Big Ideas. Das Klassische-Musik-Buch. Hall George
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Die Geschichte des törichten, größenwahnsinnigen Monsieur Jourdain in Der Bürger als Edelmann wird durch eine Mischung aus gesprochenen Dialogen von Molière und lebhaften Orchestereinlagen und Tänzen von Lully erzählt. Die Chorpassagen und Arien schrieben sie gemeinsam.
»Ich glaube, dass es unter dem Himmel keine lieblichere Musik als die Lullys gibt.«
Madame de Sévigné Französische Adelige (1626–1696)
Hang zum Drama
Lully war ein talentierter Musiker, Tänzer und Schauspieler, und dies zeigt sich in seinen Kompositionen. Anstatt nur die Sänger zu begleiten, unterstreicht Lullys Orchester die Dramatik seiner Werke, kommentiert die Handlung der Figuren und schafft ein Gefühl von Ort und Anlass. Sein früheres Ballet des Muses (1666) nahm die Entstehung des Concertos vorweg, indem es instrumentale Solo- mit Orchesterpassagen abwechselte.
Beispiele für Komplexität und Virtuosität finden sich viele in Der Bürger als Edelmann, besonders im flotten Austausch der Figuren, in den wirbelnden Violinen- und Flötenornamenten der spanischen Melodien und den prunkvollen Ausschmückungen der Ouvertüre. In den fünf Akten nutzt Lully die unterschiedlichsten Mittel, von beliebten Tanzformen wie Gigue und Menuett über Trinklieder bis hin zu einem grandiosen »türkischen« Marsch mit auffälligem Einsatz des Schlagwerks. Obwohl Lully den musikalischen »Orientalismus« nicht erfand, wird ihm seine Verbreitung im 18. Jahrhundert zugeschrieben. Lullys Ouvertüren, orchestrale, marschartige Einleitungen, die Gelegenheit für royale Huldigung boten, waren lange Zeit stilbestimmend.
Als fähiger Violinist trat Lully mit seinen eigenen Werken auf. Man nimmt an, dass er der Mann mit der Violine in François Pugets Gemälde von 1688 ist.
Auftritt als Dirigent
Lullys größere Instrumentierung mit fünf Stimmen für Streicher, Holzbläser und Schlaginstrumente machte Der Bürger als Edelmann zu einem der ersten Musikstücke, bei denen ein Dirigent nötig war, um das Timing von Sängern und Orchester zu koordinieren. In der Tat zeigt eine Radierung von Lullys späterer Oper Alceste, die 1674 uraufgeführt wurde, einen Mann, der mit einem Stab auf den Boden klopfend den Takt angibt. Unglücklicherweise war es diese energische Methode der musikalischen Regieführung, die Lullys vorzeitigen Tod herbeiführte. Er starb im März 1687 an einer brandigen Wunde, die er sich durch einen Schlag auf den Zeh beim Dirigieren seines eigenen Te Deum zuzog.
Jean-Baptiste Lully
Giovanni Battista Lulli wurde 1632 in eine florentinische Müllerfamilie geboren und begann seinen Aufstieg in der französischen Gesellschaft, als er im Alter von 14 Jahren eine Stelle als Diener am französischen Hof erlangte. Er erregte die Aufmerksamkeit Ludwigs XIV., mit dem er später bei höfischen Anlässen tanzte. Ab 1661 war er für die höfische Musik zuständig, woraufhin er seinen Namen französisierte. Durch sein Monopol auf die französische Oper (Tragédie en musique) konnte er eigene Werke häufig aufführen. Bis zu seinem Tod 1687 schrieb er auch Kammer- und Sakralmusik.
Weitere Hauptwerke
1663 Miserere mei Deus
1674 Alceste
1677 Te Deum
1686 Armide
ER HATTE EIN … GENIE, DIE ENERGIE DER ENGLISCHEN WORTE AUSZUDRÜCKEN
DIDO AND AENEAS (UM 1683–1689), HENRY PURCELL
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Barockoper in England
FRÜHER
1617 Lovers Made Men, ein Maskenspiel von Ben Jonson, wird von Nicholas Lanier im italienischen Rezitativstil vertont.
1656 The Siege of Rhodes gilt als erste englische Oper, erscheint jedoch als »Rezitativmusik«, um das puritanische Theaterverbot zu umgehen.
Um 1683 John Blows Venus and Adonis wird am Hof Karls II. uraufgeführt.
1685 Albion and Albanius, mit einem Libretto von John Dryden, ist die erste erhaltene englische Oper in voller Länge.
SPÄTER
1705 Jakob Grebers Gli amori d’Ergasto ist die erste in London aufgeführte italienische Oper.
1711 Händels Oper Rinaldo wird uraufgeführt.
»Bei kaum einer Oper offenbart sich Genie so sehr wie bei Dido and Aeneas.«
Gustav Holst
Verächtlich schauende Puritaner und extravagant gekleidete Cavaliers in einer Kneipenszene aus dem 17. Jh. Cromwell schloss viele Kneipen und Theater, die er Bastionen »lüsterner Freude« nannte.
Die Größe von Henry Purcells (1659–1695) Dido and Aeneas liegt in der Perfektion seiner Charaktere und in der musikalischen Tiefe. Obwohl als Kammeroper konzipiert, ist es die bedeutendste frühe englische Oper und ein Meisterwerk der Barockzeit.
Als Dido and Aeneas im späten 17. Jahrhundert komponiert wurde, steckte die Oper in England noch in den Kinderschuhen. Die Oper hatte sich um 1590 in Florenz aus einer Form der Privatunterhaltung entwickelt, die von Künstler- und Musikergruppen organisiert wurde, die als »Akademien« bekannt waren. Von dort breitete sie sich durch Aufführung an vielen kleinen Höfen in ganz Italien aus. Erst mit der Eröffnung des Teatro di San Cassiano 1637 in Venedig wurden Opern für die breitere Öffentlichkeit zugänglich. Zu dieser Zeit hatte das neue Genre auch Deutschland sowie um 1640 Frankreich erreicht und sich in beiden Ländern schnell etabliert.