Die Evolution der Seele und Natur. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Der vedische Seher kommt zu einem anderen Schluss. Er nimmt ein Identisches an, ein Selbst, eine fortwährende unwandelbare Wirklichkeit – die aber etwas anderes ist als meine Persönlichkeit, etwas anderes als diese Mischung, die ich „Ich“ nenne. In der Katha Upanishad wird die Frage in sehr instruktiver Form aufgeworfen, ganz dem Gegenstand angemessen, den wir vor uns haben. Nachiketas, von seinem Vater in die Welt des Todes gesandt, befragt Yama, den Herrn jener Welt, so: Von dem Menschen, der vorangegangen ist, der von uns gegangen ist, sagen einige, dass er ist, und andere, „das ist er nicht“; was ist nun richtig? Was ist die Wahrheit des großen Durchgangs? So die Form der Frage, und auf den ersten Blick scheint es, als ob das Problem der Unsterblichkeit im europäischen Sinn des Wortes aufgeworfen wird, das Weiterleben der identischen Persönlichkeit. Aber das will Nachiketas nicht wissen. Er hat als zweite der drei ihm von Yama angebotenen Wohltaten schon das Wissen der heiligen Flamme angenommen, mit dem der Mensch Hunger und Durst überschreitet, Sorge und Furcht weit hinter sich lässt und frohlockend und sicher im Himmel wohnt. Unsterblichkeit in diesem Sinne ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, wie er es, da er bereits in dieser ferneren Welt steht, sicherlich auch tun muss. Das Wissen, nach dem er fragt, schließt das tiefere, heiklere Problem mit ein, von dem Yama behauptet, selbst die Götter stritten von alters her darüber und es sei nicht leicht zu erfahren, denn subtil sei sein Gesetz; etwas lebt weiter, das dieselbe Person zu sein scheint, das in die Hölle hinab- und in den Himmel emporsteigt und mit einem neuen Körper auf die Erde zurückkehrt, doch ist es wirklich dieselbe Person, die so weiterlebt? Können wir wirklich von dem Menschen sagen: „Er ist noch“, oder müssen wir nicht vielmehr sagen: „Dies ist er nicht mehr“? Auch Yama spricht in seiner Antwort überhaupt nicht vom Weiterleben nach dem Tode, und er teilt nur ein paar Verse für eine knappe Beschreibung dieser ständigen Wiedergeburt mit, die alle seriösen Denker als eine allgemein anerkannte Wahrheit akzeptierten. Sondern er spricht vom Selbst, vom eigentlichen Menschen, dem Herrn aller dieser wechselnden Erscheinungsformen; ohne das Wissen von diesem Selbst ist das Weiterleben der Persönlichkeit kein unsterbliches Leben, sondern ein ständiges Weitergehen von Tod zu Tod; nur wer über die Persönlichkeit hinausgeht zur wahren Person, wird der Unsterbliche. Bis dahin scheint der Mensch wirklich immer wieder geboren zu werden durch die Kraft seines Wissens und seiner Werke, ein Name folgt dem anderen, eine Form weicht der anderen, aber Unsterblichkeit gibt es nicht.
Dies ist also die eigentliche Frage, die der Buddhist und der vedische Seher so sehr voneinander abweichend stellen und beantworten. Es herrscht eine ständige Neuformung der Persönlichkeit in neuen Körpern, doch diese Persönlichkeit ist eine unbeständige Schöpfung der tätigen Kraft, vorwärtsströmend in der Zeit und keinen Augenblick gleich, und der Ego-Sinn, durch den wir am Leben des Körpers hängen und bereitwillig glauben, dass es dieselbe Vorstellung und Gestalt sei, dass John Robinson als Sidi Hussein wiedergeboren wird, ist eine Schöpfung unserer Mentalität. Achilles wurde nicht als Alexander wiedergeboren, sondern der Kraftstrom in seinen Werken, der den jeden Augenblick sich ändernden mentalen Geist und Körper des Achilles erschuf, floss weiter und erschuf den jeden Augenblick sich ändernden mentalen Geist und Körper Alexanders. Dennoch, so sagt der alte vedische Seher, gibt es doch etwas jenseits dieser tätigen Kraft, ihr Meister, einer, der sie neue Namen und Formen für ihn erschaffen lässt, und das ist das Selbst, der Purusha, der Mensch, die Wirkliche Person. Der Ego-Sinn ist nur ihr verzerrtes Bild im fließenden Strom der eingekörperten Mentalität.
