Hans im Glück. Gisela Sachs

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Hans im Glück - Gisela Sachs

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schwimmen brav neben ihren Eltern. Ihr Nest liegt verborgen in hohem Schilf. Im Hintergrund paaren sich Frösche. Von dem nahen Birkenbaum krächzt ein Rabe.

      Ein widerliches Konzert. Als ich Richtung Ausgang gehe, sehe ich den männlichen Schwan. Über den ganzen See getrennt von seinem Weibchen, sitzt er neben dem Fußweg, spreizt seine Flügel zum Fächer und macht einen langen Hals. Fauchend bedroht er die vorbeigehenden Menschen, macht Männchenbeschützergehabe.

      »Du Blödmann«, sage ich zu ihm und laufe zurück zu Ullas Haus.

      »Du hast heute Mittag um 13 Uhr einen Friseurtermin, um 17 Uhr einen Termin bei der Kosmetikerin und danach gehen wir shoppen. Wir fahren ins Outlet nach Wertheim Village. Ich bezahle. Keine Widerrede, es ist alles durchorganisiert«, überfällt mich Ulla.

      »Ich habe immer Geld aus meiner Haushaltskasse zurückgelegt, die ganzen Ehejahre über und habe ein schönes Sümmchen auf meinem Sparbuch. Ich bezahle meine Sachen selbst«, sage ich.

      Mein Kater Felix wartet immer schon sehnsüchtig auf mich, wenn ich von meinen Spaziergängen nach Hause komme. Vielleicht hat er Angst, dass ich wie sein Herrchen ausbleiben würde, er ist jedes Mal erleichtert, wenn er mich wieder sieht, und will ausgiebig mit mir schmusen. Sobald Ulla aber auftaucht, bin ich abgeschrieben. Die beiden sind vernarrt ineinander. Mein Felix schläft an ihrem Fußende, Ulla darf ihre Füße an seinem Fell wärmen und die beiden schnurren gemeinsam durch die Nacht. Nur eins kann Ulla gar nicht ab, wenn Felix sie im Anlauf anspringt, aber das bekommen wir auch noch hin.

      Schnurrekater Felix darf mit der schicken Leine von Willi mit zum Shoppen fahren. Es ist seine erste lange Autofahrt.

      »Du musst keine Angst haben Felix«, sagt Ulla und knuddelt ihn zärtlich.

      »Ich werde nicht wie ein Rennfahrer fahren, schlafe einfach, ich werde dich wecken, wenn wir unser Ziel erreicht haben.« Ulla spricht mit dem Kater wie mit einem Kind.

      Felix schläft tatsächlich im Auto und macht die Augen pünktlich wie auf Knopfdruck wieder auf, nachdem wir auf dem Parkplatz des riesengroßen Outlets angekommen sind.

      »Du sollst mich nicht schon wieder bespringen, das hast du heute schon sieben Mal getan«, schimpft meine Freundin. Sie schimpft nicht oft mit Felix, aber das Bespringen ist für sie ein absolutes No Go. Kein gutes Katerbenehmen.

      Ich stehe startbereit neben dem Auto, spanne meinen Schirm auf, es hat angefangen leicht zu tröpfeln, und warte geduldig, bis meine Freundin mit der Standpauke für meinen Kater fertig ist.

      »So eine Schweinerei und Sie stehen Schmiere«, sagt die Frau des Parkplatzwächters voller Verachtung zu mir. Ihr Mann versuchte, ins Auto zu spähen.

      Ich bin schlank geworden, mir passt mühelos Größe 36. Bergeweise T-Shirts in allen möglichen und unmöglichen Farben, Jeans, Stoffhosen, Miniröcke, lange Röcke, Blusen mit Stehkragen, durchsichtige Blusen, Netzstrümpfe, High-Heels, sportliche Schuhe, Badelatschen und vieles mehr finden einen neuen Besitzer. Mich!

      Nach dieser ausführlichen Shoppingtour – in dieser Form habe ich das noch nie gemacht – fährt mich Ulla direkt zum Friseur.

      »Machen sie aus dieser Frau eine neue Frau«, sagt sie zu der Stylistin. Die Haarfarbe solle der von Felix´ Halsband gleichen, entscheidet sie für mich. Mein entsetzter Aufschrei stört sie nicht.

