Die Evolution der Seele und Natur. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Sodann fragt es sich, auch wenn wir annehmen, dass der am wenigsten erklärbare Teil des Wirkens eine evolutionäre Entwicklung des Immateriellen aus der Materie ist, ob diese Entwicklung dennoch eine Schöpfung oder eine Befreiung, eine Geburt von etwas zuvor nicht Existierendem oder ein langsames Ans-Licht-Bringen von etwas schon als unterdrückte Tatsache oder als ewige Möglichkeitsform Existierendem ist? Und das Interesse an der Frage wird akut, ihre Wichtigkeit nicht abzuschätzen, wenn wir zu dem noch unerklärten Phänomen von Leben und Mental kommen. Ist das Leben eine Schöpfung aus unbelebter Substanz oder die Erscheinung einer neuen, einer plötzlich oder langsam aus der rohen materiellen Energie heraus entstehenden Kraft, und ist das bewusste Mental eine Schöpfung aus dem nichtbewussten oder unterbewussten Leben oder erscheinen diese Kräfte und Gottheiten, weil sie immer da waren, obschon in einem verschleierten und von uns unerkennbaren Zustand ihrer verborgenen oder unterdrückten Idee und Tätigkeit, ihres Namens und Numens? Und wie steht es mit der Seele und mit dem Menschen? Ist die Seele ein neues Ergebnis oder eine neue Schöpfung unseres mentalisierten Lebens – auch so betrachten sie viele, denn als eine sich ihrer selbst bewusste, helle, unterscheidbare Kraft erscheint sie erst deutlich, wenn das denkende Leben einen hohen Intensitätsgrad erreicht hat – oder ist sie nicht eine dauernde Wesenheit, das ursprüngliche Mysterium, das jetzt seine verborgene Form enthüllt, die ewige Begleiterin der Energie, die wir Natur nennen, ihre geheime Bewohnerin oder ihr eigentlicher Geist und ihre wahre Wirklichkeit? Und ist der Mensch eine biologische Schöpfung einer rohen Energie, der es irgendwie, ganz unerwartet und unerklärlich, gelang, mit dem Fühlen und Denken anzufangen, oder ist er in seinem wahren Selbst jenes innere Wesen und jene innere Macht, die der ganze Sinn der Evolution und die Herrin der Natur ist? Ist die Natur nur die Kraft des Selbstausdrucks, der Selbst-Formation, der Selbst-Erschaffung eines geheimen Geistes, und der Mensch, so eingeengt er in seiner gegenwärtigen Fähigkeit auch immer sein mag, das erste Lebewesen in der Natur, in dem diese Kraft anfängt, bewusst selbsterschaffend ganz vorn in der Tätigkeit zu stehen, in dieser äußeren Kammer des physischen Wesens, um dort ans Werk zu gehen und durch eine immer mehr ihrer selbst bewusste Evolution deren ganzen menschlichen Sinngehalt beziehungsweise deren göttliche Möglichkeit, soweit er es vermag, ans Licht zu bringen? Das ist die klare Schlussfolgerung, zu der wir letztlich kommen müssen, wenn wir erst einmal eine spirituelle Evolution als den Schlüssel zu der ganzen Entwicklungsbewegung, als die Wirklichkeit dieser ganzen aufsteigenden Schöpfung gelten lassen.
In dem Wort Evolution im eigentlichen Sinn steckt als ursprünglicher Grundgedanke die Notwendigkeit einer vorausgegangenen Involution. Wenn ein verborgenes spirituelles Sein das Geheimnis aller Tätigkeiten der Natur ist, müssen wir diesen latenten Wert des Gedankens voll zur Wirkung kommen lassen. Wir müssen daher zwangsläufig annehmen, dass alles, was sich herausentwickelt, schon „eingewickelt“ vorhanden war, passiv oder anders aktiv, in jedem Fall jedoch vor uns verborgen in der Schale der materiellen Natur. Der Geist, der sich hier in einem Körper manifestiert, muss von Anfang an im Ganzen der Materie und in jedem Knoten, jeder Bildung und in jedem Partikel der Materie involviert sein; Leben, Mental und was immer über dem Mental ist, das müssen latente, inaktive oder verhüllt aktive Kräfte in allen materiellen Energieprozessen sein. Die einzige Alternative wäre, die beiden Seiten unseres Wesens durch die scharfe Sankhya-Spaltung auseinanderzutreiben; dies wäre jedoch eine zu starke Trennung von Geist und Natur. Die Natur wäre träge und mechanisch, aber sie würde sich an ihr Werk machen, in Tätigkeit versetzt durch einen auf sie ausgeübten Druck des Geistes. Geist wäre Sein, bewusst und in seiner eigenen Essenz frei von der Naturtätigkeit, würde aber in der Erscheinungsform sein Bewusstsein tatsächlich oder scheinbar verändern als Antwort auf eine Reaktion der Natur. Das eine würde die Bewegungen der aktiven Macht reflektieren, das andere würde ihre Tätigkeiten mit dem Bewusstsein des seines selbst bewussten unsterblichen Seins erleuchten. In diesem Fall hätte die evolutionäre wissenschaftliche Auffassung eine Berechtigung, nach der die Natur ein weitläufiger Energiemechanismus ist und Leben, Mental und natürliche Seelentätigkeit ihre Stufenleiter von Entwicklungsprozessen. Unser Bewusstsein wäre dann nur eine lichtvolle Übersetzung der selbstgetriebenen, rastlosen mechanischen Tätigkeit in für die Erfahrung zugängliche Zeichen des zustimmenden spirituellen Zeugen. Aber die lähmende Schwierigkeit bei dieser Vorstellung ist der ganz entgegengesetzte Charakter unserer eigenen höchsten Erkenntnis; denn schließlich, und da die Energie der universalen Kraft die Steigungen ihrer eigenen Möglichkeiten überwindet, wird die Natur immer offenkundiger eine Macht des Geistes und ihr ganzer Mechanismus nur zu Formen seiner erfinderischen Meisterschaft. Die Kraft der Flamme kann von der Flamme nicht getrennt werden; wo die Flamme ist, ist die Kraft, und wo die Kraft ist, ist das feurige Prinzip. Wir müssen zur Vorstellung eines Geistes zurückkehren, der im Universum gegenwärtig ist, und wenn der Prozess seiner Werke der Macht und seiner Erscheinungsformen in Evolutionsstufen verläuft, drängt sich die Notwendigkeit einer vorangegangenen Involution auf.