Ist es also das Selbst, das sich verkörpert und wiederverkörpert? Doch das Selbst ist unvergänglich, unwandelbar, ungeboren, unsterblich. Das Selbst wird nicht geboren und existiert nicht im Körper; eher wird der Körper geboren und existiert im Selbst. Denn das Selbst ist eines überall – sagen wir, in allen Körpern, aber es ist eigentlich nicht eingeschlossen und abgeteilt in verschiedenen Körpern, es sei denn wie der allbildende Äther, der in verschiedenen Gegenständen geformt zu sein scheint und gewissermaßen in ihnen ist. Eher befinden sich alle diese Körper im Selbst; doch auch dies ist eine Erfindung der Raumvorstellung, und diese Körper sind viel eher nur Symbole und Gestalten von ihm selbst, erschaffen von ihm in seinem eigenen Bewusstsein. Auch das, was wir die individuelle Seele nennen, ist größer als ihr Körper und nicht weniger, subtiler als er und daher nicht beschränkt durch seine Grobstofflichkeit. Beim Tod verlässt sie ihre Form nicht, sondern wirft sie ab, so dass eine große scheidende Seele von diesem Tod den kraftvollen Satz sagen kann: „Ich habe den Körper ausgespuckt.“
Was also fühlen wir als den Bewohner der physischen Gestalt? Wodurch wird die Seele aus dem Körper gezogen, wenn sie dieses physische Teilgewand abwirft, das nicht sie einhüllte, sondern einige ihrer Glieder? Durch wessen Heraustreten wird dieser Trennungsschmerz verursacht, dieser rasche Kampf und Schmerz des Voneinandergehens, dieses heftige Gefühl der Scheidung? Die Antwort hilft uns nicht viel. Es ist die Fein- oder Seelengestalt, die an das Physische durch die in jede physische Faser hineingewobenen Herzbänder, die Stränge der Lebenskraft, der Nervenenergie angebunden ist. Diese zieht der Herr des Körpers heraus, und das heftige Zerspringen beziehungsweise das rasche oder langsame Lösen der Lebensstränge, der Abgang der verbindenden Kraft bildet den Todesschmerz und dessen Schwierigkeit.
Wir wollen deshalb die Form der Frage ändern und vielmehr fragen: Wovon wird die wandelbare Persönlichkeit reflektiert und akzeptiert, da das Selbst ja unwandelbar ist? Wir haben in der Tat ein unwandelbares Selbst, eine wahre Person, Herr dieser sich ewig wechselnden Persönlichkeit, der wiederum ewig wechselnde Körper annimmt, doch das wahre Selbst weiß sich immer über der Veränderung, beobachtet und genießt sie, ist aber nicht darin verstrickt. Wodurch genießt es die Veränderungen und fühlt, dass es seine eigenen sind, auch wenn es sich selbst nicht von ihnen betroffen weiß? Mental und Ego-Sinn sind nur niedere Instrumente; es muss eine wesentlichere Form des Selbstes geben, die der Wahre Mensch aus sich herausstellt, dem Selbst gleichsam gegenüberstellt, und die hinter den Veränderungen diese stützt und spiegelt, ohne selbst eigentlich von ihnen verändert zu werden. Diese wesentlichere Form ist im Menschen – oder scheint es zu sein – das mentale Wesen oder die mentale Person, von der die Upanishaden als vom mentalen Führer des Lebens und Körpers sprechen, manomayah prana-sarira-neta. Dieser hält den Ego-Sinn als eine Funktion im Mental aufrecht und befähigt uns zu der festen Vorstellung einer fortlaufenden Identität in der Zeit im Gegensatz zur zeitlosen Identität des Selbstes.
Die sich wandelnde Persönlichkeit ist nicht diese mentale Person; sie ist eine Mischung aus verschiedenartigem Soff der Natur, eine Gestaltung der Prakriti und keineswegs der Purusha. Und sie ist eine sehr komplexe Mischung mit vielen Schichten. Da ist eine Lage physischer Persönlichkeit, eine Lage nervlicher Persönlichkeit und eine Lage mentaler Persönlichkeit, sogar eine Endschicht supramentaler Persönlichkeit;