Die Evolution der Seele und Natur. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Wir müssen zugeben, dass die menschliche Vernunft, die von einem Ausgangspunkt der Unwissenheit ausgehend sich in einem großen Umkreis aus Unwissenheit bewegt, mittels Hypothese, Prämisse und Theorie vorgehen muss und der Nachprüfung in irgendeiner Form unterworfen ist, die unseren Verstand und unsere Erfahrung überzeugt. Es besteht jedoch dieser Unterschied, dass der religiöse Geist die Theorie oder Prämisse – die er überhaupt nicht so nennt, denn für ihn sind dies Gefühlsdinge – mit dem Glauben, mit einem Willen zum Glauben, mit gefühlsmäßiger Gewissheit akzeptiert und die Bestätigung in der zunehmenden spirituellen Intuition und Erfahrung findet. Der philosophische Geist akzeptiert sie ruhig und klug wegen ihrer deutlichen Übereinstimmung mit den Fakten und Notwendigkeiten des Seins; er verifiziert mittels einer alles durchziehenden und nie versagenden Harmonie mit allen Erfordernissen der Vernunft und der intellektualisierten Intuition. Doch das skeptische Mental – nicht der Geist des bloßen Zweifelns oder dogmatischer Verneinung, der normalerweise diese Bezeichnung für sich in Anspruch nimmt, sondern der offene und ausgewogene Geist sorgfältiger, unparteiischer und zurückhaltender Untersuchung – verleiht seinen Hypothesen einen gewissen provisorischen Charakter und erbringt den Nachweis durch die Berechtigung irgendeiner Ordnung oder Kategorie feststellbarer Tatsachen, die er als Beweisgrundlage nimmt und mit schlüssiger Glaubwürdigkeit beziehungsweise Faktizität ausstattet. Es gibt genug Platz für alle drei Methoden und es ist kein Grund vorhanden, warum unser vielschichtiger moderner Geist nicht mit allen dreien zugleich vorgehen sollte. Denn wenn die skeptische oder provisorische Haltung uns bereiter macht, unser Bild von der Wahrheit im Licht neuen Gedanken- und Erkenntnismaterials zu ändern, kann auch der religiöse Geist, vorausgesetzt, er behält ein gewisses festes und tiefes Offensein gegenüber neuer spiritueller Erfahrung bei, schneller zu einem immer größeren Licht fortschreiten, und in der Zwischenzeit können wir damit sicheren Schritts marschieren und ungefährdet unsere Hauptaufgabe in Angriff nehmen, unser Wesen wachsen zu lassen und zu vervollkommnen. Der Nutzen des philosophischen Geistes liegt darin, unserer Denkweise die nötige Weite und Offenheit zu geben – wenn er sich nicht ebenfalls selbst einengt durch einen geschlossenen Kreis metaphysischer Dogmen –, und außerdem stützt er die Harmonie unseres sonstigen Handelns durch die ruhige Zustimmung der höheren Vernunft.
Nun liegt die Ausgangshypothese zu diesem Thema „Seele und Wiedergeburt“ ganz offen vor uns; die Schranke ist gefallen. Denn so viel steht jetzt fest: Die Naturwissenschaften können uns den Schlüssel zu dem Vorgang liefern, aber keinen Einfluss auf die Wirklichkeit der Dinge ausüben. Das bedeutet, dass das Physische nicht das ganze Geheimnis von Welt und Dasein ist und dass auch in uns der Körper nicht das Ganze unseres Wesens ist. Wir gelangen also aller Wahrscheinlichkeit nach durch etwas Supraphysisches in der Natur und in uns selbst, das wir Seele nennen können, was auch immer die eigentliche Substanz der Seele sein mag, zu jener größeren Wahrheit und subtileren Erfahrung, die unseren von den Naturwissenschaften gezogenen engen und strengen Kreis vergrößern und uns der Wirklichkeit näher bringen wird. Auch der rationalste Geist kann jetzt durch nichts gehemmt werden – denn wahrer Rationalismus, wirkliches, freies Denken braucht nicht mehr mit einer Leugnung der Seele und dem Ausspähen von Wahrheiten spiritueller Philosophie und Religion gleichgesetzt zu werden, wie es eine Zeitlang allzu voreilig und intolerant der Fall war –, nichts kann uns davon abhalten, fest entschlossen auf den Gewissheiten spiritueller Erfahrung voranzuschreiten, welche es auch immer sein mögen, die für uns der Boden unseres inneren Wachstums oder die Säulen auf unserem Weg der Selbsterkenntnis geworden sind. Dies sind Seelen-Wirklichkeiten. Doch der eigentliche Rahmen, den wir diesem Wissen geben werden, wird am besten von weitreichender spiritueller Erfahrung gebildet, unterstützt von größeren Intuitionen, bestärkt durch die Hinweise einer weiten philosophischen Vernunft und fruchtbar nutzend, was immer wir an hilfreichen Fakten von Naturwissenschaft und Psychologie erhalten können. Dies sind Wahrheiten des Seelenvorgangs; ihr volles Licht muss durch Erfahrungswissen und Beobachtung der Welt um uns und in uns gewonnen werden.
