Vom Bürger zum Konsumenten. Группа авторов

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der Cloud-Speicher (Drive) und zahlreiche weitere Anwendungen hinzu. In letzter Zeit ist Google zudem zu einer wichtigen Figur im Bereich der Unternehmenssoftware sowie im Bereich der schulischen Bildung geworden. Der entscheidende Meilenstein für Googles Ökosystem war wohl der Kauf von Android Inc. (2005) und die Präsentation des ersten Android-Betriebssystems für Mobilgeräte (2008) sowie des zugehörigen App-Stores. Bei Smartphones hat Android heute einen globalen Marktanteil von rund 80 %. Betriebssystem und App-Store dienen als Basis diverser hauseigener Dienstleistungen, aber auch als Ort, an dem eine ständig wachsense Zahl von Drittanbietern eigene Produkte einstellt. Hier kommen Produzenten und Konsument:innen zusammen. Es handelt sich um einen Markt mit stetig und systematisch wachsendem Angebot.

      Im Vergleich zu klassischen Produzentenmonopolen, denen man in der Wirtschaftstheorie vor allem eine verbraucherschädliche Preiskontrolle unterstellt, materialisiert sich die Macht des Marktbesitzes in vier unterscheidbaren Formen der Kontrolle: Informationskontrolle durch Überwachung, auf die Zuboff abhebt, ist dabei nur der erste Schritt, der nebenbei keineswegs nur auf Konsument:innen, sondern auch auf die Produzierenden zielt. Sie ermöglicht drei weitere Formen der Kontrolle: von Zugängen, von Preisen und von Leistungen. Auf Seite der Produzierenden können sich Plattformunternehmen entscheiden, welcher Konkurrenz sie die Tür öffnen bzw. verschließen wollen – auf der Konsument:innenseite können sie kontrollieren, wer welche Angebote zu welchen Preisen zu sehen bekommt (Zugangskontrolle). Dies eröffnet nicht nur ein eigenes Geschäftsfeld, die algorithmische Preissetzung, sondern es ermöglicht den Plattformen zugleich eine lukrative Strategie der Preiskontrolle. Diese Strategie wird − anders als in der Monopoltheorie erwartet − bisher vornehmlich zu Gunsten, nicht zu Lasten der Konsument:innen eingesetzt: Durch ihre Macht über die Angebotsseite wird es den Marktbesitzern nämlich möglich, die Konkurrenz zwischen den Marktteilnehmern zum Nutzen der eigenen Profite zu optimieren. So haben die Plattformbetreiber beispielsweise die Möglichkeit, das Angebot strategisch zu erweitern, um die Preise für Konsument:innen zu senken (und damit die Umsätze zu steigern).

      Das Profitmodell proprietärer Märkte ist die Besteuerung des Handels. Die Quantität des Warenumschlags scheint dabei wichtiger als die Höhe der jeweiligen Handelspreise. Die Plattformbetreiber können außerdem – und sie tun dies tatsächlich – die von ihnen kontrollierten Marktinformationen und Zugänge nutzen, um eigene Angebote zu lancieren und systematisch zu bevorzugen – ein Vorwurf, der von verschiedenen Firmen seit geraumer Zeit gegen Amazon gerichtet wird. Auch Google steht hierfür in der Kritik und kassierte auch bereits Strafen der EU für Selbstbevorzugung auf seinem Dienst Shopping. Auch in der Reisebranche befürchten verschiedene Vermittlungsplattformen vom Markt gefegt zu werden, sollte Google hier seinen eigenen Dienst Trips stärken. Schließlich macht die Bündelung von Kontrollmacht eine vierte Strategie möglich: Leistungskontrolle, also die Fähigkeit der Marktbesitzer, den Produzierenden die Bedingungen der Leistungserbringung bis ins Detail zu diktieren. Ein besonders sichtbares Werkzeug sind dabei die auf Plattformen systematisch eingesetzten Kaufbewertungen, die von den Betreibern nach eigenen Kriterien gestaltet werden können, um die Qualität einer Dienstleistung zu messen und die Disziplin der Produzentenseite zu erzwingen.

      Infrastrukturoffensiven

      Auf die eine oder andere Weise trifft die Logik proprietärer Märkte auf alle Konzerne des Gafa-Komplexes (Google, Apple, Facebook und Amazon) zu, ohne dass einer von ihnen gänzlich auf dieses Modell reduziert werden könnte. Facebook ist zuvorderst ein soziales Netzwerk – aber es ist eben auch zu einer Art Markt für Informationen geworden, über den die Mehrheit der Menschen Nachrichten bezieht. Texte werden heute nach den durch Facebook definierten Standards produziert, weil für Medienproduzenten die dort gebündelte Aufmerksamkeit unerlässlich ist. Amazon verdient zwar auch exorbitante Summen mit seiner Cloud-Sparte Amazon Web Services, stellt aber zugleich dasjenige Gafa-Unternehmen dar, in dem über die eigene Handelsplattform die Logik der Kapitalisierung durch Marktbesitz am stärksten realisiert ist und nach wie vor am nachdrücklichsten verfolgt wird. Die Firma steht dabei für den Versuch, das Modell proprietärer Märkte aus dem enger gefassten Bereich des kommerziellen Internets in die Welt der materiellen Dinge zu übersetzen. Amazon muss entsprechend mit wesentlich höheren Fixkosten kalkulieren, was erklärt, weshalb das Unternehmen – besser gesagt: seine E-Commerce-Sparte – eine deutlich niedrigere Profitrate aufweist als Google, Apple und Facebook. Apple weist auf den ersten Blick noch am ehesten Ähnlichkeiten mit herkömmlichen Produzenten auf, da es den überwiegenden Teil seiner Gewinne mit dem Verkauf von Endgeräten erwirtschaftet. Allerdings war Apple mit dem iPod und dem angebundenen iTunes-Store auch der Pionier des beschriebenen Profitmodells und der App-Store ist nicht nur der Inbegriff eines umfassenden proprietären Markts, sondern auch eine schnell wachsende und immer wichtiger werdende Profitquelle.

