Blutblume. Louise Boije af Gennäs
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Keine Reaktion, außer dass Eva mich auffordernd ansah. Ich fühlte mich plötzlich unsicher, weshalb ich einfach weitersprach, obwohl mir nicht danach war.
»Die Polizei glaubt, er hatte einen Schlaganfall oder Herzinfarkt«, fuhr ich fort. »Außerdem gab es ein Problem mit dem Gasherd. Es kam zu einem Großbrand. Das ganze Haus fackelte ab, und mein Vater … ja, er kam nicht rechtzeitig heraus. Man konnte nicht mehr feststellen, ob er schon tot war, als das Feuer ausbrach, oder …«
Ich schluckte. Gullbritt schaute mich mitleidig an, während Eva mich aus schmalen Augen betrachtete. Sie schien mir nur so gerade zu glauben.
»Heftig«, sagte sie knapp. »Und es war sicher ein Unfall?«
»Jetzt halt dich mal zurück«, zischte Gullbritt und wandte sich dann an mich. »Du Arme!«
»Was hast du denn dann die ganze Zeit seit dem Schulabschluss gemacht?«, fragte Eva. Ich schluckte noch einmal.
»Direkt nach der Schule erst einmal eine militärische Grundausbildung, danach noch die Offiziersausbildung. Anschließend habe ich in Uppsala studiert. B.A. in Politikwissenschaft und Volkswirtschaft.«
Eva betrachtete mich weiter voller Misstrauen.
»Und was machst du dann hier, nach einer so tollen Ausbildung?«
»Jetzt beruhig dich, Eva, du weißt doch, wie schwer es die Jugend heute hat, eine Anstellung zu finden«, sagte Gullbritt und schob mich vor sich her in die Küche. »Jetzt fängst du erst mal an, Kartoffeln zu schälen.«
Zwanzig Minuten später türmte sich ein Berg frisch geschälter Kartoffeln neben mir auf dem Tisch. Darunter wartete jedoch noch ein weiterer riesiger Sack auf den Einsatz des Sparschälers. Ich schaute aus dem Fenster. Ein Stückchen Himmel ließ sich zwischen zwei hohen Gebäuden erahnen. Er war grau, dunkle Wolken jagten vorbei. Um mich aufzumuntern, schickte ich meiner kleinen Schwester eine Snapchat-Nachricht, ein Bild von mir mit tapferem Lächeln, auf dem ich den Daumen in die Luft recke, im Hintergrund der Kartoffelberg und der dunkelgraue Himmelsfitzel. Work, bitch!, schrieb ich auf das Bild.
Gullbritt war neben mir aufgetaucht.
»Ich hab doch gesagt, du sollst die Spülhandschuhe anziehen«, sagte sie. »Sonst bekommst du sofort Blasen am Daumen.«
Seufzend ließ ich das Telefon in der Schürze verschwinden und tat wie mir geheißen. Im selben Moment rumste es laut hinter mir, ich drehte mich um. Dort stand Eva mit einem breiten Grinsen, sie hatte einen neuen Sack auf den Tisch gewuchtet.
»Möhren!«, sagte sie auffordernd. »Mit denen kannst du gleich weitermachen, wenn du mit den Kartoffeln fertig bist.«
Mein Handy piepste. Lina hatte mit einem Bild von sich und ein paar Klassenkameraden geantwortet, die heftige Grimassen zogen. Zeitalter der Revolution, stand auf dem Foto. Ich musste lächeln. Lina sah endlich wieder zumindest ein bisschen fröhlich aus.
Der Tag wollte nicht enden. Erst ewig Gemüse schälen, dann kochen, kassieren und unfassbare Mengen an dreckigem Geschirr bewältigen. Es gab einen doppelstöckigen Geschirrspüler, der nonstop lief, aber alle großen Gefäße mussten von Hand gereinigt werden. Um achtzehn Uhr durfte ich mich endlich nach Hause schleppen, und da war es draußen schon dunkel. Ich hatte viel zu viele Stunden am Stück gearbeitet, wenn man unsere vertragliche Vereinbarung zugrunde legte, aber es schien nicht der richtige Moment zu sein, das anzusprechen.
