Die Evolution der Seele und Natur. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Es gibt transzendentale Fragen nach der metaphysischen Notwendigkeit, Möglichkeit und letzten Wirklichkeit einer evolutionären Manifestation dieser Art, doch brauchen sie hier und jetzt nicht in das Spiel gebracht zu werden; vorerst sind wir nur mit deren Wirklichkeit für die Erfahrung und mit der ablaufbedingten Bedeutung der Wiedergeburt beschäftigt, mit der offenkundigen Tatsache, dass wir zu einer Art Manifestation gehören und uns unter dem Druck einer Art Evolution vorwärtsbewegen. Wir sehen eine Macht am Werk und wollen herausfinden, ob in dieser Macht ein bewusster Wille, eine geordnete Entwicklungsmöglichkeit steckt, und wir müssen zuerst entdecken, ob sie das blinde Ergebnis eines organisierten Zufalls oder eines nichtbewussten, selbstaufgezwungenen Gesetzes ist oder der Plan einer universalen Intelligenz oder Weisheit. Haben wir einmal die Entdeckung gemacht, dass es einen bewussten Geist gibt, dessen Ausdruck diese Bewegung ist, oder lassen wir dies als unsere Arbeitshypothese gelten, sind wir verpflichtet, weiterzugehen und zu fragen, ob diese sich entwickelnde Ordnung mit dem jetzigen Sein des Menschen aufhört oder ob sie mit etwas mehr beladen ist, zu dem sie und der Mensch aufwachsen müssen, ein unfertiger Ausdruck, eine größere, noch nicht gefundene Ausdrucksform, und in diesem Fall ist es klar, dass der Mensch zu diesem Größeren aufwachsen muss; es vorzubereiten und zu verwirklichen, muss die nächste Stufe seiner Bestimmung sein. Diesem neuen Schritt in der Evolution muss seine Geschichte als einer Rasse unterbewusst zustreben, und die Kräfte der höchsten Einzelwesen müssen halbbewusst darum ringen, dass dieses Größere geboren wird; und da die aufsteigende Ordnung der Wiedergeburt stets den Stufen der Evolution folgt, kann auch diese nicht dazu bestimmt sein, plötzlich stehenzubleiben oder jäh, ohne Rücksicht auf den beabsichtigten Schritt, in das Überbewusste wegzuschießen. Die Beziehung unserer Geburt zum Leben auf anderen Stufen des Bewusstseins und zu irgendeinem beliebigen transzendenten Überbewusstsein sind wichtige Probleme, doch muss ihre Lösung etwas sein, das in Einklang mit der Absicht des Geistes im Universum steht; alles muss zu einer Einheit gehören und nicht zu einem Durcheinander spiritueller Unvereinbarkeiten und Widersprüche. Nach diesem Grundsatz muss unser erster Brückenschlag vom Bekannten zum Unbekannten die Entdeckung sein, wie weit die noch unfertige Leiter der Evolution in der irdischen Entwicklungsreihe emporsteigen kann. Die ganze ablaufbedingte Bedeutung der Wiedergeburt kann in dieser einen, noch nicht in Angriff genommenen Entdeckung stecken.
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1 Der wunderbare und prägnante Satz des Korans: „Denkst du, dass ich Himmel und Erde und alles, was zwischen ihnen ist, nur so zum Spaß erschaffen habe?“
2 Umhertappend wie der Blinde, geführt vom Blinden.
Kapitel 6
Die aufsteigende Einheit
Worte Sri Aurobindos
Das menschliche Mental liebt eine klare Einfachheit der Auffassung; je schärfer eine Aussage, desto heftiger wird es von ihr erfasst, und um so mehr neigt es dazu, sie zu akzeptieren. Dies ist nicht nur natürlich für unser erstes, unfertiges Denken und nicht nur um so attraktiver, als es uns die Dinge mit wunderbarer Leichtigkeit handhaben lässt und uns eine Unmenge Nachforschungsärger und mühevolles Nachdenken erspart, sondern es begleitet uns auch in abgeschwächter Form zu den höheren Ebenen einer aufmerksamen Denkweise. Die Lösung des schicksalhaften Knotens nach der Methode Alexanders ist unser natürlicher Lieblingsumgang mit dem verworrenen Netzwerk der Dinge, der einfache Schnitt, der Königsweg, die leichte Philosophie des „Dies und nicht dies“, „Das und nicht das“, ein kraftvolles Ja oder Nein, eine simple Teilung, ein robustes Gegensatzpaar, ein sauberer Einteilungsschnitt. Unser Verstand handelt durch Teilungen, auch unser gewöhnliches, unlogisches Denken ist eine stammelnde und stümperhafte Kurzanalyse und Zusammenfassung der Erfahrung, die sich uns mit so endloser Kompliziertheit darbietet. Aber die reinste und klarste Teilung ist die, die am beruhigendsten für uns ist, weil sie unsere noch kindliche Intelligenz mit einem Gefühl lichter, schlüssiger Einfachheit beeindruckt.
