Blutblume. Louise Boije af Gennäs

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Blutblume - Louise Boije af Gennäs Widerstandstrilogie

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schlugen. Rechts von ihnen – über den Baumkronen des Waldes – funkelte die Venus, der Abendstern. Nachdem sie einige Augenblicke lang den heftigen Brand betrachtet hatten, drehten die Männer sich um und gingen zu dem schwarzen Wagen, der unten am Weg geparkt war. Dahinter sprang gerade eine grau gestreifte Katze mit großen Sätzen quer über die Wiese und verschwand unter einer duftenden Traubenkirsche, deren Blüten weiß in der Dunkelheit leuchteten.

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      Dear Sir/Madam,

      ich wende mich an Sie, weil Sie Chefredakteur oder verantwortlicher Herausgeber einer Zeitung oder eines anderen Pressekanals (Funk, Fernsehen oder internetbasiertes Medium) sind, und ich Sie respektiere. Im Anhang finden Sie Dokumente, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie einen Blick darauf werfen würden.

      Ich habe viel auf mich genommen, um dieses Material zusammenzutragen. Andere Menschen mussten leiden, anfangs ohne mein Wissen, um zu verhindern, dass es Sie erreicht. Deshalb wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich die Mühe machten, alles auf seine Echtheit zu prüfen, bevor Sie es ad acta legen.

      Dabei werden Sie herausfinden, dass alle Dokumente, die ich diesem Schreiben beigelegt habe, authentisch sind. Ich kann verstehen, dass das anfangs schwer vorstellbar ist, weil das Material so umfangreich, tiefschürfend und entlarvend ist für eine Vielzahl führender Persönlichkeiten. Es berührt nicht nur mein Land, sondern eine Vielzahl weiterer Nationen überall auf der Welt. Mir ist bewusst, dass die Veröffentlichung dieses Materials schwerwiegende Folgen für viele Menschen haben wird, nicht nur in Schweden. Unsere ökonomischen Systeme sind verzweigt und international. Selbst auf Verteidigungs-, Handelsoder Migrationsebene oder im Bereich Arbeitskraft und Umwelt wird kooperiert.

      Ich hoffe, dass Sie sich nicht vom Umfang des Materials oder den eventuellen Konsequenzen von einer Publikation abhalten lassen, sondern es der Allgemeinheit zugänglich machen. Alle Mitbürgerinnen und Mitbürger haben das Recht, dies alles zu erfahren. Dies macht den Kern einer Demokratie aus, genauso des journalistischen Auftrags. Die Bevölkerung soll bestimmen. Aber ohne Wissen und Information kann niemand eine bewusste Wahl treffen.

      Eine Spur zu mir werden Sie nicht finden. Ich hingegen werde voller Zuversicht darauf warten, dass das Material in den Medien auftaucht.

       Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass ich das gesamte Material gleichzeitig an Redaktionen auf der ganzen Welt geschickt habe. Manche werden es sicher sofort ablehnen, anderen wird ein Maulkorb verpasst. Trotzdem hoffe ich sehr, dass es jemand wagt, der Erste zu sein, der alles veröffentlicht …

      1. KAPITEL

      »So«, sagte die kleine, rundliche Dame und öffnete die Tür, »und hier wohnen Sie.«

      Ich schaute in ein minimalistisch eingerichtetes Schlafzimmer und spürte sofort, wie sich meine mühsam zusammengeraffte gute Laune verabschiedete. Ein schmales Bett auf vier Beinen, darauf ein orangefarbener, gestreifter Überwurf aus dünner Baumwolle. Er erinnerte mich sofort an unseren Überwurf im Sommerhaus, der aus den frühen Siebzigern stammte. Mein Zimmer in dem Studentenwohnheim in Uppsala vom letzten Jahr wirkte mit einem Mal geradezu luxuriös.

      Neben dem Bett stand ein Nachttisch, und meine Vermieterin war bereits dort und ruckelte an der Schublade.