      »Rasieren sie ein Herz auf den Hinterkopf, können sie das?«, fragt Ulla die Stylistin.

      »Gewiss doch«, sagt diese und legt los. Die beiden verhängen den Spiegel mit Handtüchern und ich bekomme einen Kopfhörer übergestülpt, aus dem Help von den Beatles dröhnt.

      Help! I need somebody.

      Als ich Unendlichkeiten später von dem Kopfhörer befreit bin und mich in dem Spiegel beim besten Willen nicht erkennen kann, singe ich so laut, dass sich die Leute die Nase an der Scheibe des Friseursalons platt drücken.

      »When I was younger, so much younger than today, I never needed anybody´s help in any way.”

      Ulla drückt mir einen Apfel in die Hand und fährt vom Friseur direkt zur Kosmetikerin weiter. Ohne Pause werde ich vier lange Stunden gequält: Augenbrauenzupfen, Falten mit Hyaluron unterspritzen, Wimpern färben, Altersflecken lasern, Haarentfernung mit Heißwachs. Ich fühle mich wie im Fegefeuer.

      »Hast du so eine Prozedur auch schon einmal mitgemacht?«, frage ich meine grinsende Freundin, die es sich mit ein paar Modezeitschriften in einer orangefarbenen Liege bequem gemacht hat. Felix rekelt sich auf ihrem Bauch.

      »Regelmäßig einmal im Monat.«

      »Nee?«

      »Doch!«

      »Bei ihnen gibt es noch viel zu tun, wir müssen einen Folgetermin ausmachen«, sagt die junge Kosmetikerin zu mir. Ich schäme mich.

      »Mein Geschenk für dich«, sagt Ulla. »Hansimglücknimmerwiederkommgeschenk«, nennt sie es.

      »Hier wirst du Power Aerobic machen. Bleib im Auto sitzen, ich checke das ab, du siehst noch aus wie ein geklopfter Stallhase.«

      Abends muss ich dann Klamotten vorführen, kombinieren, mich mit Accessoires behängen, Schminktechniken ausprobieren und mich immer wieder vor Ulla im Catwalk drehen. Laufen.

      Wenden. Laufen.

      Wir trinken Rotwein bei der Modenschau. Viel!

      »Du hast seit langer Zeit zum ersten Mal wieder gelacht«, sagt Ulla am nächsten Morgen beim Frühstück.

      »Mensch, Ulla. Er hat viele Marotten, pinkelt auch im Stehen, aber ich liebe ihn doch so«.

      Und weine.

      »Ich möchte wieder nach Hause«, mache ich meiner Freundin klar.

      »Das bin doch gar nicht ich, mit den eingefärbten Haaren, ausgeflippten Klamotten und dem ganzen unnützen Zeug. Auf Power-Aerobic stehe ich nicht und zu den feinen Damen in diesem Promiclub passe ich nicht.«

      Ich muss nachdenken. Mein erregter Geist braucht Konzentration, die finde ich am besten daheim. Ich bestelle ein Taxi.

      »Hoffentlich ist die Mieze autorein«, sagt der Taxifahrer.

      »Keine Sorge, Felix ist Langstrecken getestet«, erwidere ich. Im Rückspiegel sehe ich, wie der Wind den Vorhang an Ullas Wohnzimmerfenster aufbläht und dieser die Form eines Heißluftballons annimmt.

      Zuhause begrüßt mich stickige Luft und ich reiße alle Fenster des Hauses weit auf. Ich brauche Sauerstoff für mein Gehirn.

      Felix schaut irritiert in seinen stinkenden Katzenkorb und miaut zum Gotterbarmen. Der Anrufbeantworter blinkt, der Briefkasten ist mit Werbung übergequollen, der Kühlschrank gähnend leer, der Wäschekorb übervoll, Spinnen haben sich kunstvolle Schlösser gebaut. Ich habe schon lange nicht mehr geputzt, nicht mehr eingekauft und meine Zeit mit Grübeln verbracht.

      Ich packe das nicht. Ich will meinen normalen Alltag wieder haben. Ich will meinen Mann zurück!

      Morgen werde ich das Haus in Ordnung bringen. Morgen werde ich den Kühlschrank auffüllen.

      Morgen

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