EMP. Andrea Ross

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EMP - Andrea Ross

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würde zum Rathaus hinüberlaufen müssen und entsprechend lange für die Strecke brauchen. Mist, elender!

      Als ich gerade aufstehen wollte, um mich unter gedachten Verwünschungen des rücksichtslosen Diebes in mein Schicksal zu ergeben und mich auf den Weg zu machen, kam mein Nachbar Ecki atemlos die Treppe heruntergehastet.

      »Gabi, schnell! Du musst mitkommen, mit der Martha stimmt was nicht!« Er packte mich an der Hand und zerrte mich ins Haus, direkt in »Hartzer-Marthas« Wohnung. Schon beim Eintreten fiel mir der leicht süßliche, ekelhafte Geruch auf. Mir schwante Schlimmes.

      »Da hinten liegt sie, ich trau mich gar nicht hinzugehen!«, jammerte Ecki und knibbelte nervös an seinen Fingern herum.

      »Ich weiß ja nicht, was mir ihr los ist! Da wollte ich lieber keinen Fehler machen, mit erster Hilfe und ähnlichem Zeug habe ich nichts am Hut!«

      Ich verdrehte die Augen. War ja wieder klar, dass solch eine undankbare Aufgabe jetzt ausgerechnet an mir hängen blieb! Martha rührte sich kein bisschen, und ich bahnte mir meinen Weg durch die in ihrer Wohnung durchaus übliche Unordnung, bis ich schließlich vor der fettleibigen, bläulich-blassen Frau stand, die einen üblen Geruch verströmte.

      Ich überwand mühsam meinen Ekel und berührte Martha an jener Stelle, an welcher die Halsschlagader eigentlich spürbar pochen sollte. Die Haut fühlte sich wächsern und kühl an. Außerdem sah ich, dass Martha wohl beim Fallen mit dem Hinterkopf gegen die Tischkante geknallt sein musste, denn das Haar war mit Blut verklebt. Nichts, kein Lebenszeichen!

      Tapfer kämpfte ich gegen die aufsteigende Übelkeit an. Ich bat den hibbeligen Ecki, nach einem kleinen Spiegel oder etwas anderem mit glänzender Oberfläche zu sehen und mir den Gegenstand zu bringen. In Filmen hatte ich oft gesehen, dass man mithilfe von Taschenspiegeln herausfinden konnte, ob bei Opfern von Unfällen oder Verbrechen vielleicht noch eine schwache Atmung vorhanden wäre.

      Ecki nahte nach einer gefühlten Ewigkeit tatsächlich mit einem kleinen, verdreckten Spiegel, den ich zunächst angeekelt mit einem Zipfel von Marthas Tischtuch notdürftig säubern musste. Danach hielt ich ihn möglichst dicht vor Mund und Nase der Frau, um herauszufinden, ob er wegen Atemluft beschlagen würde. Doch nach wenigen Sekunden wurde mir klar, dass dies nicht der Fall war. »Sie ist tot!«, bestätigte ich Ecki.

      Der geriet völlig aus dem Häuschen. »Aber wieso? Hat sie jemand umgebracht? Wir müssen sofort die Polizei holen und den Krankenwagen, jemand muss sie abtransportieren! Ich kann doch nicht mit einer Leiche im selben Haus wohnen!« Ecki hyperventilierte, wirkte total panisch. In seinem unkoordinierten

      Bewegungsdrang sah er ein bisschen aus wie eine moderne Version des Rumpelstilzchens.

      In diesem Moment verlor ich vollends die Kontrolle über meine Magenfunktionen, ein wohlbekannter Geschmack stieg mir von der Speiseröhre in den Mund. Hektisch hüpfte ich über Marthas Unordnung, um mich im Badezimmer schleunigst zu übergeben.

      »Komm, ich muss jetzt ganz schnell hier raus!« Dieses Mal packte ich Ecki an der Hand, zerrte ihn aus der Wohnung und die Treppe hinunter, bis wir draußen auf dem Parkplatz standen. Ich musste mich erst einmal hinsetzen, denn meine Knie zitterten, der Kreislauf begann zu streiken. Ecki hingegen lief mit gerunzelter Stirn im Kreis herum und ich fragte mich ernsthaft, ob sich sein Gehirn nun womöglich endgültig in den gnädigen Wahnsinn verabschiedet hatte.

      Langsam und vorsichtig stellte ich mich wieder auf meine wackeligen Beine, packte den rasenden Ecki resolut an beiden Oberarmen, um ihn auszubremsen.

      »Jetzt beruhigst du dich erst einmal und hörst mir zu! Also: du kannst deine abgefahrenen Mord-Theorien, Strahlenangriffe von Außerirdischen oder sonstigen Ideen gleich wieder wegpacken!