Doch ist von dieser Neigung zu einfachen Lösungen nicht allein das in ein direktes und schlichtes Denken verliebte Durchschnittsmental befallen – zu seinen Gunsten, um ein berühmtes Beispiel zu nennen, dachte jener große Doktor Johnson mit der allen starken Menschen teuren königlichen Kraft, als er Berkeleys ganze Philosophie über den Haufen warf, indem er einfach einen Stein wegkickte und sagte: „Damit beweise ich die Wirklichkeit der Materie“. Auch der Philosoph, obwohl er nebenbei zu komplizierter Beweisführung neigt, freut sich am meisten, wenn er durch sie zu einer herrlich überzeugenden Schlussfolgerung kommen kann, zu einer klar umrissenen Unterscheidung zwischen Brahman und Nicht-Brahman, Wirklichkeit und Unwirklichkeit oder zu irgendeinem der massenhaften mentalen Gegensätze, auf die so viele „Ismen“ gegründet worden sind. Diese Königswege der Philosophie haben den Vorteil, dass sie für die Schritte des metaphysischen Intellekts hoch und groß angelegt sind und zugleich durch die grandiose Gipfelhöhe ihrer souveränen, wie ein schneeweißes Matterhorn in den Himmel geschnittenen Formel, in der sie enden, das gewöhnliche Mental anziehen und übermannen. Was für einen herrlichen Kehraus hören wir zum Beispiel in jenem altbekannten Satz, brahma satyam jagan mithya, der Ewige allein ist wahr, die Welt ist eine Lüge, und wie siegreich scheinen diese vier Worte in ihrer kompromisslosen Antithese von Bejahung und Verneinung die ganze Angelegenheit von Gott, Mensch, Welt und Leben sofort und für immer zu regeln. Doch im Grunde, wenn wir die Sache etwas freier überdenken, können wir vielleicht erkennen, dass Natur und Existenz in diesem Punkt nicht vom selben Geist sind wie der Mensch, dass es hier eine große Vielfalt gibt, der wir geduldig nachgehen müssen, und dass diejenigen Denkweisen die größte Chance haben, fruchtbar und wahrheitsergiebig zu sein, die wie das inspirierte Denken der Upanishaden viele Seiten auf einmal in sich aufnehmen und viele gegensätzliche Schlussfolgerungen in Einklang bringen. Man kann aus den Upanishaden Material für hundert Philosophien heraushauen, als wäre es eines Titanen unermesslicher Steinbruch, und sie doch genauso wenig ausschöpfen wie den üppigen Busen unserer Mutter Erde oder die Reichtümer unseres Vaters Äther.
Der Mensch begann mit diesem bekannten Verfahren einfacher Schnitte durch Betonung seines Selbstgefühls als Mensch; er machte aus sich selbst ein getrenntes, einmaliges und eigentümliches Wesen in dieser Welt, für das oder um das herum alles andere erschaffen worden sein sollte – und alles Übrige, das Existierende unterhalb des Menschen, Tier, Pflanze, unbelebtes Objekt, alles bis zum Uratom, erschien ihm als eine von ihm verschiedene Schöpfung, abgetrennt, von anderer Natur; er erklärte alle für seelenlos, er allein war ein seelenbegabtes Wesen. Er sah das Leben, definierte es durch bestimmte Merkmale, die seinem Mental auffielen, und trennte alles andere Dasein als nichtlebend, unbelebt, davon ab. Er schaute seine Erde an, machte sie zum Nabel des Weltalls, weil sie der einzige von eingekörperten Seelen oder Lebewesen bewohnte Ort wäre; doch die unzähligen anderen Himmelskörper waren nur Lichter, um den Erdentag zu erleuchten