Big Ideas. Das Klassische-Musik-Buch. Hall George
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Neue Anforderungen
Luther war ein versierter Sänger und liebte Musik, die zusammen mit den Verbreitungsmöglichkeiten durch die Druckerpresse ein Schlüssel zum Erfolg seiner Reformen war. Im Jahr 1524 veröffentlichte er sein erstes Lied, »Ein newes Lied wir haeben an«, eine Art Bänkelgesang über den Tod zweier Anhänger der Reformation auf dem Scheiterhaufen in Brüssel. Mehr als 30 deutschsprachige Kirchenlieder stammen aus seiner Feder. Ein einfacher, homophoner Satz förderte die Textverständlichkeit. Diese Einfachheit sprach viele an, die sich von der Vorliebe der Kirche für opulente Rituale abgestoßen fühlten.
Zugängliche Populärmusik wurde zum wichtigen Medium für Ideen und für die Gewinnung von Unterstützern. Sie war auch ein Markenzeichen der Gottesdienste in der reformierten Kirche. Luther und der französische Reformator John Calvin förderten das Singen von Chorälen zu Melodien, die jeder kannte.
Alte Traditionen
Diese Betonung der Einfachheit stand in scharfem Widerspruch zur römisch-katholischen Praxis. Der katholische Kirchenmann, Humanist und Gelehrte Bernardino Cirillo erkannte, dass die weniger Gebildeten Schwierigkeiten hatten, den Messen in den Kathedralen und Kapellen jener Zeit zu folgen. Im Jahr 1549 schrieb er: »In dieser Zeit widmen Musiker all ihre Mühe der Komposition von Fugen (wo die Stimmen gestaffelt einsetzen), sodass eine Stimme ›Sanctus‹ singt, eine andere ›Sabaoth‹ und eine weitere ›Gloria tua‹. Heulend, brüllend und stotternd ähneln sie eher Katzen im Januar als Blumen im Mai.«
Die Notationsreform im 14. Jahrhundert gab Komponisten zum ersten Mal die Möglichkeit, nahezu jede musikalische Idee präzise aufzuschreiben. Seitdem hat die katholische Kirche ihren Hang zum Ausschmücken der Musik und zu immer größerer Komplexität und Subtilität zuweilen gefördert und zuweilen beschnitten.
Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde die tägliche Messe meist einstimmig gesungen. Hatte eine Institution jedoch die Mittel, konnte das Ordinarium der Messe (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus, und Agnus Dei) deutlich aufwendiger zelebriert werden. Um 1490 notierten mehrere Schriftsteller die Anwesenheit eines Zinkspielers in der Hofkapelle Philipps IV. von Burgund, so ungewöhnlich war damals das Vorkommen von Bläsern. Diese hatten bisher nur improvisiert, doch nun lernten sie Noten zu lesen und Chöre zu begleiten, sodass ihre Teilnahme bei Messen um 1530 nicht mehr solche Verwunderung auslöste.
»[Palestrinas] Stabat Mater … ergreift und erhebt die menschliche Seele.«
Franz Liszt, Brief an den Verleger Christian Kahnt, 30. Mai 1878
Das Konzil von Trient traf sich in 18 Jahren 25-mal, um den Protestantismus zu diskutieren und die katholische Lehre und Liturgie zu bereinigen.
Obwohl Blasinstrumente in der Kirche großen Eindruck machten, konnte das Spiel eines Blechbläser-ensembles, wenn unsensibel ausgeführt, die Verständlichkeit des Textes beeinträchtigen. Der spanische Komponist Francisco Guerrero ermutigte seine Zinkenspieler, sich beim Improvisieren von Ornamenten abzuwechseln, denn täten sie es gemeinsam, würde »ein absurder Klang entstehen, der die Ohren verstopft«.
Wenig Beachtung des Texts
Selbst wenn eine mehrstimmige Messe ohne Instrumentalbegleitung gesungen wurde, war die von Cirillo favorisierte Klarheit des Ausdrucks nicht für jeden Komponisten oberstes Gebot. Franko-flämische Musiker rühmten sich oft ihres Könnens im Umgang mit komplexen polyphonen Strukturen. In einer vierstimmigen Messe konnten bestimmte Abschnitte im Manuskript beispielsweise nur für drei Stimmen notiert sein, sodass der Sänger die vierte Stimme ableiten musste, indem er der Logik der anderen drei folgte. Der Komponist konnte die Sänger noch weiter herausfordern, indem er die Stimmen einen Kanon mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten singen ließ. Das schwierigste Beispiel dafür ist Johannes Ockeghems Missa Prolationum, bei der jeder der vier Sätze ein anderes Kanonszenario aufweist. Das Intervall, das die Stimmen des Kanons trennt, wird zudem mit jedem Satz länger.
Musikalische Satzweisen
Monophonie Einstimmig von einem Sänger oder Chor gesungen. Beispiele sind der gregorianische Choral und die meisten Minnelieder.
Homophonie Melodie mit untergeordneten, akkordisch ausgerichteten Stimmen im selben Rhythmus. Oft bei Chorälen zu finden.
Polyphonie Mehrere unabhängige und gleichbedeutende Stimmen. Formen sind der Kanon, die Fuge und die Motette.
Grade der Komplexität Dank präziseren Notationmethoden und unterstützt von wohlhabenden Gönnern, schufen die Renaissance-komponisten eine zunehmend vielschichtigere Musik.
Josquin Desprez gelingt in seiner Missa L’Homme armé super voces musicales mit nur einer Melodie eine elegante und abwechslungsreiche dreistimmige Fassung der zweiten Wiederholung des Agnus Dei. Wenn drei Stimmen eine Melodie in unterschiedlichen Geschwindigkeiten singen, entsteht zwar ein beeindruckender Klangteppich, der Text ist dabei allerdings nicht leicht herauszuhören.
Eine offizielle Reaktion
Auf die Krise, die Luthers Reformen auslösten, reagierte die katholische Kirche mit einer Reihe von Versammlungen, um zu entscheiden, wie damit umzugehen sei. Nach einigen Verzögerungen traf man sich zum ersten Mal im Jahr 1545 in der Stadt Trient in Norditalien. Zum Zeitpunkt des letzten Treffens (1562/63) unter der Leitung von Papst Pius IV. war jedoch klar, dass die Verhandlungen in einer Sackgasse geraten und eine Versöhnung zwischen Rom und den Reformatoren unmöglich war.
Dennoch zwangen die protestantischen Reformen auch die katholische Kirche, Veränderungen in Bezug auf Lehre und Praxis vorzunehmen, darunter eine Bereinigung der sakralen Musik. 1562 legte ein Beschluss des Konzils von Trient Richtlinien für Musiker fest: »Es solle in der Tat bestimmt werden, dass die Messen, ob von der Gemeinde oder vom Chor gesungen, die Ohren der Zuhörer erreichen und sanft in ihre Herzen dringen können, wenn alles klar und in der richtigen Geschwindigkeit ausgeführt wird. Bei Messen, die mehrstimmig und mit Orgelbegleitung gefeiert werden, darf sich nichts Profanes daruntermischen, nur göttliche Lobpreisungen.« Die Komponisten mussten dieser neuen Richtlinie folgen.
»Die Renaissance förderte das Wachstum der Persönlichkeit. Eine Idee, die der Selbstlosigkeit und Objektivität der alten Polyphonie grundlegend widersprach.«
Zoë Kendrick Pyne Verfasser einer Biografie Palestrinas
Hervorhebung des Textes
Giovanni