Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider

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Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald - Margarete Schneider

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einem lebhaften reformierten Christentum geprägt wurde und dass die Einflüsse Kohlbrügges und Krummachers dazu beitrugen, dass er evangelische Theologie studiert hat.

      Leipzig, Bonn und Tübingen waren seine Studienorte. Dass er von Johann Tobias Beck in Tübingen die nachhaltigsten Eindrücke empfangen hat, das verband ihn später mit dem Schwiegervater seines Sohnes Paul, Karl Dieterich. Johann Tobias Beck (1804–1878) lehrte seit 1843 Systematische Theologie in Tübingen. Stark hat J. T. Beck das Sittliche am Christentum betont. Nach Becks Auffassung wird der Mensch durch Gottes Gnade nicht nur »gerechtfertigt« sondern er wird durch den Geist Gottes wirksam verwandelt. Es ist denkbar, dass G. A. Schneiders Betonung des Sittlichen in seinem Pfarrdienst eine Wirkung J. T. Becks ist. Und man kann auch vermuten, dass sein Sohn Paul in seiner Jugend dadurch mitgeprägt wurde.

      Zwischen G. A. Schneider und den Pietisten im Ort habe eine latente Spannung bestanden, so Gretel Schneider. Dass seine Verlobung mit der Tochter eines Liebenzeller Gemeinschaftspredigers kurz vor der Hochzeit geplatzt sei, habe dazu beigetragen. »Die Pietisten sind zwar meine besten Kirchgänger«, habe er gelegentlich gesagt, »aber die Organisation!« Von ihr hat er offenbar nichts Gutes erwartet. Er habe wohl gefürchtet, die Pietisten kämen mehr aus Achtung vor der kirchlichen Sitte zu ihm in den Gottesdienst. Ihre »Seelenspeise« jedoch würden sie sich bei ihrem pietistischen Prediger holen. Die Predigten ihres Schwiegervaters seien aber ebenso biblisch wie inhaltsreich gewesen, sagte Gretel Schneider. Nur eben nicht sonderlich ansprechend.

      Von Gustav Adolf Schneider wurde gelegentlich ein Bild gezeichnet, das M. S. so nicht richtig fand. Aus der Szene im Pfarrgarten von Pferdsfeld, in der Paul sich dem nachfragenden Vater durch eine Lüge entzog, wird bisweilen gefolgert, Gustav Adolf Schneider sei seinen Söhnen gegenüber besonders streng gewesen. Durch Berichte über seine Art, Kirchenzucht zu üben, wird diese Auffassung für viele bestätigt. Manche Story wurde über ihn erzählt: Wie er auf einem vom Pony oder Esel gezogenen Wagen seine körperbehinderte Frau durch die Landschaft führte. Dass er, der Lebensreformer, allmorgendlich in einer Zinkbadewanne mit kaltem Wasser gebadet habe. Solche Geschichten sind dazu angetan, in ihm einen Sonderling zu sehen. Das Klischee, seine Söhne hätten unter ihm zu leiden gehabt, hat M. S., wenn sie die Berichte ihres Mannes wiedergegeben hat, zu zerstreuen versucht. Der ruhebedürftige Mann sei weder skurril noch furchterregend gewesen. Paul habe unter seinem »père« – so nannten ihn die Söhne – nicht sonderlich gelitten. Dieser habe seinen Söhnen durchaus Freiheit gelassen. Mit Vergnügen habe Paul von seinem Kindheitsparadies erzählt. Auch hätten die Gemeinden ihren Pfarrer durchaus geschätzt.

      Dass Pauls Mutter ihren Kindern zu einer glücklichen Kindheit verhalf, ist nicht ganz selbstverständlich: Paul kannte sie nur als Leidende. Elisabeth, geb. Schnorr, wurde in Düsseldorf am 8. August 1863 geboren. Sie hatte keinen leichten Weg hinter sich, ehe sie im Jahre 1888 Pfarrfrau in Pferdsfeld wurde. Ihre Eltern waren in der Gründerzeit5 aus einem hessischen Dorf ausgewandert. Sie besaßen in Düsseldorf ein Hotel, sind aber beide früh gestorben. So kamen ihre beiden kleinen Töchter ins Waisenhaus nach Mülheim/Ruhr. Elisabeth, die ältere von beiden, war dann bis zu ihrer Heirat Erzieherin. Nach der Totgeburt ihrer ersten beiden Kinder begann ihr unheilbares Gichtleiden6. Die Tapfere schenkte dann noch drei Söhnen das Leben: Adolf im Jahre 1891, Paul am 29. August 1897 und Hans im Jahre 1901. Paul schrieb einmal über seine Mutter: »Sie blieb die fröhliche Seele unseres Hauses, solange sie immer unter uns sitzen konnte.« Offenbar war sie darauf bedacht, ihre Jungen selbstständig und unbeschwert aufwachsen zu lassen: Da durfte man Raben zähmen, Eichhörnchen fangen, Frösche halten, kurz – an allem erreichbaren Getier sich erfreuen. Mutters Weihnachtsabend war für Paul zeitlebens der Inbegriff alles Schönen.

