Hans im Glück. Gisela Sachs

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Hans im Glück - Gisela Sachs

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ist Türkin. Es ist ihr fünftes Kind. Sie zeigt mir die Anzahl ihrer Kinder, indem sie die geballte Faust ihrer linken Hand ruckartig in die Luft reißt, ihre fünf Finger spreizt und jeden einzelnen Finger liebevoll drückt, dabei laut und stolz lacht. Ihre Zahnlücken sind deutlich sichtbar, einige Zähne sind mit Gold ausgebessert. Für jedes Kind ein Stück Gold?

      Sie spricht kein Deutsch und ich werde es wohl nie erfahren, denke ich. Ihr Mann steht stolz vor dem Bett und strahlt seine »Anne« an.

      Anne bekommt viel Besuch von Frauen, die ausnahmslos Kopftücher tragen. Die Frauen sprechen wenig bis gar kein Deutsch, schnattern fröhlich durcheinander, wenn sie täglich mit vollen Tüten in das Krankenzimmer stürmen. Sie erscheinen immer in der gewohnten Fünfergruppe, meist schon morgens nach der Visite. Sie sind sich einig. Eine frisch entbundene Frau hat alle Aufmerksamkeit der Welt verdient. Solidarität, die beeindruckt. Ich kenne bald ihre Namen. Sie heißen Hatice, Ayse, Lative, Nasika und Pinar.

      Es könnte sein, dass es ihnen entgangen ist, dass es hier regelmäßig Essen gibt. Wahrscheinlicher scheint es mir aber, dass sie der Krankenhauskost nicht trauen. Die frisch gebackene Mutter soll mit heimischer Kost versorgt werden.

      Ich werde von den fürsorglichen Frauen mitversorgt, darf von all ihren Köstlichkeiten der türkischen Küche probieren, bekomme den dazugehörigen Namen gesagt und werde anschließend von der ganzen Meute beobachtet.

      Sage ich »oh«, freuen sich alle, lachen und klatschen in die Hände, verziehe ich das Gesicht, wiederholen sie den Namen des Gerichts, lachen noch mehr und klatschen noch lauter in ihre Hände. Verständnis ohne Worte.

      Die Solidarität gefällt mir. Als sie mir aber mein Tablett mit meinem Mittagessen wegnehmen, dieses kopfschüttelnd auf den Klinikflur hinaustragen und auf dem bereitgestellten Wagen für Schmutzgeschirr abstellen, wehre ich mich entschieden.

      »Ich will mein Schweineschnitzel mit den Spätzle wieder haben!«, rufe ich laut.

      Das war das Ende unserer Freundschaft.

      Zeitlupengleich öffnet sich später die Tür, die Frauen starren gebannt darauf, vergessen zu kauen und erschrecken sehr, als ein Bärenkopf ins Zimmer schaut. Zuerst lugt ein brauner Kopf mit riesengroßen Knopfaugen, danach eine grüßende Hand, später ein frech wippender Fuß ins Zimmer. Letztendlich ist der Mensch sichtbar, der mit ausgefransten Jeans und Turnschuhen solche Narreteien treibt und den Riesenbären wie eine Trophäe vor sich herschleppt.

      »Den habe ich im Spielzeugladen in unserer Straße gekauft. Er stand zu lange im Schaufenster und hat ein paar helle Flecken von der Sonne abbekommen, deshalb konnte ich den Preis runter handeln. Ein echtes Schnäppchen«, sagt mein Mann begeistert, als er mit diesem Riesenvieh an meinem Bett angekommen ist. Meine Müttergenossinnen verziehen ihre Gesichter. Ausnahmslos. Diesmal lache ich.

      »Ich hole dich hier raus«, sagt mein Mann und verschwindet. Noch in derselben Stunde werde ich in ein Einzelzimmer verlegt. Der Riesenbär nimmt das halbe Zimmer für sich in Anspruch und lässt es dunkler erscheinen, als es ist, fast bedrohlich wirken. Ich mag ihn nicht, den Bären, will aber dem stolzen Vater seine Freude nicht verderben. Als er am nächsten Tag atemlos mit einem riesigen Karton ins Krankenzimmer stürmt, dabei den Bären umrennt und ich erkenne, dass sich in dem Karton eine elektrische Eisenbahn befindet und mein Mann diese tatsächlich hier im Krankenzimmer aufbauen will, bekomme ich die Krise.