Dieser Geist in allem ist nicht von Anfang an sichtbar, sondern verrät sich im zunehmenden Licht der Manifestation. Wir sehen, wie die komprimierten Mächte der Natur, befreit von ihrer ursprünglichen Involution, in leidenschaftlichem Schaffen allmählich die Geheimnisse ihrer unendlichen Fähigkeit offenbaren und anfangen, einen Druck auf sich selbst und auf das tragende untere Prinzip auszuüben, um dessen niedrigere Strömung, von der sie gezwungenermaßen abhängen, einem höheren, ihrer Eigenart gemäßen Wirken zu unterwerfen und in der Größe ihrer sich selbst offenbarenden Ausarbeitungen ihre eigene Größe zu fühlen. Das Leben bemächtigt sich der Materie und haucht ihr die zahllosen Formen seiner überreichen Schöpferkraft ein: seine subtilen, wechselnden Muster, seine Geburts-, Todes- und Wachstumsbegeisterung, sein Ergriffensein von der Handlung und ihrem Echo, seinen Willen zu einer immer komplexeren Ordnung des Erlebens, seine bebende, heraustastende Suche nach der Bewusstwerdung seiner Freude, seines Schmerzes, seines verstehenden Tatensturms; das Mental ergreift das Leben, um es zu einem Instrument für die Wunder des Willens und der Intelligenz zu machen, die Seele besitzt das Mental und hebt es durch die Anziehungskraft des Schönen und Guten, der Weisheit und Größe in die Freude eines noch nicht ganz hervorgetretenen idealen höchsten Daseins; und in dieser ganzen wunderbaren Bewegung und diesen emporklimmenden Größen setzt jeder Schritt seinen Fuß auf eine höhere Sprosse und eröffnet einen klareren, weiteren und volleren Horizont und Ausblick auf den stets geheimen und stets sich selbst manifestierenden Geist in allem. Das auf die physische Evolution gerichtete Auge hat nur den Anblick einer mechanischen Größe und Subtilität der Schöpfung; die Evolution des sich dem Mental öffnenden Lebens, die Evolution des Mentals, das sich der Seele seines eigenen Lichtes und Wirkens öffnet, die Evolution der Seele aus den begrenzten Mächten des Mentals heraus in den strahlenden Glanz der Unendlichkeiten des spirituellen Seins, das sind die bedeutsameren Dinge, sie erschließen uns größere und subtilere Bereiche des sich selbst enthüllenden Geheimnisses. Die physische Evolution ist nur ein äußeres Zeichen, sie ist die immer komplexer und subtiler werdende Entwicklung einer tragenden Struktur, die wachsende äußere metrische Gestalt, dazu ersonnen, die aufsteigenden Intonationen der spirituellen Harmonie zu stützen. Die spirituelle Bedeutung trifft uns in dem Maße, wie die Töne anschwellen; doch erst, wenn wir ganz oben auf der Leiter angelangt sind, sind wir dem vollen Sinn dessen gewachsen, wozu alle diese ersten formalen Metren als äußere Konturen, als Grundriss oder Rohentwurf gemacht wurden. Das Leben selbst ist nur ein buntes Medium, die physische Geburt eine praktische Einrichtung für die immer größer werdenden Geburten des Geistes.
Der spirituelle Evolutionsprozess ist also in gewissem Sinne eine Schöpfung, aber eine Selbst-Erschaffung, nicht ein Erschaffen von etwas, das noch nie da war, sondern ein Ans-Licht-Bringen von etwas, das im Sein enthalten war. Das Sanskrit-Wort für Schöpfung bedeutet ein Herauslösen, Herauslassen in das Wirken der Natur. Die Upanishad verwendet in