      »Sie ist etwas schwergängig«, erklärte sie, »aber sie funktioniert. Das Bad liegt draußen im Flur, und Sie teilen es sich mit zwei anderen Bewohnern. Nutzen Sie bitte keinen Föhn dort drin.«

      Die Dame – eigentlich passte Mütterchen besser – hatte sich als Siv vorgestellt. Jetzt verschwand sie schon wieder hinaus in den Flur, und ich folgte ihr nach einem letzten Blick in mein zukünftiges Zimmer. Die Deckenlampe hatte einen runden Papierschirm, und auf dessen Boden, direkt unter der Glühbirne, war ein großer schwarzer Fleck – tote Fliegen? Auf dem Linoleumboden vor dem Bett lag ein Flickenteppich, auf dem jetzt die Katzentransportbox und meine rote Reisetasche standen. Am Fenster fanden sich ein abgenutzter Sessel und daneben eine Kommode mit drei Schubladen. Zudem gab es einen schmalen Schrank mit Drehknauf.

      Siv hielt die Badezimmertür auf, und ich ging an ihr vorbei hinein. Es gab eine altmodische hellblaue Wanne mit einem sehr dreckigen Duschvorhang, eine Toilette mit gesprungener Plastikbrille, ein Waschbecken mit einer Armatur aus den Siebzigern (blauer Punkt für kalt, roter Punkt für warm). Blutrotes PVC auf dem Boden.

      Sie deutete auf eine nicht geerdete Steckdose.

      »Wer weiterleben will, lässt die Finger davon, sage ich immer.«

      Sie lächelte über sich selbst, und ich folgte ihr wieder hinaus in den Flur.

      »Bleibt noch die Kleinigkeit namens Miete«, sagte sie. »Sechstausendfünfhundert Kronen will ich pro Monat, im Voraus und in bar.«

      »Hatten wir uns nicht auf sechstausend geeinigt?«, fragte ich.

      Siv kräuselte die Lippen.

      »Doch, aber Sie bringen ja eine Katze mit. Da ist mit Schäden und Problemen zu rechnen. Fünfhundert will ich extra, für die Katze.«

      Ich seufzte und holte einen Umschlag aus den Untiefen meiner Handtasche, außerdem fischte ich noch einen Schein aus meinem schmalen Portemonnaie. Siv riss den Umschlag auf und zählte gierig die Fünfhunderter. Und genau da, im Schein der Neonröhre, wurde mir bewusst, dass ich mitten in der Stockholmer Wohnungsnot angekommen war. Solange ich zurückdenken konnte, hatte ich mich danach gesehnt: endlich mit dem Studium fertig sein; Uni und Kleinstadt hinter mir lassen; in die Hauptstadt ziehen. Jetzt war ich endlich hier. Der Herbst hatte gerade eingesetzt. Mein neuer Job wartete. Aber nichts passte, alles war falsch; nichts war, wie ich es mir erhofft hatte. Und ein Gefühl von Machtlosigkeit wuchs in mir.

      Siv schaute mit bösen kleinen Augen von dem Geldbündel auf.

      »Stimmt genau«, sagte sie. »Sie haben ein Fach im Kühlschrank, den ich Ihnen gezeigt habe. Essenszubereitung zwischen 17 und 19 Uhr, da müssen Sie sich mit den anderen beiden Bewohnern absprechen. Danach will ich meine Ruhe.«

      »Und das WLAN?«, fragte ich. »Deckt die Miete das ab?«

      »Bis 21 Uhr«, antwortete Siv. »Danach will ich es allein nutzen.«

      »Okay«, sagte ich. »Nur noch eine Frage: Könnte ich das auch überweisen? Dann muss ich nicht extra welches abheben.«

      Siv bedachte mich mit einem messerscharfen Blick.

      »Wenn Sie ein Problem mit Bargeld haben, müssen Sie sich eine andere Bleibe suchen.«

      »Verstehe«, sagte ich.

      Sie ließ mich stehen und ging die Treppe runter. Durch das Fenster am anderen Ende des Flurs konnte ich Teile von Vällingby Centrum sehen. An die großen Kreise aus weißen Pflastersteinen konnte ich mich noch aus meiner Kindheit durch die Besuche bei Oma und Opa erinnern. Das sogenannte ABC-Stadt-Programm. Die Steine gab es noch, das Programm nicht mehr. Genauso wenig Oma und Opa.

      Eine Erinnerung an meinen Wehrdienst: drei Stunden Schlaf; unebener Boden unter der dünnen Isomatte; ein irrer Sergeant, der laut die bevorstehende Visitation um fünf Uhr ankündigte. Kein Zuckerschlecken. Warum fühlte sich das hier also unendlich viel anstrengender an?

      »Es wird dir guttun, nach Stockholm zu kommen«, hatte

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