Hans im Glück. Gisela Sachs
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Mit zusammengekniffenen Augen schaute er Ulla an, fuhr sich mit weit gespreizten Fingern durch die Haare, schaute ihr permanent in die Augen und wartete, bis sie den Blick senken würde. In welchem Film hat er das gesehen? Der Auftritt ist gigantisch. Fasziniert schaue ich auf diese Szene. Was macht er jetzt? denke ich, als er an seiner Jogginghose rumfummelt. Hat er da ein Gewehr drin? Natürlich hält meine Freundin den Blick, schaut genauso stur wie mein Kater Felix. Der würde nie den Blick als Erster senken. Das war der Tag, an dem Ulla ihre Patenschaft für meine zukünftigen Kinder einbüßte.
Nach der standesamtlichen Trauung bedachte mein Mann meine Freundin mit Siegerblicken. Wie Michael Schumacher auf der Siegertreppe stand er da. Es gab sogar Champagner. Meine Freundin zog die Augenbrauen hoch, das bedeutet Alarmstufe eins, und ich kniff sie in den Arm.
»Aua«, sagte sie. »Ich werde für den restlichen Tag zum Lamm. Großes Ehrenwort.« Damit sie in kein Fettnäpfchen treten würde, hatte sie dann geschwiegen den ganzen Tag. Mein Mann empfand das Benehmen meiner Freundin als eine Frechheit.
»Eine unerhörte Rebellion ist das. Schließlich ist sie unsere Trauzeugin und trägt doch eine gewisse Verantwortung.«
»Was für eine Verantwortung?«, frage ich nach, bekomme auf diese Frage aber keine Antwort.
»Wenn die sich bei der kirchlichen Trauung auch so anstellt, drehe ich hohl«, brummelt er in seiner ersten Nacht als Ehemann im neuen Bett, überzogen mit kirschroter Seidenbettwäsche zum Wenden ein Geschenk meiner Patentante -, außen schwarz, innen rot, strapazierfähig. Ich, die goldene Beilage, werde bei dieser Aussage überstrapaziert, drehe mich auf die andere Seite und sage: »Gute Nacht.«
Michael Schumacher hat das Rennen nicht gewonnen.
3
»Jetzt reicht es«, sagt Ulla zu mir.
»Hör endlich auf mit diesem blöden Geflenne, pack ein paar Sachen zusammen, schnappe deinen Kater und ziehe vorübergehend zu mir. Katzenfutter habe ich in Hülle und Fülle. Ich musste meinen Willi vor einigen Tagen im Garten begraben. Altersschwäche. Er hat es einfach nicht mehr gepackt. Das hast du gar nicht mitbekommen.«
Ullas Keller ist sauber und penibel aufgeräumt. Ich sehe gleich schon nach dem Öffnen der Tür das Katzenschlemmerregal. Übersichtlich, aufgereiht nach Farbe und Größe, schauen mir viele Katzenkinder auf unterschiedlichen Dosengrößen entgegen. Diese sind vom Feinsten und versprechen ein gesundes, glückliches Katzenleben: Ein buntes Fleischtöpfchen, Rindstopf mit Biomöhren und Hefeflocken, Fleischtöpfchen mit Pute, Geflügelschmaus mit Naturreis und Lachs mit Rosmarin.
Auf dem silbernen Metallregal daneben liegen drei Dosen Ungezieferschutz und eine vanillefarbene Katzenleine, verziert mit echten ‚Swarovski‘-Steinen.
Es gibt ein extra Regal für Katzenspielzeug. Loopie Man, nennt sich ein Wurfund Zerrspielzeug. Loopie Igel ist zum Fangen und zum Greifen. Ein Rugby aus Naturgummi für tolle Spiele und saubere Zähne, lese ich gerade auf einem Karton, als mein Blick auf das gegenüberliegende Regal fällt. Hier liegen Reihenweise Rotweinflaschen verschiedener Winzer. Wahrlich eine wunderbare Kater-Frauchen-Auffangstation.
Ulla arbeitet als Chefsekretärin bei einem Automobilzulieferer und ist beruflich sehr eingespannt. Manchmal muss sie ihren Chef auf Reisen ins Ausland begleiten. Sie verdient Schweinegeld, hat sich schon immer alleine versorgt und war noch nie in so eine Abhängigkeit wie ich geraten wegen Kinderkriegen und Hausmütterchen sein. Ich bewundere sie sehr deswegen.
