Stolz und Vorurteil. Jane Austen

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Stolz und Vorurteil - Jane Austen Reclam Taschenbuch

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Mann der älteren und einem anderen jungen Mann.

      Mr. Bingley sah gut aus und trat wie ein Gentleman auf; er hatte gewinnende Züge und ein offenes natürliches Benehmen. Seine Schwestern waren vornehme Damen von ausgesprochen modischer Erscheinung. Sein Schwager, Mr. Hurst, sah wie ein Gentleman aus, aber das war auch alles. Sein Freund Mr. Darcy hingegen zog schnell die Aufmerksamkeit des Saales auf sich durch seine schlanke, große Gestalt, seine angenehmen Züge, seinen vornehmen Ausdruck und durch das Gerücht, das schon fünf Minuten nach seinem Eintritt in Umlauf war, er habe Einnahmen von zehntausend pro Jahr. Die Herren nannten ihn einen prächtigen Burschen, und die Damen waren sich einig, dass er wesentlich besser aussah als Mr. Bingley. Während der ersten Hälfte des Abends wurde er sehr bewundert, aber dann rief sein Benehmen Empörung hervor, welche die Woge seiner Beliebtheit abflauen ließ; man fand nämlich heraus, dass er stolz war, erhaben über die anwesende Gesellschaft und über die ihm erwiesene Freundlichkeit. Und nicht einmal sein riesiger Besitz in Derbyshire konnte ihn nun davor retten, abstoßende, widerliche Züge zu haben und seinem Freund nicht das Wasser reichen zu können.

      Mr. Bingley hatte sich schnell mit allen wichtigen Leuten im Saal bekanntgemacht. Er war lebhaft und zugänglich, tanzte jeden Tanz, ärgerte sich, dass der Ball so früh zu Ende ging, und spielte mit dem Gedanken an einen eigenen Ball bei sich in Netherfield. Solche liebenswerten Eigenschaften sprachen für sich. Welch ein Unterschied zwischen ihm und seinem Freund! Mr. Darcy tanzte nur einmal mit Mrs. Hurst und einmal mit Miss Bingley, wollte keiner anderen Dame vorgestellt werden und verbrachte den Rest des Abends damit, im Saal umherzugehen und sich gelegentlich mit seinen Freunden zu unterhalten. Über seinen Charakter war das Urteil gefällt: Er war der hochmütigste, unangenehmste Mann der Welt, und alle hofften, er werde nie wieder an einem Fest teilnehmen. Ganz besonders heftig war Mrs. Bennet gegen ihn eingenommen. Er hatte eine ihrer Töchter geringschätzig behandelt, und deshalb steigerte sich ihre Abneigung gegen sein Benehmen im Allgemeinen zu ganz besonderem Widerwillen.

      Wegen der Knappheit an Männern war Elizabeth gezwungen gewesen, zwei Tänze lang sitzen zu bleiben. Einige Zeit stand dabei Mr. Darcy so nahe bei ihr, dass sie eine Unterhaltung zwischen ihm und Mr. Bingley mithören konnte, der ein paar Minuten vom Tanzen herübergekommen war,4 um auch seinen Freund dazu zu bewegen.

      »Komm, Darcy«, sagte er, »ich finde, du musst tanzen. Ich kann es nicht leiden, wenn du so albern allein herumstehst. Du solltest wirklich lieber tanzen.«

      »Das werde ich bestimmt nicht tun. Du weißt ja, wie schrecklich ich es finde, wenn ich meine Partnerin nicht gut kenne. Auf solch einem Fest wäre es mir ganz unerträglich. Deine Schwestern tanzen schon, und sonst gibt es keine Frau in diesem Saal, die aufzufordern nicht eine Strafe wäre.«

      »Sei doch bloß nicht so wählerisch«, rief Bingley, »noch nie in meinem Leben habe ich so viele nette Mädchen getroffen wie heute Abend, Ehrenwort! Und einige von ihnen sind ausgesprochen hübsch.«

      »Du tanzt mit dem einzigen hübschen Mädchen im Saal«, sagte Mr. Darcy, indem er der ältesten der Bennet-Schwestern nachsah.

      »Ja, sie ist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe. Aber eine ihrer Schwestern sitzt gerade hinter dir; sie ist doch auch sehr hübsch und obendrein sehr nett. Komm, meine Partnerin kann dich ihr vorstellen.«

      »Welche meinst du?« Und er drehte sich zu Elizabeth um und sah sie an, bis er ihren Blick auffing. Dann sah er weg und sagte ungerührt: »Sie ist ganz passabel, aber nicht hübsch genug, um mich zu reizen. Im Übrigen habe ich gerade keine Lust, mit Mädchen zu tanzen, die andere Männer haben sitzenlassen. Geh lieber zurück zu deiner Tänzerin und labe dich an ihrem Lächeln. Mit mir verschwendest du deine Zeit.«

      Mr. Bingley folgte seinem Rat. Auch Mr. Darcy ging weg, und Elizabeth blieb mit nicht gerade warmherzigen Gefühlen ihm gegenüber zurück. Trotzdem erzählte sie die Geschichte sehr anschaulich ihren Freundinnen, denn sie hatte einen ausgeprägten Sinn für komische Situationen.