      Bald wurde die Tatkräftige ganz an den Stuhl gefesselt. Um ihr noch den Genuss der Waldlandschaft zu verschaffen, kaufte Vater Schneider ein Eselsgefährt. Der kräftige Paul hebt die Mutter in die Kutsche, der Vater setzt sich auf den Bock, die Buben traben nebenher – das ist sicher ein köstlicher Anblick für die Dorfbewohner gewesen! – Pauls Sangesfreudigkeit und seine gute Stimme ist ein Erbteil seiner Mutter. Unvergessen in ihren Gemeinden ist die gelähmte Pfarrfrau, am Fenster sitzend, mit dem freundlichen Gruß und dem frohen, getrosten Gesang.

      Im Sommer 1914 erlag Pauls Mutter ihrem Leiden. Auf dem Grabstein ist zu lesen: »Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet«7.

      Der 1918 aus dem Krieg heimgekehrte Paul empfindet ihren Verlust noch schwer: »Seit 1914 wieder die erste Weihnacht, die zweite ohne Mutter zu Hause. Es ist einfacher geworden, stiller, nicht schöner, das warme Gefühl, das sonst die Mutter, die Frau mit dem liebenden Herzen, hereingebracht hat, fehlt.«

      Von seiner Frau Elisabeth, geb. Schnorr, Pauls Mutter, konnte G. A. Schneider gelegentlich sagen, sie sei »flott« gewesen. Er meinte damit wohl: Sie war aufgeschlossen und vorwiegend fröhlich. Vielleicht meinte er mit dieser Bezeichnung auch ihren für die damalige Zeit ungewöhnlich kurzen Haarschnitt. Diesen hatte sich Elisabeth zugelegt, da sie wegen ihrer Gicht sich nicht selbst kämmen konnte und diese Mühe nicht anderen Leuten zumuten wollte. Die trotz ihrer zunehmenden Körperbehinderung fromm-fröhliche Frau, die gern die geistlichen Volkslieder aus dem 19. Jahrhundert sang, die sie im Waisenhaus gelernt hatte, muss auf die Gemeinde eine bleibende wohltuende Ausstrahlung gehabt haben. Noch in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts traf ich (P. D.) in Hochelheim alte Leute, die mir sagten, sie hätten als Kinder ihre Wege gern so eingerichtet, dass sie an dem Wohnstubenfenster des Pfarrhauses vorbeikamen. Es sei so schön gewesen, mit der Frau Pfarrer zu reden. Sie hätte ihnen gutgetan.

      Aber da war ja noch das gute Sophiechen, dem Paul so sehr zugetan war! Sophie Helmes aus Pferdsfeld war seit den ersten Ehejahren der Eltern die vorbildlich treue Pfarrmagd. Nach Kräften versorgte sie ihre Pfarrfamilie auch später im frauenlosen Haushalt. In der Kriegs- und der Nachkriegszeit bewirtschaftete sie umsichtig Garten und Pfarrland, Hühner-, Schweine- und Kuhstall mit eingeschlossen! Oft und gern half Paul ihr dabei. – Noch als Rentnerin hatte Sophie ihren Platz am Tisch unserer jungen Familie. Dieser Bindung und Verpflichtung setzte die Zerstörung unseres Elberfelder Hauses im Zweiten Weltkrieg 1943 ein Ende. Von da ab wohnte sie wieder in ihrem Heimatdorf; dort starb sie 92-jährig.

      Schule, Krieg und Studium

      »Geh deinen unmerklichen Schritt, ewige Vorsehung!

       Nur lass mich dieser Unmerklichkeit wegen an dir nicht verzweifeln!

       Lass mich an dir nicht verzweifeln, wenn selbst deine Schritte

       mir scheinen sollten, zurückzugehen!«

      Gotthold Ephraim Lessing:

       Die Erziehung des Menschengeschlechtes, 1780

       Zitat aus Paul Schneiders Tagebuch

      Von seinem Vater wurde Paul auf den Besuch des humanistischen Gymnasiums in Bad Kreuznach vorbereitet. In einer Pension mit anderen Jungen untergebracht, lebte man zum Samstag hin, der einen wieder in die dörfliche Freiheit und Geborgenheit des Elternhauses zurückbrachte. Um der Mutter in einem milderen Klima Linderung zu verschaffen, ließ Vater Schneider sich im Jahre 1910 nach Hochelheim, Kreis Wetzlar, versetzen. Nun war das humanistische Gymnasium8 in Gießen Pauls Bildungsstätte. Der Schulweg dorthin, teils mit dem Rad, teils mit der Bahn, entbehrte nicht der Spannungen und Abenteuer. Des Dorfes Norm war: »Wenn Pärners (Pfarrers) Paul fortfährt, reicht’s sonst niemand mehr.« Wie sehr der ihm vom Vater zur Konfirmation gegebene Denkspruch ein Leitwort fürs Leben war, erkannten wir erschüttert nach Pauls Sterben: »Christus spricht: Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme« (Johannes 18,37).

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