Hans im Glück. Gisela Sachs
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Unweigerlich führt mein Weg bei Douglas meiner Stammparfümerie vorbei. Als ich das Schaufenster betrachte und meinen Badezusatz erblicke, kann ich mein heute ausgefallenes Bad förmlich riechen. Allein schon die Verpackung reizt meine Sinne, ich will es haben, mein Bad, das mich in Träume versetzen kann, mir höfisches Leben vorgaukelt, mir schöne Diener den Rücken salben lässt. Somesvara ich komme, murmele ich vor mich hin und mache mich auf den Heimweg.
»Hallo, du bist es nicht wirklich?«, werde ich von hinten angesprochen.
»Karin? Du? Wir haben uns ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Bist du nicht vor ein paar Jahren nach Stuttgart gezogen?«
»Stimmt«, strahlt sie mich an.
»Was machst du hier in unserer alten Neckarstadt? Hat dich das Heimweh hierher geführt?«
»Nicht wirklich. Ich mache Ehe-Urlaub bei meiner Schwester.«
»Ehe-Urlaub?«
»Hast du Zeit für eine Tasse Kaffee?«
»Eigentlich wollte ich nach Hause, aber passt schon. Versäumen tue ich nicht wirklich etwas. Ich schlage vor, dass wir ins Insel Hotel gehen. Die haben dort einen wunderschönen mediterranen Garten mit Springbrunnen und als Leihgabe der Stadt steht eine Schwimmerin aus Stein auf den Granitfliesen. So etwas gefällt dir doch? Ich habe dich jedenfalls so in Erinnerung, dass du südländisches Flair magst.«
»Das weißt du noch? Ist ja stark. Dein Langzeitgedächtnis habe ich schon immer bewundert.«
Wir laufen Arm in Arm durch die überfüllte Stadt, schnattern dabei wie die Enten, die sich am Neckarufer streiten. Es sieht aus, als würden die Tiere mit Pommes gefüttert. Der kleine Steppke, den ein etwa 15 jährigen Mädchen unwillig an der Hand hinter sich her zerrt, greift immer wieder in eine Tüte. Ein Schnabel Pommes für die Enten, ein Schnabel Pommes für ihn. Wir lachen, als wir das sehen.
»Ich könnte einen Roman darüber schreiben, was bei uns so alles los ist«, erzählt Karin.
»Ohne dass ich mein Haus verlassen muss, kann ich Stoff für 500 Romanseiten zusammen bekommen.«
»So schlimm?«
»Noch schlimmer.«
»Darüber reden wir später ausführlicher.«
»Nehmen wir den Platz neben dem Brunnen?«
»Gerne. Ich liebe das Plätschern solcher Wasserspiele. Zu Hause habe ich auch einen Brunnen. Direkt neben meinem Kräutergarten. Wenn ich in meinem Garten arbeite, den Brunnen plätschern höre, vielleicht ein wenig Vogelgezwitscher dazwischen, dann ist meine kleine Welt in Ordnung. Da kann ich so richtig abschalten.«
»Du hast einen Kräutergarten? Klingt gut. Wahrscheinlich kochst du immer noch mit der gleichen Leidenschaft wie früher bei unserem Hauswirtschaftsunterricht. Das war so etwas. Kannst du dich noch an das verschrobene Fräulein Huber erinnern? Die hatte immer Strickstrümpfe an, trug Birkenstocksandalen dazu und immer den gleichen dunkelblauen Plisee-Rock.«
»Klar doch, die Huber hatte Seltenheitswert, an die werden sich unsere ehemaligen Mitstreiter auch noch erinnern können. Das Schlimmste war, dass wir auch essen mussten, was wir gekocht hatten.«
»Ein schöner Zufall, dass wir uns heute getroffen haben. Jetzt leg mal los und erzähle, was es mit deinem EheUrlaub auf sich hat.«
»Das ist eine lange Geschichte. Hast du Zeit?«
»Ich werde sie mir nehmen.«
»Es war so, dass mein Mann mit unserer Nachbarin ein Techtelmechtel hatte. Ich habe es lange nicht gemerkt. Nie hätte ich von meinem Klaus gedacht, dass er fremdgehen würde. Wenn unsere Nachbarin in ihrem Garten arbeitete, mähte er unseren Rasen. Nachbarliche Kontakte sind nett, sollte man pflegen, habe ich gedacht und unsere Nachbarin zum Kaffee eingeladen. Sie ist Witwe und kinderlos. Besuch bekommt sie seit dem Tod ihres Mannes nur selten.