Die Anerkennung eines Vorhandenseins der Seele kann nicht an sich schon, durch ihre eigene Notwendigkeit, durch irgendeinen unerlässlichen nächsten Schritt, dazu führen, dass die Wiedergeburt akzeptiert wird. Diese unerlässliche Konsequenz kann erst eingeführt werden, wenn es so etwas wie eine Seelen-Evolution gibt, die sich stets selbst Geltung verschafft und zur ständigen Ordnung des Daseins und zum Gesetz des Zeitprozesses gehört. Außerdem ist so etwas wie das Geltenlassen einer individuellen Seele eine erste Bedingung für die Wahrheit der Wiedergeburt. Denn es gibt eine plausible Theorie des Daseins, die eine All-Seele annimmt, ein universales Sein und Werden, dessen greifbares Ergebnis die materielle Welt ist, die jedoch nicht eine bleibende Wahrheit unserer spirituellen Individualität gelten lässt. Die All-Seele kann sich kontinuierlich entwickeln, kann ihr Werden langsam, doch mit Nachdruck herausbilden; aber jeder individuelle Mensch beziehungsweise jedes offenbare Einzelwesen ist für diese Denkweise nur ein Augenblick der All-Seele und ihrer Evolution; aus dieser erhebt sie sich durch die Bildung, die wir Geburt nennen, und sinkt in sie zurück durch die Auflösung, die wir Tod nennen. Aber diese begrenzende Vorstellung kann nur Bestand haben, wenn wir einer schöpferischen biologischen Evolution und ihrem Instrument physischer Vererbung mit der ganzen Ursächlichkeit unseres mentalen und spirituellen Wesens Glauben schenken; doch in diesem Fall haben wir weder eine wirkliche Seele noch ein wirkliches Mental, unsere Seelen-Persönlichkeit oder unser spirituelles Werden ist eine Frucht unseres Lebens und Körpers. Die Frage der Wiedergeburt dreht sich nun fast gänzlich um die eine Grundfrage nach der Vergangenheit des Einzelwesens und seiner Zukunft. Wenn die Schöpfung der ganzen Natur der physischen Geburt gutgeschrieben werden soll, dann sind Körper, Leben und Seele des Individuums nur eine Fortsetzung von Körper, Leben und Seele seiner Ahnen, und für eine Seelen-Wiedergeburt ist nirgends Platz. Der einzelne Mensch hat kein von ihnen unabhängiges vergangenes Sein und kann keine unabhängige Zukunft haben; er kann in seiner Nachkommenschaft weiterleben – das Kind kann sein zweites oder fortgesetztes Selbst sein, wie die Upanishaden es ausdrücken –, doch es gibt keine andere Wiedergeburt für ihn. Kein fortdauernder Strom der Individualität, geleitet von irgendeiner mentalen oder spirituellen Person, überlebt siegreich den Tod des Körpers. Wenn andererseits irgendein Element in uns ist, und gar noch das wichtigste von allen, das nicht nur so erklärt werden kann, sondern eine Vergangenheit oder eine künftige Evolution voraussetzt, die sich von der des Gattungsgeistes und der physischen Abstammung unterscheidet, dann wird eine irgendwie geartete Seelen-Geburt zur logischen Notwendigkeit.
Nun scheinen gerade hier die Ansprüche der physischen und vitalen Evolution und Vererbung als Grund und Ursache unseres ganzen mentalen und spirituellen Seins zu versagen. Gewiss hat es sich gezeigt, dass unser Körper und der größte Teil unserer Lebenstätigkeit weitgehend das Ergebnis von Vererbung sind, jedoch nicht so, dass sie eine unterstützende und möglicherweise wirklich vorherrschende psychische Ursache ausschlössen, die sich von einem Abstammungsbeitrag unterscheidet. Es wurde nachgewiesen, wenn man so will, dass unsere bewusste Vitalität und die davon abhängenden Teile des Mentals – etwas vom Temperament, etwas vom Charakter, bestimmte Impulse und Neigungen – weitgehend von der entwicklungsmäßigen Vererbung geformt – oder nur von ihr beeinflusst? – sind; jedoch nicht, dass sie gänzlich auf diese Kraft zurückzuführen wären, dass es keine Seele, keine spirituelle Wesenheit gäbe, die diese Instrumentierung akzeptiert und benutzt, ohne jedoch deren Erzeugnis oder ihr in ihrem Werden hilflos ausgeliefert zu sein. Noch mehr sind die höheren Teile unseres Mentals von spiritueller Unabhängigkeit geprägt. Es sind keine hilflosen Formationen entwicklungsmäßiger Vererbung. Dennoch stehen alle diese Dinge offensichtlich sehr stark unter dem Einfluss der Umwelt und deren Druck und Möglichkeiten. Und wenn wir wollen, können wir daraus einen einschränkenden Schluss ziehen; wir können sagen, dass sie eine Phase der Welt-Seele sind, ein Teil des Prozesses