      Der Abend ging für die ganze Familie vergnügt zu Ende. Mrs. Bennet freute sich über die Bewunderung der Gesellschaft von Netherfield für ihre älteste Tochter. Mr. Bingley hatte sogar zweimal mit ihr getanzt, und von seinen Schwestern war sie sehr zuvorkommend behandelt worden. Jane freute sich darüber genauso sehr wie ihre Mutter, wenn auch mit mehr Zurückhaltung. Elizabeth nahm an Janes Freude teil. Mary hatte gehört, wie sie Miss Bingley gegenüber als das gebildetste Mädchen der ganzen Gegend bezeichnet wurde. Und Catherine und Lydia waren zum Glück während des ganzen Abends nicht einmal sitzengeblieben; mehr erwarteten sie bisher von einem Ball auch nicht. Alle kehrten deshalb in guter Laune zurück nach Longbourn, in das Dorf, wo sie als angesehenste Familie wohnten. Sie fanden Mr. Bennet noch auf. Mit einem Buch verging ihm die Zeit wie im Flug, und heute war sogar er neugierig auf die Ereignisse des Abends, der so großartige Erwartungen ausgelöst hatte. Er hatte eigentlich gehofft, der Neuankömmling werde für seine Frau eine Enttäuschung sein, aber er merkte bald, dass das Gegenteil der Fall war.

      »Oh, mein lieber Mr. Bennet«, sagte sie beim Eintreten, »wir haben einen ganz reizenden Abend verbracht, es war ein ganz großartiges Fest. Wärst du nur dabei gewesen! Jane ist so bewundert worden, ganz unvergleichlich. Alle waren von ihrer Schönheit angetan, ganz besonders Mr. Bingley. Er hat zweimal mit ihr getanzt. Stell dir vor, mein Lieber, er hat tatsächlich zweimal mit ihr getanzt. Und sie war die Einzige im Saal, die er zweimal aufgefordert hat. Zuerst bat er Miss Lucas. Ich war so ärgerlich, als er sie aufforderte. Aber er fand sie überhaupt nicht anziehend; na ja, wer tut das schon. Aber von Jane war er ganz hingerissen, als er sie tanzen sah. Er fragte also, wer sie sei, wurde ihr vorgestellt und bat sie um die beiden nächsten Tänze. Die beiden dritten tanzte er mit Miss King und die beiden vierten mit Maria Lucas, und die beiden fünften wieder mit Jane, und die beiden sechsten mit Lizzy, und die sieb…«

      »Wenn er etwas Mitleid mit mir gehabt hätte«, rief ihr Mann ungeduldig, »hätte er nicht halb so viel getanzt. Um Gottes willen, kein Wort mehr von seinen Partnerinnen. Hätte er sich nur beim ersten Tanz den Fuß verstaucht!«

      »Oh, mein Lieber«, fuhr Mrs. Bennet fort, »ich bin entzückt von ihm. Er sieht ungewöhnlich gut aus, und seine Schwestern sind so charmant. Ich habe im Leben nichts Eleganteres als ihre Kleider gesehen. Ich bin sicher, die Spitze an Mrs. Hursts Kleid …«

      Hier wurde sie wieder unterbrochen. Mr. Bennet verbat sich jede Beschreibung von weiblichem Putz. Sie sah sich deshalb gezwungen, das Thema von einer anderen Seite anzugehen, und erzählte mit viel Bitterkeit und allerlei Übertreibung vom haarsträubenden Benehmen Mr. Darcys.

      »Aber ich sage dir«, fuhr sie fort, »es kann Lizzy ganz gleich sein, wenn sie seinen Ansprüchen nicht genügt, denn er ist ein widerlicher, abstoßender Mann, um den man sich gar nicht zu bemühen braucht. So hochnäsig und so eingebildet, es war nicht auszuhalten. Er stolzierte hierhin und dorthin und fand sich ganz unwiderstehlich. Dabei ist er nicht einmal zum Tanzen hübsch genug. Wärst du nur dabei gewesen, mein Lieber, du hättest ihm schon einen Dämpfer verpasst. Ich verabscheue ihn.«

      Kapitel 4

      Jane war bisher mit ihrem Lob für Mr. Bingley zurückhaltend gewesen, aber als sie mit ihrer Schwester allein war, erzählte sie Elizabeth, wie gut er ihr gefiel.

      »Er ist genau, wie ich mir einen jungen Mann vorstelle«, sagte sie, »vernünftig, zugänglich, lebhaft; und so angenehme Umgangsformen sind mir noch nie begegnet – so viel Zwanglosigkeit bei einer so guten Kinderstube!«

      »Und obendrein sieht er gut aus«, erwiderte Elizabeth, »auch das ist ja nicht unbedingt ein Nachteil. Es rundet seine Persönlichkeit ab.«

      »Als er mich zum zweiten Mal aufforderte, fühlte ich mich sehr geschmeichelt. Ein solches Kompliment hatte

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