Normalerweise ergreift mein Mann bei Kaffeekränzchen die Flucht. Kam aber unsere Nachbarin, saß er immer dabei und rührte sich nicht vom Fleck. Man müsse dem Mädchen Hilfe anbieten, hat er gemeint. So zart wie sie ist, wäre sie mit ihrem großen Garten überfordert. Sie sei auch noch so jung mindestens 15 Jahre jünger als ihr verstorbener Mann. Der war 50 Jahre alt, als er starb. Das hatten wir in der Todesanzeige gelesen. Sie habe niemanden, der ihr zur Hand gehen kann, wenn zum Beispiel ein Wasserhahn tropfen würde. Frauen können so etwas doch nicht.
‚Ich würde ihr den Hahn reparieren’, meinte mein Mann. Irgendwann einmal hat dann der Wasserhahn getropft.
Mein Mann fing an, sich jugendlicher zu kleiden. Er wurde über Nacht zum Karatefan. Dreimal in der Woche hatte er Übungsstunden. Dreimal in der Woche geht unsere Nachbarin schwimmen. Ihr Schwimmverein trainiert zur etwa gleichen Zeit wie mein Mann Karate, habe ich gedacht, als sie immer kurz nach ihm ihr Haus verließ. Ihre Kurse hatten ungefähr auch zur selben Zeit Schluss. Sie kamen kurz nacheinander wieder. Mein Mann mähte ständig unseren Rasen, obwohl dieser streichholzkurz war. Immer dann, wenn die Nachbarin in ihrem Garten war, wurde unser Rasen gemäht. Ich habe ihn damit aufgezogen, dass er jetzt alt und komisch werde, daraufhin reagierte er sehr erzürnt.«
»Oh, da hast du aber einiges erlebt. So etwas würde mein Mann nie tun.«
2
Stunden später laufe ich gedankenverloren durch die Stadt.
Viele Leute sind unterwegs, die Cafés sind überfüllt und als ich am beliebtesten Eiscafé der Stadt vorbeilaufe, prangt mir ein Schild mit einer neuen Eissorte ins Auge.
‚Rose Speziale‘. Ein Eis mit Rosenduft, unglaublich. Ich stelle mich in die Menschenschlange, 10 Minuten Wartezeit sind optimistisch gedacht, und lasse meine Augen kreisen.
Kein Sitzplatz weit und breit. Ein Liebespaar löffelt gemeinsam aus einem Becher die neue Eisvariante, sie verdreht verzückt die Augen, schiebt ihm ein Löffelchen der zarten Masse in den Mund, kleckert rote Farbe auf sein blütenweißes Hemd, lacht dabei. Au weia, der Fleck geht nicht mehr raus, schießt es mir durch den Kopf und ich merke erst dann: Es ist mein Mann, der da turtelt! Seine Begleiterin erkenne ich jetzt auch. Das Fräulein packt bei Douglas die Geschenke ein.
Mein Herz schlägt im Dreiviertel-Takt, meine Hormone tanzen Rock `n´ Roll. Schweißgebadet krame ich nach meinem Telefon. In meiner übergroßen Handtasche kann ich selten etwas mit dem ersten Griff finden. Ich halte Slipeinlagen in den Händen, als ich zwischen meinem Deo, meinem Lippenstift und anderen Utensilien endlich mein Mobiltelefon orten kann. Ich stehe mit dem Handy in der Hand da wie angewurzelt, bin zu aufgeregt, um es auf Anhieb bedienen zu können. Befremdete Blicke vorbeilaufender Passanten treffen mich. Ich nehme es nur schemenhaft wahr. Mein Gehirn besteht aus Zuckerwatte.
»Ulla«,