      So wie es aussieht, ist Martha einfach unglücklich hingefallen, hat sich hierbei an der Ecke des Couchtisches ein Loch im Kopf zugezogen. Bestimmt war sie schwach, ihr Kreislauf könnte plötzlich zusammengebrochen sein. Kennst sie doch, die hatte bestimmt nicht viele Lebensmittel im Haushalt auf Vorrat, und seit Freitag gibt es schließlich nichts mehr zu kaufen. Sehr organisiert oder einfallsreich war sie noch nie, unsere Frau Nachbarin.

      Na ja, sie hat viel Blut verloren, lag da bewusstlos in ihrer Wohnung. Vermutlich ist sie gar nicht wieder aufgewacht und vielleicht an Austrocknung gestorben, was weiß ich, bin ja auch keine Medizinerin! Aber wir können weder Polizei noch Krankenwagen holen. Hast du etwa schon wieder vergessen, dass kein System mehr funktioniert?«

      Ecki sah durch mich hindurch, als wären meine Worte bei ihm gar nicht bis ins Bewusstsein vorgedrungen. Wahrscheinlich stand er unter Schock, war durchgedreht, oder sogar beides auf einmal. Verdammt, was sollte ich jetzt bloß machen? Das Fahrrad war geklaut, ich fühlte mich schwach auf den Beinen, wir hatten eine Leiche im Haus liegen und Nachbar Eckerts Verstand hatte sich in eine abstruse Parallelwelt verflüchtigt. Ein bisschen viel für einen einzelnen Vormittag, auch wenn man hart im Nehmen ist! Ein lautes metallisches Schleifgeräusch, untermalt von Poltern und dem ohrenbetäubenden Röhren eines Motors, riss mich aus meinen düsteren Überlegungen. Ich ließ Ecki an Ort und Stelle stehen, schleppte meinen ausgelaugten Körper über den Parkplatz der Wohnanlage zur Straße, welche das städtische Klinikum mit einer breiten Ringstraße verband. Was war jetzt wieder Neues im Gange?

      Der Anblick, welcher sich mir bot, hätte locker aus einem Endzeit-Movie stammen können. Ein vorsintflutlicher Panzer schepperte röhrend im strahlenden Sonnenschein langsam die Fahrbahn entlang und schob hierbei alles zu Blechknäueln zusammen, was ihm im Wege stand. Am Fahrbahnrad türmten sich deformierte Autos, nur die Einfahrten wurden frei gehalten. Auch wenn die Szenerie unwirklich und beängstigend anmutete: wir wurde schlagartig klar, dass diese Aktion des Militärs auch ihre Vorteile haben konnte! Klaus wird mit seinem Mustang nun viel problemloser überall durchfahren können, und das ist sehr gut. Vielleicht kann er dann auch Marthas Leiche abtransportieren, oder die Polizei wird es tun, oder … ich eilte zurück zu Ecki, um ihm die freudige Nachricht zu überbringen. Doch der verrückte Ecki war spurlos verschwunden, auch in seiner Wohnung konnte ich ihn nicht auftreiben.

      Als ich sinnierend vor seiner verschlossenen Wohnungstüre stand, fiel mir siedend heiß eine grobe Ungereimtheit auf. Wieso war eigentlich Marthas Wohnungstür offen gestanden, warum hatte Ecki überhaupt Zugang zur Wohnung gehabt und die Frau da drin auffinden können? Vom Treppenhaus aus hätte man sie in all der Unordnung auch gar nicht entdeckt!

      Ich konnte mich nicht erinnern, dass Ecki jemals irgendetwas mit Martha zu tun gehabt hatte, denn die beiden pflegten stets bloß mit abschätzigen, teilweise vermutlich frei erfundenen Geschichten über einander herzuziehen. Die ASO-Tante und der UFO-Freak. Es mutet höchst unwahrscheinlich an, dass Ecki seine soziale Ader entdeckt und sich für Marthas Wohlbefinden interessiert haben könnte. Und jemand, der bewusstlos ist, öffnet schließlich keine Wohnungstüren.

      Mich beschlich ein schrecklicher Verdacht! Konnte es nicht ebenso gut möglich sein, dass der hungrige Ecki von Martha Lebensmittel abstauben wollte, die beiden darüber in Streit gerieten und Handgreiflichkeiten zu Marthas Sturz führten? Sie musste ihn selbst in die Wohnung gelassen haben, da bestand für mich kein Zweifel.

      Ecki hatte mir vor Monaten einmal erzählt, er sei aufgrund von »Missverständnissen« schon zweimal wegen schwerer Körperverletzung angezeigt worden. Ich hatte damals still in mich hineingelacht und mir bildhaft vorgestellt, dass er wahrscheinlich seine Opfer für Außerirdische gehalten haben mochte und die Faustschläge für notwendig hielt, um die Welt vor einer Invasion zu retten. Bei Ecki wusste man außerdem nie, welche Geschichten ins Reich der Fantasie gehörten.

      Aber jetzt, nach Marthas mysteriösem Tod, sah ich Eckis Verhalten in einem etwas anderen Licht. Zumal er sich sang und klanglos in einem unbeobachteten Moment einfach abgesetzt

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