»Du kannst dafür etwas anderes«, sagt sie regelmäßig zu mir, wenn mich wieder einmal ein Ausbruch von Minderwertigkeitskomplexen überfällt. Diese Ausbrüche kommen unverhofft. Als Häuflein Asche bleibe ich dann unendlich traurig zurück.
Schön, dass es diese Allwetterfrontfreundin gibt!
Ich bin aber noch nicht darauf gekommen, was es sein könnte, was ich kann, aber egal was es ist, es war nicht gut genug, sonst wäre mein Mann nicht abgehauen.
»Ich kann Socken stricken, ich kann Strümpfe flicken, ich kann backen wie ein Konditor, kochen wie ein Profi, bin die perfekte Krankenschwester, schneidere wie eine Schneiderin, bügele besser als die Dame in der Reinigung um die Ecke, pflege meinen Garten wie ein Gärtner, habe dafür sogar einen zweiten Platz beim Blumenwettbewerb unserer Stadt gewonnen, aber eben nur den Zweiten.
Ich will auch mal Erste sein«, jammere ich meiner Freundin vor.
»Stell dich vor den Spiegel, dann weißt du, was falsch gelaufen ist. Seit du verheiratet bist, kannst du nicht mehr über den Tellerrand hinausschauen, und seit du Mutter bist, bist du total vergluckt. Willst du ewig in deinem Hühnerstall sitzen bleiben und das verlassene beleidigte Huhn spielen, weil dein Gockel fremd kräht?«
Das war heftig. Geschockt stelle ich mich vor den Spiegel, meine Freundin stellt sich daneben.
»Merkst du was?«, fragt sie. Ich nicke verzweifelt.
»Schätzchen, das bekommen wir schon hin.« Mit dem Telefon in der Hand verschwindet sie in ihr Schlafzimmer.
»Geh ein Weilchen an den See«, ruft sie mir zu. Nun soll ich spazieren gehen …
Hinter Ullas Haus gibt es einen See. Ulla verordnete mir eine Bewegungsfrischluftaufenthaltstherapie. Das Gras um den See ist feucht, meine Schuhe bald durchnässt, trotzdem gehe ich auf der Wiese weiter Richtung Schilf, als ich ein Riesennest entdecke, auf dem ein brütender Schwan sitzt. Die Schwanenmutter brütet einsam und verlassen vor sich hin.
»Hast du das Nest allein gebaut, Mutter Schwan? Soviel Schilf, Gräser, kleine Zweige. Wie lange braucht man, um so ein Nest zu bauen? Hat dein Mann dich sitzen lassen?«
Mama Schwan schaut mich mit großen Augen an, hebt kurz ihr Hinterteil, ich kann sieben Eier erkennen, und brütet beharrlich weiter.
Ein neugieriges Entenpaar kommt auf mich zugewatschelt. Sie braungrau gescheckt und farblos, er grünlich schimmernd am Hals, dunkellila am Kopf, braune Brust mit weißen Flecken. »Nein, ich habe nichts für euch, ihr müsst selbstständig sein und euch euer Fressen selbst suchen, Möglichkeiten gibt es hier genug«, sage ich zu ihnen. Als ob sie meine Worte verstehen würden, watscheln sie davon, begeben sich ins Wasser, schwimmen suchend zwischen den von Jungfischen umwimmelten Sumpfdotterblumen, und alsbald sehe ich herausgestreckte Entenhinterteile aus dem Wasser ragen. Sekunden nur, dann flupp wieder auftauchen, fressen, eintauchen.
»Geht doch!«
Eine Entenmutter mit drei Küken schwimmt vorbei.
»Wo ist dein Entenmann?«, frage ich sie. Sie schaut traurig zu dem grünlich-lila schillernden Entenmann zwischen den Sumpfdotterblumen. Ihr Blick kommt mir beschämt vor. Der Entenmann schwimmt mit empörtem Blick heran und vertreibt die Entenmutter mit lautem quak, quak, quak und schnellen Flügelschlag. Die Flügel schlagen klatschend auf seinen Körper, immer wieder von innen nach außen. Die Küken schwimmen mit ihrer grauen Entenmama davon.
Will mir das was sagen?
»Vielleicht hattest du öfter mal Kopfweh Frau Ente? Warst unpässlich. Hattest du vielleicht Bauchschmerzen? Hast du deine ehelichen Pflichten nicht erfüllt? Warst zu müde von der Aufzucht der Kinder? Oder hattest schlichtwegs keine Lust? Das können sie nicht verstehen, die Männer. Siehst du: Mir