      Auch an der Investitions- und Akquisitionspolitik der Leitunternehmen in den letzten Jahren lässt sich das Ziel der Unternehmen ablesen, gleich einem Markt zu agieren. Die Konzerne haben vor allem in Finanztechnologie (»Fintech«), Cloud-Dienstleistungen und künstliche Intelligenz investiert – allesamt Infrastrukturelemente proprietärer Märkte. Fintech-Anwendungen, insbesondere proprietäre Bezahlsysteme, runden beispielsweise das Profil der einzelnen Märkte an der Schnittstelle zu den Konsument:innen ab. Sie ermöglichen einerseits die Kontrolle der Zahlungsflüsse, andererseits die Entwicklung neuer Sekundärprodukte mithilfe der auflaufenden Daten, etwa Bonitätsratings oder Konsumkredite. Damit generieren die Marktbesitzer nicht nur neue Einnahmequellen, sondern erweitern zudem das eigene Produktportfolio. Als Vorbilder für diese Strategie können die chinesischen Leitunternehmen Alibaba und Tencent gelten, die über eine ganze Phalanx von Fintech-Unternehmungen verfügen. Das berühmteste Element der proprietären Finanzkomplexe dieser Konzerne sind die Bezahlsysteme Alipay und WeChat Pay: Ersteres verfügte Anfang 2019 über die sagenhafte Zahl von einer Milliarde registrierten User:innen, letzteres versammelte über 900 Millionen nachweislich aktive Nutzer:innen. Als Duopol kontrollieren Alipay und WeChat Pay den chinesischen Markt für Mobile-Payments so gut wie vollständig. Die Kontrolle der Zahlungsflüsse durch proprietäre Systeme bietet den Plattformen zwei entscheidende Vorteile: Erstens erheben sie Transaktionsgebühren, was die Profite steigert. Zweitens werden Konsument:innen, vor allem aber Händler:innen und Produzierende über die Bezahlsysteme unmittelbar in die proprietären Märkte integriert.

      Cloud-Anwendungen sind ein weiteres zentrales Infrastrukturelement. Sie ermöglichen die fortschreitende Integration des jeweiligen Produkt- und Dienstleistungsportfolios durch die Sicherung und Expansion von Informationskontrolle. In den Rechenzentren der Leitunternehmen werden sämtliche marktrelevanten Daten der Nutzer:innen gespeichert und verwertet. Kein digitales Ökosystem funktioniert heute ohne diese im Hintergrund laufende Infrastruktur. Dass immer mehr Unternehmen, aber auch staatliche und andere Institutionen auf sie angewiesen sind, zeigt sich etwa am schier unglaublichen Bedeutungszuwachs des führenden Cloud-Anbieters Amazon Web Services (AWS), der derzeit einen Anteil von über 30 % am globalen Cloud-Markt hält (andere Leitunternehmen wie Microsoft, Google und Alibaba folgen auf den Plätzen). Die Liste der Unternehmen und Organisationen, die AWS nutzen, verdeutlicht, wie zentral die Amazon-Cloud für die digitale Weltinfrastruktur ist. Laut Amazon zählen zu den über eine Million Anwendern nicht nur prominente »Old Economy«-Unternehmen wie Kelloggs, Unilever, Volkswagen und BMW, sondern auch die Nasa, die Uno oder das US-Verteidigungsministerium.

      Insbesondere für andere Digitalunternehmen ist AWS heute überlebenswichtig. Zu den Kunden aus diesem Feld zählen das deutsche Unternehmenssoftware-Powerhouse SAP, die Flatsharing-Plattform Airbnb und der Videostreaming-Dienst Netflix, der seinen gesamten Traffic über AWS abwickelt. Wie bedeutend die private Infrastruktur von Amazon mittlerweile für das gesamte kommerzielle Internet ist, wurde den US-Bürgern am 8. Februar 2017 deutlich, als Services wie Netflix, Spotify, Tinder, Dropbox und Tausende andere für ihre Nutzer:innen vier Stunden lang nicht erreichbar waren. Was war passiert? Ein AWS-Mitarbeiter hatte sich »vertippt« und aus Versehen mehr Server offline genommen als geplant. Seither spricht man von diesem Datum als jenem Tag, an dem »das Internet offline ging« – genauso richtig wäre es zu sagen, dass für vier Stunden ein Großteil des Marktes verschwand.

      Auch

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