Big Ideas. Das Klassische-Musik-Buch. Hall George
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Die Komposition der 40-stimmigen Motette Spem in alium von Thomas Tallis markiert einen Höhepunkt der frühen englischen Renaissance-Chormusik und war die Antwort auf die kontinentaleuropäische Konkurrenz. Im Jahr 1567 kam der Komponist Alessandro Striggio auf diplomatischer Mission nach England und brachte seine neuesten Kompositionen für 40 oder mehr Stimmen mit. Es waren musikalische Manifestationen von Einfluss und Macht, und man fragte sich, was entstehen würde, wenn sich ein englischer Komponist an solch ein Werk heranwagte. Man wandte sich an Tallis, der unter vier Monarchen, Heinrich VIII., Eduard VI., Maria I. und Elisabeth I., oberster Hofkomponist gewesen war. Tallis katholischer Mäzen, Thomas Howard, vierter Herzog von Norfolk, gab das Werk in Auftrag.
Ein Chor singt aus einer Partitur auf einem Pult. Frontispiz der Practica musicae des italienischen Musiktheoretikers Franchini di Gaffurio, veröffentlicht 1512.
Eine lange Chortradition
England hatte sich schon früher um die Chormusik verdient gemacht. Im 15. Jahrhundert etablierte John Dunstable die contenance angloise, einen unverwechselbaren, harmonisch reichen, polyphonen Stil. Der flämische Musiktheoretiker Johannes Tinctoris bezeichnete Dunstable als »Quelle und Ursprung« musikalischer Innovation.
Eine Generation vor Tallis war Robert Fayrfax, ein Favorit Heinrichs VIII., ein führender britischer Komponist. Er war zwischen 1498 und 1502 Organist der Abtei von St. Albans und komponierte 1504 für seine Promotion die komplexe fünfstimmige Messe O quam glorifica.
Meister der Sakralmusik
Im frühen 16. Jahrhundert, nach seiner Berufung zum Meister der Chorsänger an Thomas Wolseys neu gegründetem Cardinal College in Oxford (dem späteren Christ Church) im Jahr 1526, trat John Taverner als bedeutender Komponist englischer Sakralmusik in Erscheinung. Er komponierte dort drei sechsstimmige Messen, Corona spinea, O Michael und Gloria tibi Trinitas.
In Letzterer wurde der Abschnitt »In nomine domini« (im Benedictus) so eindringlich vertont, dass er andere Komponisten zu Instrumentalbearbeitungen dieses Abschnitts anspornte. So entstanden in England zahlreiche In-nomine-Kompositionen. Diesen folgte das beliebte Instrumental-Genre »Fancy« (Fantasie), das ohne vokales Vorbild auskam.
Taverner zog sich nach Wolseys Sturz in seine Heimat Lincolnshire zurück und schrieb nur noch wenig Musik. John Sheppard gelang es vielleicht etwas besser, seine Werke an den Geschmack katholischer und protestantischer Monarchen anzupassen. Er war drei Jahre lang Chorleiter am Magdalen College in Oxford und ab 1552 Gentleman der Chapel Royal unter Eduard VI. und Maria I. Er starb am Vorabend der Thronbesteigung Elisabeths im Jahr 1558. Ein Großteil seiner Musik blieb jedoch erhalten. Sein sechsstimmiges Responsorium Media vita ist ein monumentales Werk zur Fastenzeit mit einem eindrucksvollen, langsamen Nunc-dimittis-Gesang, der sich durch das Werk zieht.
»Als der Herzog [Spem in alium] hörte, nahm er seine goldene Halskette ab und legte sie Tallis an und schenkte sie ihm.«
Thomas Wateridge Brief (1611)
Englische Antwort
Thomas Tallis war Mitglied der Chapel Royal, als Striggio mit seinen mehrchörigen Werken in Erscheinung trat und die Stimmen zu eigenständigen Chören gruppierte, die er an entscheidenden Stellen der Partitur zusammenführte.
Tallis verfolgte einen anderen Ansatz in seiner Motette Spem in alium: Er orientierte sich an der Musik Taverners und Sheppards und erschuf daraus ein unverwechselbar englisches Werk für acht Chöre zu je fünf Sängern. Nach und nach kommen alle Stimmen ins Spiel, während sich andere wieder ausklinken. Viermal erklingen in Spem in allium alle 40 Stimmen zusammen und setzen damit grandiose, monumentale Akzente.
Thomas Tallis
Von Thomas Tallis frühem Wirken ist wenig bekannt. Im Jahr 1532 war er Organist des Dover Priory in England. Nach dessen Auflösung war er in der Kirche St. Mary-at-Hill in London, in Waltham Abbey und in der Kathedrale von Canterbury tätig, bevor er Mitglied des Chors der Chapel Royal Heinrichs VIII. und später deren Organist wurde.
Königin Elisabeth I. gewährte Tallis und Byrd 1572 ein Patent zum Drucken von Musik. 1575 veröffentlichten sie gemeinsam Cantiones sacrae, eine Sammlung lateinischer Motetten. Tallis war auch einer der Ersten, die Psalmen, Lobgesänge und Choräle mit englischen Texten unterlegten. Jahrhunderte später nutzte Vaughan Williams seine Fassung von Psalm 2 für Fantasia on a Theme of Thomas Tallis (1910). Tallis starb im Jahr 1585 im Alter von etwa 80 Jahren friedlich in seinem Haus.
Weitere Hauptwerke
1560–1569 The Lamentations of Jeremiah
1567 Vertonung von 9 Psalmen für Erzbischof Parkers Psalter
DER VATER DER ITALIENISCHEN MUSIK
CANTICUM CANTICORUM (1584), GIOVANNI PIERLUIGI DA PALESTRINA
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Vereinfachung der Polyphonie
FRÜHER
Um 1540 In der achtstimmigen, als Kanon gesetzten Motette Inviolata, integra et casta es Maria verwendet der italienische Komponist Costanzo Festa wirkungsvoll den franko-flämischen Stil. Palestrina war ein Bewunderer Festas und imitierte ihn häufig.
1545 Der franko-flämische Komponist Nicolas Gombert veröffentlicht Musae Jovis, ein bewusst archaisches Werk zu Ehren von Josquin Desprez.
SPÄTER
1610 Claudio Monteverdi kehrt mit der Missa in illo tempore zur Polyphonie und dem stile antico (»alter Stil«) zurück.
um 1742 J. S. Bach führt seine Interpretation von Palestrinas Missa sine nomine auf.
Der Reformator Martin Luther beeinflusste nicht nur die Sakralmusik der neuen protestantischen Kirchen, sondern aufgrund der Gegenreformation auch die der römisch-katholischen Kirche. Das Konzil von Trient, eine ökumenische Versammlung hoher Kirchenmitglieder in der norditalienischen Stadt Trient zwischen 1545 und 1563, gab Richtlinien für Kirchenmusik