Der Bus nach Vällingby hatte Verspätung, und als er endlich auftauchte, hielt er nicht, weil er schon überfüllt war. Erst um zwanzig vor sieben betrat ich das Reich von Siv, die ein Kleid mit Blumenmuster trug und mich mit einem bittersüßen Lächeln im Flur erwartete. Ihre Dauerwelle sah frisch aus. Vielleicht hatte sie meine erste Monatsmiete direkt zu einem Friseur nach Vällingby Centrum getragen.
»Ihnen bleiben noch zwanzig Minuten, sich etwas zu kochen«, sagte Siv. »Danach will ich die Küche für mich haben!«
In der Küche stand Jalil, der marokkanische Schnurrbartträger, in einem hellgrünen Hemd und knallroter Hose. Er hatte drei der vier Herdplatten belegt und bedachte mich mit einem vielsagenden Blick, als ich hereinkam.
»Ich koche abends immer …«, setzte er an, doch ich unterbrach ihn.
»Ja, ja«, sagte ich leicht säuerlich. »Würdest du vielleicht trotzdem ein bisschen Platz machen, damit ich Nudelwasser aufsetzen kann?«
Noch so ein Blick, den ich einfach ignorierte. Ich holte einen Topf aus dem Schrank, füllte ihn mit Wasser, stellte ihn auf den Herd und drehte voll auf. Ich musste mich heute also mit Spaghetti, Butter und Ketchup zufriedengeben.
Mal wieder.
Da lag ein langer Herbst vor mir.
»Hattest du einen schönen Tag?«, presste ich hervor und lehnte mich an den Tisch, während ich darauf wartete, dass das Wasser zu kochen anfing.
Zu meiner großen Verwunderung lächelte Jalil mich breit an, und da erst fiel mir auf, was für schöne Augen er hatte. Er pikte etwas mit der Gabel aus der Pfanne und reichte sie mir.
»Entschuldige, dass ich heute Morgen so grantig war«, sagte er. »Ich bin alles andere als ein Morgenmensch, da komme ich ganz nach meiner Mutter. Die spricht niemand vor Mittag an. Gebratene Paprika mit Chili und Kumin. Nimm dir ein Stück Brot, das ist ganz schön scharf.« Ich lächelte zurück.
»Das klingt perfekt«, sagte ich und nahm die Gabel entgegen. »Scharf ist genau das, was ich brauche.«
Jalil hatte recht: Es war sehr scharf. Ich rupfte etwas von dem Brot ab, das in einer Schale auf der Spüle stand, und wollte es mir gerade in den Mund stecken, als Jalil sich wieder zu mir umdrehte. Blitzschnell schlug er mir gegen die Hand, sodass das Brot auf den Boden fiel.
»Was soll das?«, fragte ich schockiert. »Du hast doch gesagt …«
»Doch nicht das Brot!«, zischte Jalil mit einem Blick zur Tür. »Das ist von der Ollen! Die anderen hier sagen, dass sie da Rattengift reinsteckt und es in den Keller legt. Pass bloß auf, dass deine Katze da niemals hingeht!«
Rattengift? In der Küche? Wo war ich denn hier gelandet?
»Das Baguette auf dem Tisch ist von mir«, sagte Jalil. »Nimm dir was davon.«
»Danke, das ist nicht nötig«, erwiderte ich matt. »Ich bleibe lieber bei der Pasta.«
Nachdem ich gegessen, Simåns gefüttert und eine Runde mit ihm an der Leine gedreht hatte, rief ich meine Mutter an. Sie hob direkt ab.
»Wie geht es dir?«, fragte sie.
»Och, na ja«, sagte ich und spürte plötzlich, wie entmutigt und verzweifelt ich war. »Tja … wo soll ich anfangen? Irgendwie ist es schon komisch. Hatte nicht gedacht, dass ich ausgerechnet hier landen würde, als ich ein A für meine Examensarbeit bekam.«
»Nicht landen«, betonte Mama. »Zwischenlanden! Das ist ein Unterschied.«
»Vielleicht«, erwiderte ich.
»Fang mal von vorn an«, forderte