EMP. Andrea Ross
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Das, was Ecki als »komische Lichter« bezeichnet hatte, war wohl die typische Leuchterscheinung gewesen, die beim Auftreffen geladener Teilchen des Sonnenwindes auf die Erdatmosphäre entsteht. Dort werden Luftmoleküle zum Leuchten gebracht, so dass sich irisierende Schleier aus farbigem Licht über den Nachthimmel bewegen.
Normalerweise irrlichtern diese Phänomene hauptsächlich in den Polarregionen über den Horizont, doch in den frühen Morgenstunden des 14. Februar 2020 waren sie auch über unserer nordbayerischen Stadt Bayreuth deutlich zu sehen gewesen.
Ecki hatte also vollkommen richtig beobachtet, jedoch mithilfe seiner kruden Gedankenwelt viel zu abenteuerliche Schlüsse aus seiner Sichtung gezogen.
Klar – alle, die wir uns hier die Köpfe heiß redeten, waren von Beruf Verwaltungsangestellte oder Beamte, nicht etwa eine Horde hochintelligenter Physik-Genies. Trotzdem fühlten wir uns hinreichend davon überzeugt, die richtigen Schlüsse gezogen zu haben.
Hausmeister Klaus öffnete die Motorhaube des Mustangs für uns, um stolz zu demonstrieren, inwiefern sich sein schnittiger Oldtimer von unseren modernen, jedoch leider neuerdings fahruntüchtigen Autos unterscheidet.
Okay, die elektronischen Bauteile waren definitiv das Problem! Nur wussten wir aufgrund dieser Erkenntnis immer noch nicht, ob der Schaden räumlich begrenzt ist, und auch am heutigen Tag werden wir dieses Rätsel wohl nicht lösen können. Wie sollten wir das auch anstellen, woher die Informationen beziehen? Wenn einem weder Internet, noch Fernsehen, noch Radio zur Verfügung stehen, dann erfährt man nur das, was sich direkt vor der eigenen Nase ereignet.
Peter warf noch einen neuen Aspekt in die Diskussionsrunde, über den wir bisher noch gar nicht nachgedacht hatten. Ein zerstörerischer EMP kann nämlich nicht nur durch natürliche Sonnenstürme ausgelöst werden, sondern beispielsweise auch durch eine von Menschen zu Kriegszwecken gefertigte EMP-Bombe. Die Technologie hierzu existiert heute bereits, und wenn solche Waffen den falschen Gruppierungen in die Hände fallen, dann scheint nahezu alles denkbar.
»Das Kernprinzip von solchen Bomben besteht darin, durch eine Explosion ein elektromagnetisches Feld blitzartig zu komprimieren. Dabei verwandelt sich eine Menge mechanischer Explosionsenergie in elektromagnetische Energie, die von der Bombe dann als elektromagnetischer Impuls freigesetzt wird«, meinte Peter mit vielsagendem Blick.
»Ist doch jetzt völlig egal, wir sollten uns lieber darum kümmern, wie wir ohne all die technischen Hilfsmittel überleben können! Wenn ein EMP die Ursache ist – ob nun durch die Sonne oder Terroristen ausgelöst – können wir schließlich nicht damit rechnen, dass sich die entstandenen Schäden in absehbarer Zeit beheben lassen.
Wo bekommen wir bitteschön Nahrungsmittel her, wenn die Supermärkte nicht öffnen? Wir haben Februar, da entfällt das Beerensammeln!«, bemerkte Alexandra mit reichlich Sarkasmus in der Stimme.
Zustimmendes Gemurmel wurde laut, denn spätestens in zwei Wochen würde nahezu niemand mehr etwas Genießbares im Kühlschrank liegen haben. Wenige Wochen später wären auch bei strenger Rationierung alle haltbaren Vorräte aufgegessen, nicht jeder besitzt heutzutage eine Speisekammer mit Dosen und Einmachgläsern im Überfluss. Auch ich nicht, meine winzige Küche lässt kaum Lagerhaltung zu. Bis auf ein paar Packungen Spaghetti, einige Gläser selbstgemachter Marmelade von Oma und eine Batterie billiger Dosensuppen ist da nichts Essbares aufzufinden.
Manch einer hatte sich mit diesem höchst beängstigenden Gedanken an eine drohende Hungersnot offensichtlich bereits auseinandergesetzt, andere Kollegen guckten nach Alexandras Einwurf reichlich erschrocken und ängstlich aus der Wäsche.
