EMP. Andrea Ross
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Ich muss es kurz machen, denn mein Handgelenk schmerzt. Wenn ich zu lange schreibe, gibt das wahrscheinlich eine schöne Sehnenscheiden-Entzündung.
Warum soll ich auch ausführlich beschreiben, dass sich bei allen Supermärkten dasselbe frustrierende Bild bot?
Halt nein, um bei der Wahrheit zu bleiben: es waren zwei davon bereits aufgebrochen und restlos ausgeplündert worden. Aber das machte die Situation für uns auch nicht besser. Wir zählten uns nach wie vor zu den anständigen Menschen, die ihren Charakter und ihre Erziehung nicht bei der ersten Gelegenheit über Bord zu werfen gedachten. Unsere Reichweite war zudem begrenzt, wir konnten zu Fuß unmöglich alle Einkaufsmärkte der Stadt abklappern. Dafür wäre sogar eine Stadt wie Bayreuth zu weitläufig angelegt gewesen.
Zwei Dinge stellten wir außerdem an diesem Samstag fest: erstens formieren sich momentan Kräfte der Polizei und des Militärs, um eine gewisse öffentliche Ordnung zu gewährleisten. Sie tun sich nur ein wenig schwer damit, weil ja auch sie bei der Bewältigung ihrer Aufgabe auf technische Hilfsmittel und Fahrzeuge weitestgehend verzichten müssen.
Ein Soldat, den wir in der Innenstadt antrafen, sprach gar von einer geplanten Ausgangssperre und der baldigen Verhängung des Kriegsrechts. Man konnte ihm jedoch recht deutlich ansehen, dass er selber nicht wusste, wie dies de facto zu bewerkstelligen wäre. Zweitens hatte man im Hauptgebäude der Stadtverwaltung mittlerweile die städtische Großraum-Tiefgarage für die Allgemeinheit geöffnet, in welcher sich seit den 1970er Jahren auch ein großer Katastrophen-Luftschutzbunker befindet. Dort werden jetzt Decken und Lebensmittel für Bedürftige ausgegeben, so lange der Vorrat reicht. Auch könnte man dort Unterschlupf finden, falls man obdachlos ist.
Gut zu wissen, denn man kann derzeit schwer abschätzen, wie schlimm es noch kommen wird und ob die Krise zeitlich begrenzt ist. Wir haben auf unserem Weg so einige Polizisten und Soldaten befragt, keiner wusste uns das zu sagen; aber alle wirkten sie besorgt.
Wir kehrten heute Nachmittag also mit leeren Händen zu unserer Außenstelle des Rathauses zurück, bestiegen frustriert unsere Fahrräder und radelten zurück nach Hause. Jeder für sich alleine. Ich habe aufgrund der jüngsten Erfahrungen echte Angst vor der Zukunft bekommen.
*
Sonntag, 16. Februar 2020
Für den heutigen Tag haben wir abgemacht, dass sich die fünf Task Force-Gruppen an unserer Rathaus-Außenstelle treffen, um die jeweiligen Erkenntnisse vom gestrigen Einsatz auszutauschen und passende Schlüsse daraus zu ziehen. Schließlich ist der Sonntag aufgrund der schwierigen Umstände nicht länger als Arbeitstag tabu.
Unser Bericht für die Gruppe 1 wird wohl eher peinlich ausfallen, weil diese bislang so überhaupt nichts Sinnvolles in puncto Lebensmittelbeschaffung erreichen konnte. Mir steigt gleich wieder der Adrenalinspiegel, wenn ich an das zimperliche Verhalten meiner Kollegen von gestern denke. Na, die werden auch noch umdenken müssen!
Mich interessiert ganz besonders, was Klaus und seine Mitfahrer außerhalb der Stadt in Erfahrung bringen konnten. Außerdem werde ich vorher einen kleinen Umweg radeln und bei den Müllcontainern des Supermarktes stoppen, neben welchem gestern die aussortierten Lebensmittel deponiert waren. Ich habe nämlich meinen Küchenschrank durchsucht und hierbei festgestellt, dass meine Vorräte schon jetzt bedenklich zur Neige gehen.
Himmel noch mal, ein paar Kilo weniger auf den Hüften würden mir zwar bestimmt gut stehen! Aber Hungerattacken möchte ich trotzdem nicht erleiden müssen!