      »Wochenbettdepression«, nennt mein Mann meine Verweigerung und packt kopfschüttelnd die Eisenbahn zurück in den Karton. »Lass dir das Geld zurückgeben«, mahne ich meinen Gatten. »Wir brauchen es für wichtigere Dinge.« Er versteht nicht, was wichtiger sein könnte als die elektrische Eisenbahn für seinen Sohn, und verlässt frustriert das Zimmer.

      Am nächsten Tag öffnet sich leise die Tür meines Einzelzimmers. Meine Patentante spendierte mir diesen Luxusaufenthalt, gleich nachdem sie das erste Foto ihres Großneffen gesehen hatte. Ich hätte es verdient, meinte sie.

      »Sie hat gleich kapiert, dass unser Kind das Schönste auf der Station ist«, sagt mein Mann mit stolz geschwellter Brust und überreicht mir 10 dunkelrote, fast schon schwarze dornenlose Rosen, die betörend duften.

      »Oh«, sage ich zu meinem Mann, danach küsst er mich so lange, dass ich keine Luft mehr bekomme. An dieser Stelle wache ich auf. Ich habe geträumt, er hätte mich geküsst, liege aber allein in meinen Daunen. Mein Kater Felix will mich trösten und leckt mir die Tränen von Gesicht und Hals.

      »Felix, mein Liebling, ich habe dich vernachlässigt«, sage ich und streiche ihm übers Fell. Schnurrend schaut er mich an. Oh je, ich muss einkaufen gehen, der arme Felix war den gestrigen Tag wohl ohne Futter, schießt es mir durch den Kopf.

      »Armer schwarzer Kater, wenn das einer vom Tierschutzverein wüsste, die würden mich glatt verklagen«, sage ich zu meinem treuen Gefährten.

      »Ich gehe später einkaufen, Frauchen kauft dir gaaanz viele Leckerli, mein Süßer, großes Ehrenwort«, flüstere ich ihm gerade ins Ohr, als es ungestüm an der Haustür klopft.

      »Hallo, sind sie vom Tierschutzverein?«, frage ich entsetzt durch die geschlossene Haustür.

      »Mensch, mach auf«, höre ich die verärgerte Stimme meiner Freundin Ulla.

      »Um Gottes Willen, Süße, wie siehst du denn aus?«, fragt sie, als sie in meine verquollenen Augen schaut.

      »Ich habe eine Allergie«, sage ich und fange an zu weinen. Meine Freundin schaut sich ratlos in meiner Wohnung um, betrachtet mich von Kopf bis Fuß.

      »Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«, fragt sie, während sie die Fenster öffnet.

      »Keine Ahnung.«

      »Mach dich hübsch, wir gehen essen«, fordert Ulla.

      »Ja, Mama«, sage ich und zehn Minuten später sitzen wir schon in Ullas Auto.

      »Mensch Mädchen, bei dir kann man die Rippen zählen.

      Ich nehme mal an, deine Allergie heißt Hans?! Nach dem Essen gehen wir einkaufen.

      Keine Lebensmittel, erstmal Klamotten, so wie du rum läufst …, das geht einfach nicht, so kann man sich nicht hängen lassen, auch nicht mit einer Ehe-Allergie. Wie lange bist du eigentlich schon verheiratet?«

      Ulla weiß es ganz genau, sie war unsere Trauzeugin, hatte aber den ‚Hans im Glück‘, wie sie meinen Mann nennt, noch nie gemocht. Das beruht auf Gegenseitigkeit, er kann Ulla nicht ausstehen. Ihre gegenseitige Abneigung ist die verlässlichste Sache der Welt.

      Ulla sei eine dumme Gans, meinte mein Mann beim Abendessen im Restaurant. Sie sei unweiblich, hätte keinen Hintern, keinen Busen, nur ein großes Mundwerk, wenn die an den richtigen Mann rankommt, der wird es ihr schon stopfen. Die muss mal gehörig … werden.«

      »Jetzt reicht es aber«, sagte ich damals zu meinem jetzigen Mann und »das mit unserer Hochzeit werde ich mir noch einmal überlegen.« Kühl wie Grace Kelly und hoch erhobenen Hauptes verließ ich das Lokal. Neben meinen unberührten Vorspeiseteller, es waren Lachsröllchen mit Rosmarinbaguette, hatte ich einen viel zu großen Geldschein hingelegt.

      »Ich zahle für uns beide, der Rest ist Trinkgeld«, sagte ich zu dem Ober.

      »Das geht nicht gut«, meinte Ulla zu mir. Andere Mütter haben schönere Söhne, vielleicht sogar mit mehr Geld, der Typ hat nichts zu bieten …« Wir haben nicht gehört, dass Hans den

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