Wir mussten den Versuch einer Problemlösung auf den nächsten Tag verlegen, denn die beginnende Abenddämmerung erinnerte uns unbarmherzig daran, dass es schon bald stockdunkel sein würde und wir dann womöglich nicht mehr in der Lage wären, zurück in unsere ungemütlichen Wohnungen zu finden. So, das war der Rest meiner Dokumentation von gestern! Was würde ich in dieser Kälte nicht alles für eine schöne Tasse heißen Kaffee geben! Jetzt radle ich wieder hinüber zum Rathaus, um zusammen mit meinen Kollegen brauchbare Strategien für die nahe Zukunft auszubaldowern.
Strategien für den Worst Case, für das nackte Überleben.
*
Samstag, 15. Februar 2020
Als ich heute gegen Mittag keuchend vor dem Rathaus eintraf, kamen mir bereits einige Kollegen auf dem Gehweg entgegen.
»Pass auf, ist glatt heute!«, warnte mich fürsorglich ein Kollege aus dem Steueramt.
»Habe ich bereits gemerkt!«, grummelte ich düster. Schließlich tat mir alles weh, weil ich wegen des Glatteises zweimal gestürzt war. Zum Glück waren die Stürze glimpflich verlaufen, außer blauen Flecken würde ich nichts zurückbehalten. Streufahrzeuge waren natürlich ebenso außer Betrieb wie alles andere, daran hatte ich beim Losfahren gar nicht gedacht.
»Stell dein Fahrrad ab, wir laufen gleich los. Schließ dich bitte einer der Gruppen an!«, rief mir Peter zu, der sich anscheinend selbst zu einer Art Anführer ernannt hatte. Ich war wegen der Fertigstellung meiner Dokumentation des gestrigen Tages wohl wieder recht spät dran und hatte einiges verpasst.
Aus einer der fünf Grüppchen löste sich Alexandra, bewegte sich auf dem glatten Gehweg vorsichtig auf mich zu. »Komm, du kannst mit uns gehen! Wir sind die Lebensmittel-Task Force!«
»Die was?«, fragte ich erstaunt. Klar konnte ich mir denken, welchen Auftrag Alexandras Gruppe erhalten hatte. Aber musste immer sofort alles unbedingt einen militärischen Anstrich erhalten, sobald sich Katastrophen ereigneten?
Alex klärte mich auf. Man habe vorhin einhellig beschlossen, dass Herumsitzen und Diskutieren jetzt nicht mehr weiterhelfe. Die Zeit des Handelns sei gekommen. Nur in der Gemeinschaft hätte man eine reelle Chance, Einzelkämpfer würden in dieser veränderten Welt schon bald an ihre Grenzen stoßen.
Man müsse aber unverzüglich damit beginnen, sich einen umfassenden Überblick zu verschaffen, sonst hätte man schnell das Nachsehen. Schließlich seien sehr viele Leute mit demselben Problem konfrontiert, was unter Garantie nach dem ersten Schreck erbitterte Kämpfe um die wenigen, noch zur Verfügung stehenden Ressourcen bedeute.
Deswegen seien vorhin fünf Gruppen gebildet worden, welche allesamt mit unterschiedlichen Aufträgen versorgt seien.
Ich persönlich mochte eigentlich nicht glauben, dass kultivierte Menschen sich wirklich auf der Stelle alle zu rücksichtslosen und gewalttätigen Egoisten zurückentwickeln könnten, sah jedoch ein, dass man sich um die vordringlichen Bedürfnisse kümmern musste. Beamte planen halt gerne, das gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit.
So schloss ich mich freiwillig dieser Gruppe 1, der so genannten »Lebensmittel-Task Force« an. Schon um für mich selbst herauszufinden, wie ich – beziehungsweise wir – die dringend benötigten Lebensmittel für die nächsten Tage auftreiben können. Gruppe 2 würde als »Mobilitäts-Task Force« nachsehen, ob es außer dem 1968er Mustang von Hausmeister Klaus in der Stadt noch andere Fahrzeuge gibt, die anspringen. Ein Kollege wusste beispielsweise von einem Oldtimer-Club und ein paar weitläufig Bekannten, die sehr alte Fahrzeuge besitzen. Aber sind die auch fahrbereit? Und was ist mit Traktoren