*
Heute sind deutlich weniger Kollegen hier am Rathaus eingetroffen, als an den vergangenen beiden Tagen. Ich denke, manche haben einfach noch nicht kapiert, dass unser bisheriges Leben dahin ist, wir uns vollkommen neu orientieren müssen. Diese allzu sorglosen Charaktere halten sogar eisern an ihrem arbeitsfreien Sonntag fest! Beamte sind eben naturgemäß oft starrsinnig und unflexibel.
Es wäre aber genauso denkbar, dass die ersten Mitstreiter erhebliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit unserer AmtsGenossenschaft bekommen haben. So wie ich gestern auch.
Aber ich will von vorne beginnen! Ich radelte heute Morgen also als erstes hinunter zu dem kleinen Supermarkt, um ein paar der aussortierten Lebensmittel für mich zu ergattern. Schon von weitem sahen meine entsetzten Augen, dass der komplette Lebensmittel-Berg neben dem Müllcontainer bis auf das letzte Stück bereits abgetragen war.
Aktuell wühlten so vier bis sechs Personen hektisch im Container, um auch aus diesem noch alles herauszuholen, was brauchbar erschien. Es handelte sich dabei aber nicht etwa um zerlumpte Obdachlose, sondern um ganz normale, eher gut gekleidete Bürger.
Verflixt, da scheinen die ersten nach nicht einmal einer Woche schon Hunger zu leiden, was meine eigene Essensbeschaffung ab sofort extrem verkomplizieren wird; das ist mir bei diesem Anblick schmerzlich klar geworden. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ich hasse es, wenn sich die abgedroschenen Phrasen meiner Mutter bewahrheiten!
Reichlich demotiviert und deprimiert traf ich anschließend bei meinen Leidensgenossen ein. Die diskutierten gerade darüber, weshalb eigentlich neuerdings ein solch penetranter Gestank über der Stadt liegt. Die Mülltonnen werden doch schließlich auch im Normalbetrieb nur alle 14 Tage geleert, ein Totalausfall der Müllabfuhr kann somit wohl kaum alleine der Grund für diese Geruchsbelästigung sein. Nicht im Februar.
Meiner miesen Stimmung gemäß warf ich einfach in äußerst sarkastischem Tonfall ein einziges Wort laut vernehmlich in die Runde: »Scheiße!«
Peter entglitt nachsichtig ein schwaches Lächeln. »Klar ist das eine ziemliche Scheiße! Aber trotzdem, wo kommt bitteschön dieser beißende Gestank her?«, versuchte er die Diskussion sachlich fortzusetzen und blickte fragend in die Runde.
Ich beharrte: »Sag ich doch gerade! Es ist Scheiße, die ihr hier riecht, jedenfalls hauptsächlich. Alles, was im Abwasserkanal halt so landet. Oder habt ihr etwa geglaubt, die Pumpen der Kläranlage würden nach dem Tag X noch funktionieren? Das riesige Klärbecken ist von hier aus … hm … nur so ungefähr zwei Kilometer weit entfernt!«
Damit war die Ursache hinreichend geklärt; gleichzeitig stand fest, dass wir mit dem Gestank weiterhin leben müssen und dass er sich vermutlich noch beträchtlich verstärken wird, sobald sich die Lufttemperatur im Frühjahr erhöht und zusätzlich der Inhalt der vollgestopften Bio-Mülltonnen kompostiert und unter ständiger Freisetzung von übelriechenden Gasen vor sich hin fault.
»Okay, dann wollen wir mal die Ergebnisse von gestern bekannt geben«, ging Peter nahtlos zur Tagesordnung über. Gleich zu Anfang musste ich für Gruppe 1 davon berichten, wie schwierig es in Zukunft wahrscheinlich werden wird, sich Lebensmittel zu besorgen. Dass es uns beim besten Willen nicht gelungen ist, entsprechende Möglichkeiten zu finden. Jedenfalls nicht, ohne Straftaten zu begehen.
»Genau das habe ich befürchtet!«, nickte Peter. »Da werden wir uns etwas anderes einfallen lassen müssen, wir diskutieren später noch drüber. Aber erst einmal wollen wir hören, was die anderen Gruppen erreichen konnten.«
Gruppe 2 war es gelungen, die Besitzer von drei weiteren Fahrzeugen zu finden, welche keinerlei Elektronik-Bauteile aufweisen und somit nach dem EMP noch fahrbereit sind. Man hatte sich darauf geeinigt, Gespräche über den sinnvollen Einsatz dieser alten Autos zu führen. Sie sollen künftig beispielsweise dann zum Einsatz kommen, wenn größere Gegenstände transportiert werden müssen oder längere Strecken zurückzulegen sind; Krankentransporte wären ebenso