Apokalypse Für Einsteiger. Julian Birkner

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Apokalypse Für Einsteiger - Julian Birkner

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      Ich kaute ein paar Sekunden vorsichtig auf dem harten Stück Fisch herum und merkte erstmal gar nichts. Langsam begann ich mich zu entspannen. Doch dann entfaltete der Trockenfisch sein Aroma. Der Geschmack bahnte sich unbarmherzig und grausam einen Weg durch meine gesamten Geschmacksnerven.

       Das schmeckt definitiv nicht nach Hühnchen.

      Tränen schossen mir in die Augen! Das war das Grauenhafteste, was ich jemals gegessen hatte!

      »Und?« Voller Vorfreude und Enthusiasmus strahlte mich Blondchen an!

       Oh mein Gott! Es schmeckt als hätte mir eine Gelbflossenflunder direkt ins Gesicht gekotzt!

      »Ich kann da gar nicht viel zu sagen!«, stammelte ich vorsichtig! Und das war nicht mal gelogen, denn ich musste mich richtig konzentrieren, um den Würgereiz aktiv zu unterdrücken. Ich versuchte immer wieder zu kauen, aber gegen diesen fiesen Geschmack schien ich nicht anzukommen. Ich wollte das Ding nur noch loswerden. Ich wälzte es mit der Zunge von der einen Seite auf die andere. Jedoch schien es in meinem Mund nur immer mehr zu werden!

      »Ach weißt du, ich mache ja öfter mal Promotion!«, sprudelte Blondchen energiegeladen weiter, ohne zu merken welche Kämpfe ich gerade ausstand.

      »Bestimmt ein- oder zweimal die Woche«

       Hilfe! Mach, dass es aufhört!

      »Und meistens ist es ja recht langweilig.«

       Ich werde diesen Geschmack noch Wochen auf der Zunge haben, oder?

      »Aber diesmal bin ich von dem Produkt echt begeistert!«

       Ob ich mir gleich die Zähne putze?

      »Und das mit dem Trockenfisch ist echt etwas Neues!«

       Zahnbürsten haben wir ja im Laden …

      »Und die Leute reagieren da auch ganz unterschiedlich«

       Dann muss ich mir aber auch Zahnpasta holen …

      »In dem Job erlebt man so viel«

      Ich nahm alle Kraft zusammen und...

      Schluckte... Es war überstanden! So mussten sich die alten Griechen nach einer gewonnen Schlacht fühlen. Na ja, mit weniger Fischgeschmack im Mund wahrscheinlich …

       Das Leben kann so schön sein. Jetzt nur noch weg hier!

      Ich wollte mich gerade abwenden, als mich Blondchen am Arm festhielt!

      »Du hast ja die anderen Sorten überhaupt nicht probiert!« Enttäuscht und traurig sah sie mich an. Als ich in ihre blauen Augen sah, spürte ich tief in mir eine Stimme, die mich fragte: »Bringst du es echt übers Herz sie zu enttäuschen?«

       Ja, das kriege ich hin!

      »Ich muss leider weiterarbeiten. Sonst komm ich zu gar nichts mehr!«, sagte ich entschuldigend.

      »Dann nimm wenigstens noch ein paar Proben für deine Kollegen mit, die heute nicht da sind!«

       Hm, wenn ich möchte, dass sie fristlos kündigen...

      Ich packte die Proben ein und war überglücklich, dass Blondchen kurz danach den Laden verließ. Ich sollte noch Tage später einen seltsamen Geschmack auf der Zunge haben …

      Kapitel 3

      Ich hatte jedoch keine Zeit lange über den Trockenfisch nachzudenken. Genauso erbarmungslos wie der grauenvolle Geschmack holte mich nämlich der Stress und der Zeitdruck ein. Ich freute mich so auf den Feierabend, aber die Liste der Aufgaben, die ich bis dahin noch zu erledigen hatte, war immens lang. Was man in so einem Moment übrigens gar nicht gebrauchen kann sind Kunden. Unzufriedene, stets nörgelnde und immer alles besserwissende Kunden … Und die alten Damen sind da immer eine besondere Freude …

      »Wo steht der Zucker?«

      »Hinter Ihnen!«

      »Der stand aber letztes Mal noch da hinten bei den Brötchen!«

      »Nein, der stand schon immer hier beim Mehl!«

      »Doch ich bin mir sicher, dass Sie wieder umgeräumt haben! Sie räumen ja ständig um …«

      »Wir haben das letzte Mal vor 4 Jahren umgeräumt. Seitdem steht er hier beim Mehl.«

      »Nein, das glaube ich Ihnen nicht. Letzte Woche stand der noch da hinten! Sie räumen hier nur immer um, um die Kunden zu verwirren. Eine ganz üble Masche ist das.«

      »Ich versichere Ihnen, der Zucker stand letzte Woche genau da, wo er jetzt auch steht!«

      »Dieses ständige Umräumen ist eine Zumutung. Sagen Sie das mal Ihrem Chef!«

       AHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH! Nimm deinen scheiß Zucker und geh endlich!

      »Ja, das werde Ihm ausrichten …«

      Wenn man solche Gespräche 5 bis 10 Mal am Tag führt, dann beginnt man Kunden allmählich zu verabscheuen. Diese nervigen Knalltüten, die einem mit dem Einkaufswagen den Weg versperren und daran hindern, pünktlich mit der Arbeit fertigzuwerden.

       Der nächste Kandidat, der mich anspricht, der bekommt so dermaßen …

      Und plötzlich sah ich ihn wieder. Er stand bei der Margarine und musterte die unterschiedlichen Sorten. Einer unserer Stammkunden hier, aber ich kannte seinen Namen nicht. Er blickte kurz in meine Richtung und sein braunes Haar fiel in sein Gesicht. Er strich sich die Strähne aus dem Gesicht und winkte mir freundlich lächelnd zu. Sofort machte mein Herz einen Hüpfer. Ich kannte diesen Mann nur vom Sehen und wir hatten noch nie ein Wort miteinander gewechselt, aber seine freundliche Art und sein magisches Lächeln, machten mich jedes Mal sprachlos. Abgesehen davon war er der perfekte Kunde. Er stand nie im Weg, war stets höflich und war praktisch wie ein Geist: Nicht vorhanden, aber brachte Umsatz.

       Und das Beste: Er trug keinen Ehering am Finger. Das hatte ich schon bei der zweiten Begegnung mit ihm gecheckt. Trotzdem kamen wir nie ins Gespräch … Kein Wunder bei dem Kittel, den ich tragen musste. Ich hätte genauso gut ein Schild hochhalten können auf dem steht: »Achtung! Ich bin eine frigide Jungfer. Bitte sprechen Sie mich nicht an!«

       Ich hätte diesen Mann ewig beobachten können. Er war groß gewachsen, hatte einen sexy Drei-Tage-Bart und einen Hintern, in den man einfach nur reinkneifen wollte. Wenn er nicht den ersten Schritt machte, dann musste ich das tun.

      Was hatte ich zu verlieren? Meinen Stolz, meine Achtung vor mir selbst, meine Würde …

      Was konnte schon Schlimmes passieren wenn ich ihn nach einem Date fragen würde? Er könnte vor Lachen zu Boden gehen und ersticken oder Panik bekommen und bei der Flucht draußen vor einen Bus laufen …

      Was sollte mich davon abhalten jetzt einfach auf ihn zuzugehen und ihn anzusprechen? Ein Blick nach unten auf meinen Kittel

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