten Perlhuhn in Amalfizitrone, Rahmsoße, Grießnocken. Filet von Würzbachtalforelle auf Heckengäulinsen. Ich hatte bis dato keine Ahnung, was Heckengäulinsen sind, meine Schwiegermutter hatte das Menü bestellt. Die Location ausgesucht. Sie liebt das Außergewöhnliche, den Luxus. Sie schielte mittlerweile wie eine Beutelratte: »Mmmmh«
Für dieses Hochzeitsessen gingen ihre gesamten Ersparnisse drauf.
»Mein einziges Kind ist mir das wert« flüsterte sie mir ergriffen zu.
»Als Friseurin verdient man ja nicht allzu viel«
»Ich muss mal« gab ich zurück, ging so unauffällig wie möglich nach draußen, wo der Typ vom Pizza Service schon auf mich wartete, riss ihm den duftenden Karton förmlich aus der Hand und steckte ihm einen 20Euro-Schein zu.
»Stimmt so« sagte ich, setzte mich in mein Auto und stopfte heißhungrig die Thunfisch-Pizza in mich hinein, die ich per Handy und von der Herren-Toilette aus geordert hatte. Danach war ich aufgeschlossener gegenüber dem Göschle voll Valrhona-Schokoladenpudding, Aprikosenconfit und Vanille Glace, das als Nachtisch gebracht wurde.
»Ein himmlisches Dessert« seufzte meine schielende Schwiegermutter.
»Ein himmlisches Dessert« echote meine Traumfrau. Und auch Oma Klärchen verdrehte verzückt die Augen und seufzte: »Das ist der schönste Tag in meinem Leben, Bub«
Ich wollte meine bescheidene Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in Bad Cannstatt auflösen, wollte, um die Mietkosten zu sparen, während der Bauphase unseres Hauses bei meiner Oma wohnen. »Du hast einen Knall, Olli« meinte Oma Klärchen, als ich ihr den Vorschlag unterbreitete. »Eheleute gehören zusammen«
»Wo sie Recht hat, hat sie Recht« sagte meine Schwiegermutter. Und auch Dania nickte. So zog ich gleich nach unserer Hochzeit in die Wohnung meiner Schwiegermutter in Stuttgart-Berg.
3. Kapitel
Das erste Jahr ging schnell vorüber. Seit ein paar Wochen schon wohnen wir in unserem Reihenhäuschen in Stuttgart-Feuerbach. Links neben unserer Haustür führt ein schmaler Weg zu unserer Erdgeschosswohnung. Meine Schwiegermutter fühlt sich sehr wohl in ihrem Puppenstubenreich dort unten im Keller. Sie verfügt über ein kleines Badezimmer mit Dusche, eine Miniküche, ein Schlafzimmer und einen Wohnbereich mit direktem Zugang zu unserer Terrasse, den sie nicht allzu häufig nutzen wird, wie ich hoffe.
Wir drei verstehen uns gut, von den kaum erwähnenswerten Reibereien, die wir in der viel zu kleinen Wohnung in Stuttgart-Berg hatten, einmal abgesehen. Kein großes Kunststück, wir sehen uns nur am Wochenende und meist auch nur für ein paar Stunden. Ich spiele montags und freitags Fußball in der Sportvereinigung Feuerbach. Gleich nach Feierabend. Danach gehe ich mit den Kumpels noch was trinken, schwuppdiwupp ist es dann meist auch schon Mitternacht, manchmal auch etwas später.
Meine Ehefrau ist kinosüchtig. Sie nutzt jeden Dienstag und Freitag die Kinotage im Ufa-Palast. Und weil an diesen Tagen der Einlass nur 5 Euro kostet, schaut sie sich über »Doktorspiele«, »Biene Maja« und »Drachenzähmen« so ziemlich alles an was geboten wird, mit ihrer Mama natürlich. Samstags erledigen meine zwei Frauen gemeinsam die Hausarbeit. Alles was halt so angefallen und liegengeblieben ist unter der Woche. Mich schicken sie gleich nach dem Frühstück mit dem Einkaufszettel los. Auch für das Getränke holen und das Altpapier entsorgen bin ich zuständig, also ist der halbe Samstag auch schon weg. Sonntags besuchen meine Schwiegermutter und meine Ehefrau den Gottesdienst in der St. Josef Kirche, halten anschließend noch einen Plausch mit dem Herrn Pfarrer.
Wenn meine Damen dann so gegen 12.30 Uhr zurückkommen, gibt es Mittagessen: Rostbraten mit Spätzle und schwäbischen Kartoffelsalat - unser Sonntagsund Feiertagsessen. Und wenn meine Schwiegermutter und meine Ehefrau danach die Küche sauber machen, gönne ich mir ein Nickerchen. Somit ist der halbe Sonntag auch schon rum.
Nach meinem Mittagsschlaf mache ich mich auf den Weg zum Sportplatz. Und nach dem Fußballspiel trinke ich mit meinen Kumpels noch ein Pilschen, meist ein zweites, manchmal auch ein drittes.
Es könnte alles so schön sein. Aber wenn ich heimkomme, hocken meine Schwiegermutter, meine Ehefrau und meine Oma nebeneinander auf dem Sofa wie die Hühner auf der Stange und stricken wie besessen: Handschühchen in rosa, Handschühchen in gelb und Handschühchen in hellblau.
Auf dem Tisch liegen bergeweise Erstlings-Ausstattungkataloge. Mann, was willst du mehr, oder? Ich fühle Druck. Verdammt viel Druck!
4. Kapitel
Wie jeden Morgen schmiert meine Schwiegermutter meine Vesperbrote fürs Geschäft, während Dania sich im Badezimmer für ihre Arbeit am Stuttgarter Flughafen stylt. Heute gibt es Erdbeermarmeladenbrote. Zwei Erdbeermarmeladenbrote fürs Frühstück und zwei Himbeermarmeladenbrote als Mittagessen. Die Marmelade frisch gekocht aus Beeren aus unserem Vorgarten. Mit Zettelchen versehen. Damit ich die Frühstücksbrote nicht mit den Mittagsbroten verwechseln kann. Dazu gibt es eine Thermoskanne mit Tee, Melisse oder Fenchel.
Sie steckt die Brote in den Beutel aus Leinen, den sie mir, selbst genäht und selbst bestickt, letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, bringt ihn nebst der Thermoskanne in meiner Aktentasche unter. Auch ein Geschenk von ihr. Zum Geburtstag. Ich hasse Aktentaschen. Vor allem hellbraune. Die Dinger sind etwas für Opas, wie ich meine. Aber was sollte ich machen, ohne undankbar zu erscheinen? Immer, wenn ich nicht so will, wie meine Damen wollen, bin ich der böse Bube.
So hätte ich z. B. ganz gerne einen Fliederbusch in unserem Vorgarten gehabt. So wie meine Uroma.